Künstliche Intelligenz im Vertriebsprozess aktiv nutzen

Ein Gastartikel von ...

Dr. Karsten Konrad
Dr. Karsten Konrad
Dr. Karsten Konrad ist Senior Director Data Science bei Prof. Roll & Pastuch – Management Consultants. Als ehemaliger Entwicklungsleiter für (Pricing-) Software ist er Experte für Datenanalyse, Künstliche Intelligenz, Modellierung und Preisoptimierung. Dr. Konrad begleitet Konzerne und mittelständische Unternehmen auf nationalen und internationalen Projekten in den Bereichen Preismanagement, Business Intelligence und Vertrieb.

In den kommenden Jahren wird Künstliche Intelligenz (KI) zum Schlüsselfaktor für Unternehmen, insbesondere durch ihre revolutionäre Rolle bei der Umgestaltung der Vertriebsprozesse. Dieser Artikel beleuchtet, wie gezielte KI-Integrationen die Effizienz entlang des gesamten Vertriebszyklus steigern kann und sich dadurch der Vertrieb in Zukunft verändern wird.

Künstliche Intelligenz (KI) gewinnt aktuell bei der Gestaltung von Unternehmensprozessen enorm an Bedeutung. Neben der Automatisierung von Routineaufgaben ermöglicht KI auch die Implementierung gänzlich neuer Prozesse. Speziell im Vertrieb hat KI das Potenzial, herkömmliche Methoden entlang des gesamten Vertriebsprozesses signifikant zu verbessern. Sowohl Large Language Models (LLM) als auch traditionelle KI-Methoden außerhalb der natürlichen Sprachverarbeitung bieten sich hier für den Einsatz an. KI ermöglicht im Vertrieb:

  • die Echtzeitanalyse großer Datenmengen, um wertvolle Einblicke in das Kundenverhalten zu erlangen,
  • Unterstützung bei Recherchen,
  • vereinfachte Marktanalysen,
  • die Erstellung präziser Prognosen,
  • das Treffen von automatisierten Entscheidungen und
  • die Verarbeitung von Anfragen.

Im Folgenden werden die Anwendungsfälle von KI im Vertriebsprozess der kommenden Jahre betrachtet. Dabei wird aufgezeigt, wie alle drei Phasen des Vertriebs – von Pre-Sales über den eigentlichen Verkauf bis zum After-Sales – von dieser Technologie profitieren können.

Kunden gezielt ansprechen

In der Pre-Sales-Phase bietet KI bereits vielfältige Möglichkeiten. Schon bei der Recherche zeigt sich das Potenzial:  Die Kombination von LLMs mit Internet-Suchmaschinen eröffnet neue Wege, um die Qualität der gefundenen Informationen erheblich zu verbessern. Insbesondere die Partnerschaft zwischen Microsoft (mit der Suchmaschine Bing) und OpenAI deutet auf die zukünftigen Leistungen von KI-Chatbots hin. Jedoch reicht es nicht aus, nur auf die Nutzung von KI-Chatbots hinzuweisen. Unternehmen sollten ihre Mitarbeitenden zusätzlich gezielt schulen, um effiziente Anfragen an die Chatbots stellen zu können und somit die Möglichkeiten dieser Technologie voll auszuschöpfen.

Im Outbound-Vertrieb ermöglicht die Datenanalyse durch KI zunächst die eigenständige Identifizierung von Zielsegmenten, die Klassifizierung potenzieller Kunden und die Generierung maßgeschneiderter Ansprachen für jedes Segment. Einige Unternehmen nutzen bereits KI, um Leads anhand von Online-Verhaltensdaten (z. B. Social Media-Posts) zu erkennen. Sobald ein Unternehmen auf diesem Weg Zielsegmente identifiziert hat, bieten LLMs das Potenzial, hochgradig individualisierte Inhalte zu erstellen, die exakt auf spezifische Leads oder Kundensegmente zugeschnitten sind. Ob personalisierte E-Mails, Social Media-Beiträge oder maßgeschneiderte Blogartikel – alles basiert auf den Interessen und Bedürfnissen der Zielgruppe.

Ein weiterer Fortschritt ist der Einsatz von LLMs im Inbound-Vertrieb, um Erstanfragen automatisch zu analysieren und präzise dem richtigen Ansprechpartner zuzuordnen. Doch dies ist erst der Anfang. Bei Bedarf kann natürlichsprachliche KI, wie sie in KI-Chatbots zum Einsatz kommen, die Beantwortung von Anfragen übernehmen. Der Vertriebsinnendienst wird so erheblich entlastet und die Bearbeitungszeit verkürzt.

Kundenbedürfnisse identifizieren

Beim Peer-Pricing werden etwa Preise auf Grundlage ähnlicher Transaktionen festgelegt. Dabei spielen zahlreiche Faktoren eine Rolle. Durch den Einsatz von KI-Methoden können vergleichbare Transaktionen identifiziert oder modelliert werden, um konsistente und wettbewerbsfähige Preise festzulegen.

Unternehmen, die regelmäßig an Ausschreibungen teilnehmen, können erheblich von natürlichsprachlichen KIs bei der Erstellung und Aufbereitung der Ausschreibungsunterlagen profitieren. Dank LLMs können Ausschreibungsanforderungen so strukturiert werden, dass sie nahtlos in CRM-Systeme integriert werden können. Dadurch sind KIs in der Lage, relevante Informationen aus umfangreichen Dokumenten zu extrahieren und die wesentlichen Punkte einer Ausschreibung prägnant zusammenzufassen. Weiterhin können sie auf spezifische rechtliche und finanzielle Risiken hinweisen, die sich in komplexen Ausschreibungsunterlagen verbergen.

