In der Digitalisierung der Immobilienbranche liegen zahlreiche Chancen

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Marcus Walthaner ist Co-Gründer und Geschäftsführer der iad Deutschland Gmbh. Vor seiner Tätigkeit für iad war er unter anderem in führenden Positionen für das Immobilienunternehmen Engel & Völkers sowie in der Konsumgüter- und Dienstleistungsbranche tätig.
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Auch nach der Corona-Pandemie befindet sich der Markt für digitale Maklerkonzepte im Wandel und gewinnt weiter an Bedeutung. Insbesondere junge, digital orientierte Unternehmen in der Immobilienbranche, die bereits vor der Pandemie aktiv waren, haben den etablierten Unternehmen Konkurrenz gemacht und können vom veränderten Kundenverhalten profitieren. Unabhängig davon gibt es noch zahlreiche digitale Optimierungschancen für alle Marktteilnehmer.

Denn klar ist: Um wettbewerbsfähig zu bleiben und das Kundenerlebnis zu verbessern, muss sich der Immobilienmarkt anpassen und neue Technologien wie Online-Schätzungen, Geolokalisierungen von Immobilien und virtuelle 360-Grad-Rundgänge einführen. Die Digitalisierung von Anzeigen, Immobilienkrediten oder auch die 3D-Konfiguration von Immobilien sind in dieser Hinsicht nur ein wichtiger Baustein von zahlreichen weiteren.

Trends begünstigen neue digitalisierte Marktteilnehmer

Schon jetzt bringen neu auf den Markt drängende nationale und internationale Teilnehmer eine neue und hohe Wettbewerbsintensität mit sich. Hierbei stechen vor allem innovative Unternehmen aus Frankreich und den USA hervor. Sie scheinen die Chancen – die im Rahmen des aktuellen Umbruchs im Immobilien- und Arbeitsmarkt stattfinden – erkannt zu haben. Während etablierte Player tendenziell mehr mit den neuen Bedingungen zu kämpfen haben und ihr Geschäftsmodell nur langsam an die rechtlichen Rahmenbedingungen – wie die Datenschutzgrundverordnung – anpassen.

Dies wird noch verstärkt von sich gesellschaftlich manifestierenden Konzepten wie Gendershift, Connectivity und New Work, die den Arbeitsmarkt der Zukunft bestimmen werden – wobei der Wunsch nach mehr Selbstbestimmung und zeitlicher Flexibilität hierbei vermehrt den jungen und technologiebasierten Anbietern zugutekommt. Sie profitieren am meisten vom neuen digitalen Selbstverständnis der Kunden und schaffen es, durch effizientere Prozesse den Maklern mehr Zeit für ihr Kerngeschäft und ihre Kunden zu ermöglichen.

Ausrichtung des Geschäftsmodells ist von hoher Bedeutung

Elementar für die private Immobilienvermittlung sind vor allem digitale Stärke, geringere Strukturkosten sowie erheblich niedrigere Maklergebühren. Eine fortschrittliche Plattform inklusive qualifizierter Bildungsprogramme und innovativer Instrumente wird dabei auch für Makler von immer größerer Bedeutung. Einen klaren Wettbewerbsvorteil besitzt derjenige, der diese Leistungen qualitativ hochwertig anbieten kann.

Es wird in Zukunft nicht nur rein digitale Vermittler geben, weil Immobiliengeschäfte traditionell auch stets eine analoge – oder besser gesagt – physische Komponente haben. Das „klassische“ Büro eines Immobilienmaklers wird jedoch künftig immer seltener das Geschäftsmodell der Marktakteure sein.

Jenes Unternehmen, das über sein Geschäftsmodell nicht nur eine qualitative Dienstleistung zu fairen Preisen bieten kann, sondern dem es obendrein gelingt, vor allem auch Vertrauen zu schaffen, wird sich am Ende am stark umkämpften Immobilienmarkt durchsetzen.

Interne Optimierungschancen steigern Wettbewerbsfähigkeit

Die fortschreitende Digitalisierung betrifft nicht nur die für den Kunden direkt ersichtlichen Aspekte, sondern kann auch die internen Prozesse eines Unternehmens optimieren. Hierzu zählt unter anderem die Implementierung von Customer Relationship Management-Systemen (CRM) zur effektiven Verwaltung von Kundenbeziehungen oder die Integration verschiedener Tools, die den Arbeitsalltag der Mitarbeiter optimieren und deren Kommunikation untereinander verbessern. Durch den Einsatz von CRM-Software können Unternehmen ihre Umsätze steigern, indem sie Daten zu Kunden optimal erfassen, verarbeiten und analysieren.

Die Vorteile der Digitalisierung: verbesserte Arbeitsabläufe, höhere Effizienz, optimierte Produkte und innovative Dienstleistungen führen zusammen zu einer erhöhten Wettbewerbsfähigkeit.

Digitalisierungswüste Deutschland

Die Pandemie hat zwar einen Digitalisierungsschub in der Immobilienbranche ausgelöst, aber auch gleichzeitig die existierenden Schwächen vieler Unternehmen und den Nachholbedarf Deutschlands in puncto Digitalisierung aufgezeigt. Dass Deutschland branchenübergreifend und im europäischen Digitalisierungsvergleich nicht nur deutlich hinter den führenden skandinavischen Ländern liegt, sondern auch im Vergleich zu Frankreich und Spanien nur Mittelmaß ist, kann daher nicht überraschen.