Die Customer-Relationship-Management-Systeme (CRM-Systeme) großer Unternehmen enthalten oft erhebliche Mengen unstrukturierter Informationen, die bisher wenig genutzt wurden. Mit dem Einsatz von LLMs können Unternehmen diese Informationen aktivieren. Sie können etwa für semantische Suchanfragen wie „Welche Kunden haben ähnliche Bedürfnisse wie die XYZ GmbH?“ oder zur Kategorisierung kundenspezifischer Einwände wie „Was sind typische Einwände von Kunden gegen den Einsatz unserer Produkte für Anwendung XYZ?“ verwendet werden. Auf Basis dieser Erkenntnisse können dann Vertriebsmitarbeitende geschult oder sogar Vertriebsstrategien entworfen oder optimiert werden.

Zusätzlich können KI-Werkzeuge anhand der Daten aus dem CRM-System Prognosen zum Kundenverhalten erstellen. Dies ermöglicht es Unternehmen, ihre Liefersicherheit zu verbessern, Lieferzeiten zu verkürzen und Lagerhaltungskosten zu senken. Des Weiteren können Unternehmen durch die geschickte Verbindung von KI-Methoden und Kundendaten ihr Produktportfolio optimieren. Auf diese Weise können sie besser auf Kundenbedürfnisse eingehen und gleichzeitig das Produktangebot effizient gestalten.

Sind potenzielle Kunden bereits mit dem Unternehmen in Kontakt getreten, können KI-Chatbots effektive Unterstützung bieten, indem sie Produkte konfigurieren und Cross- sowie Up-Selling betreiben. Sie fungieren nicht nur wie menschliche Berater, sondern ihre Empfehlungen basieren auch auf einer Datenmenge, die von Einzelpersonen nie vollständig überblickt werden könnte. KI-Chatbots wie ChatGPT können bereits heute bei der Erstellung von Angeboten, Vertragsentwürfen und Preisvorschlägen unterstützen. Es ist möglich, ihnen Vorlagen zur Verfügung zu stellen und sie entsprechend anzupassen. Während zwar alle größeren LLMs mehrsprachig sind und daher erstellte Dokumente übersetzen können, ist der Einsatz eines auf Übersetzungen spezialisierten LLMs letztlich für eine wirklich erstklassige Qualität von Vorteil. Es ist absehbar, dass sämtliche CRM-Anbieter diese Art der KI-Unterstützung als unverzichtbares Feature in ihren Systemen implementieren werden.

Ein weiteres Einsatzfeld für KI-Chatbots ist die Vorbereitung von Verhandlungen. LLMs können als Verhandlungsexperten agieren, indem sie zusätzliche Informationen integrieren, um die Verhandlungssituation zu analysieren und Strategien zu entwickeln. Selbst eine Simulation der eigentlichen Verhandlungssituation ist möglich. Beispielsweise bietet OpenAI unter dem Service „Custom GPTs“ spezialisierte Experten auf Basis von ChatGPT an, die als Trainer oder Sparringspartner bei Verhandlungen eingesetzt werden können.

Vertriebsleistung optimieren

Auch in der After-Sales-Phase bieten sich zahlreiche Aufgaben, bei denen KI einen erheblichen Mehrwert liefert. So können KI-Werkzeuge genutzt werden, um Cross-Selling und Serviceangebot passgenau auf die Bedürfnisse des Kunden abzustimmen.

Durch den Einsatz von LLMs können individuell angepasste Inhalte automatisch für jeden Kunden generiert werden, was die Effizient in der After-Sales-Phase erheblich steigert. Zusätzlich ermöglichen LLMs die systematische Erfassung und Nutzung von Kundenfeedback, welches oft in Form von E-Mails oder Freitexten vorliegt, weit über die Möglichkeiten herkömmlicher Suchfunktionen hinaus.

Die Rückgewinnung von abgewanderten Kunden stellt für Unternehmen oft eine Herausforderung dar. Eine Möglichkeit zur Reduzierung des Customer-Churn besteht darin, systematisch die Interaktionen zwischen Kunden und Unternehmen sowie weitere kundenspezifische Informationen zu analysieren. KI-Werkzeuge können so trainiert werden, dass sie auf Basis dieser Interaktionen die Wahrscheinlichkeit der Abwanderung jedes einzelnen Kunden bestimmen. Mit dieser Erkenntnis kann der Vertrieb gezielt auf Kunden zugehen und so Maßnahmen ergreifen, um einer drohenden Abwanderung entgegenzuwirken.

Durch den Einsatz sogenannter erklärbarer Künstlichen Intelligenz können Unternehmen Muster innerhalb der Gruppe abgewanderter Kunden aufdecken. Sind bestimmte Segmente besonders stark von Abwanderung betroffen? Besteht eine zeitliche Korrelation zwischen bestimmten Rohstoffpreisen und Abwanderung? Werden über bestimmte Vertriebskanäle überwiegend Kunden gewonnen, die schnell wieder abwandern? Diese Liste könnte beliebig erweitert werden. Der große Vorteil besteht darin, dass Unternehmen nicht im Voraus Hypothesen zu Ursachen von Customer-Churn aufstellen müssen. Die KI zeigt ihnen, welche Faktoren am stärksten mit ihrer Zielvariablen korrelieren.

Weitere Informationen zum Thema in Whitepaper:

SalesGPT: Wie Künstliche Intelligenz den Vertrieb optimiert, URL: https://hubs.li/Q02mbCcP0

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