Insbesondere Frankreich, mit dem zweitgrößten Immobilienmarkt in Europa, ist der Bundesrepublik in vielen Bereichen der Digitalisierung voraus. So werden beispielsweise sämtliche Marktdaten quartalsweise veröffentlicht und die Notare digital vernetzt, was es den Marktteilnehmern ermöglicht, ihre Unternehmensstrategie anzupassen.

In Deutschland schien der Druck zur digitalen Optimierung in der Vergangenheit noch nicht groß genug gewesen zu sein. Allerdings ist wohl auch die Mentalität hierzulande eine entscheidende Komponente, die Sicherheitsbedenken und Festhalten an Altbewährtem oftmals höher bewertet als Innovationsgeist und Mut zur Veränderung. Dementsprechend ist noch eine Menge ungenutztes Potenzial vorhanden.

Möglichkeiten und Herausforderungen

Die digitale Durchdringung wird in den kommenden Jahren auch in Deutschland deutlich schneller voranschreiten. Und das hat Gründe: Denn der Innovationsdruck erhöht sich derzeit vor dem Hintergrund sich stetig ändernder Vorschriften, sinkender Margen und eines gravierenden Mangels an Fachkräften mit hohem Tempo. Nicht vergessen werden darf dabei zudem, dass mit der Digitalisierung auch mehr Resilienz und Wettbewerbsfähigkeit einhergehen, so dass die Unternehmen gar nicht umhinkommen, sich hier verstärkt zu bewegen.

Zusätzlich drängen junge Arbeitskräfte in die Bau- und Immobilienwirtschaft, die nicht nur grundsätzlich eine positive Einstellung gegenüber digitalen Tools haben, sondern deren Einsatz vielmehr sogar voraussetzen.

Bei einer digitalisierten Immobilienvermittlung fallen besonders kostenintensive Posten wie Maklerbüros weg. Dies wiederum ermöglicht eine optimierte Arbeitsstruktur – und die Unternehmen können zudem niedrige Preise anbieten, was wiederum zu einer Steigerung der Attraktivität bei den Kunden führt. Kostenmanagement und Risikobewusstsein sind gerade in Zeiten von gestiegenen Zinsen, kletternder Energiekosten, hoher Inflation und sinkender Kaufkraft für potenzielle Käufer entscheidende Faktoren. Somit gewinnt die Beziehung zu einem professionellen Makler wieder an Bedeutung.

Trotz aktueller Probleme bleibt der Markt dynamisch und umkämpft

In Deutschland ist der Wohnimmobilienmarkt nach wie vor hart umkämpft. Die Zahl der relevanten Wettbewerbsobjekte fluktuiert weiterhin stark und auch hinsichtlich der Qualität bestehen starke Unterschiede. Die niedrigen Zinsen der letzten Jahre haben zu einer hohen Nachfrage und einem starken Preisanstieg für potenzielle Käufer gesorgt. In den Städten ist jedoch ein vorübergehender Preisstopp eingetreten. Während die Preise bis zur Jahresmitte 2022 im Bundesdurchschnitt um etwa zwölf Prozent im Vergleich zum jeweiligen Vorjahresquartal gestiegen waren, sind sie seit dem dritten Quartal 2022 in ganz Deutschland gefallen.

In den größeren Städten ist der Preisrückgang mittlerweile noch ausgeprägter, insbesondere in Städten mit über 500.000 Einwohnern. Dies ist unter anderem auf die Inflation und die Lieferkettenengpässe zurückzuführen, die höhere Baukosten verursachen sowie aufgrund der steigenden Zinsen.

Diese Faktoren beeinträchtigen natürlich ebenfalls das Budget potenzieller Käufer negativ und lassen den Traum vom Eigenheim für viele Menschen unerreichbar werden. Die Folge sind höhere Mietpreise insbesondere in den A-Städten, wo die Preisschere zwischen Kaufpreisen und Mieten immer weiter auseinanderklafft.

In Deutschland ist Wohnraum trotz der momentanen wirtschaftlichen Schwierigkeiten immer noch vielerorts knapp. Die Nachfrage liegt daher im Vergleich nach wie vor über dem Angebot. Nicht zuletzt deshalb ist davon auszugehen, dass sich der Markt in der zweiten Jahreshälfte wieder beleben wird. Zumal schon jetzt festzustellen ist, dass die Nachfrage insbesondere im Umland der großen Städte und in den Speckgürteln und ländlicheren Regionen wieder anzieht.

Außerdem dürften potenzielle Käufer im weiteren Jahresverlauf auch insgesamt wieder aktiver werden und mit den nun höheren Zinsen besser zurechtkommen. Auch die Verkäufer werden sich immer besser mit den neuen Rahmenbedingungen arrangieren.

Wer in diesem anspruchsvollen Umfeld verstärkt auf die Digitalisierung setzt, wird in Anbetracht der dynamischen Marktlage und der hohen Konkurrenz in der Immobilienbranche gute Aussichten haben, sich gegenüber den Wettbewerbern zu behaupten – und ist auch für die künftigen Herausforderungen gut gewappnet.

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