Panels, Big Data und digitale Messungen: Herausforderungen der cross-medialen Reichweitenmessung

Ein Gastartikel von ...

Michael Murrins
Michael Murrinshttps://www.nielsen.com/de/
Michael Murrins ist Product Business Partner Audience Measurement EMEA bei Nielsen. Der Diplom-Kaufmann ist bereits seit über 11 Jahren bei Nielsen tätig und verfügt über eine breite Expertise im Bereich Audience Measurement.

Neue digitale Kanäle werden zunehmend in der Medienplanung einbezogen. Jedoch hält weniger als die Hälfte der Vermarkter weltweit diese Ausgaben für effektiv. Um genau zu wissen, ob sich die Investitionen in gewisse Medienkanäle rentieren, benötigen Marketer Daten, die die Bevölkerung in ihrer ganzen Vielfalt widerspiegeln. Das schafft man heute am besten mit Big Data. Doch auch diese Datensätze bergen Tücken. Michael Murrins von Nielsen zeigt auf, worauf man bei der cross-medialen Reichweitenmessung achten sollte.

Sowohl für Marketing als auch Werbung sind Daten eine wichtige Grundlage, um die passende Zielgruppe mit relevanten Inhalten zu erreichen. Entsprechend genau muss auch die Datenerhebung in diesem Kontext sein. Eine genaue und vor allem vollständige Darstellung von Messergebnissen ist in einer digital geprägten Welt jedoch immer schwieriger. Denn die heutige Medienlandschaft ist vorwiegend eins: vielseitig. Zuschauer:innen können aus einer langen Liste von Programmoptionen, digitalen Kanälen und  Streaming-Portale eine Vielzahl an Content Optionen wählen – und das zu jeder Zeit. Für die Konsument:innen bedeutet das eine große Freiheit, für Unternehmen wird es dadurch allerdings immer schwieriger herauszufinden, welche Zielgruppe sich für welche Inhalte interessiert und Erfolge effektiv zu messen. So zeigten sich im Nielsen Marketing Report 2023, dass das Vertrauen von Marketer in die Messung des Full-Funnel-ROI heute relativ gering ist. Lediglich 54 Prozent der befragten Marketer zeigten sich zuversichtlich, den ROI auf ihrer Media Spendings über digitale Kanäle hinweg verfolgen zu können. Doch warum fällt es Marketern so schwer, aussagekräftige Daten für ihre Kampagnen zu erlangen?

Audience Measurement in Zeiten von Big Data und digitalen Kanälen

cross-mediale Reichweitenmessung

In der Vergangenheit beruhte der Weg zur medienübergreifenden Messung auf der Fähigkeit der Vermarkter, die einzeln gemessenen Distributionskanäle zu aggregieren und dann mehr oder weniger genau zu ermitteln, wie eine vollständige Consumer Journey aussah. Während die TV-Messung früher dabei das Maß aller Dinge war, ist die digitale Messung mit dem Aufkommen von neuen digitalen Kanälen und Endgeräten wie Connected TV (CTV) zu einem weiteren wichtigen Aspekt für Werbetreibenden und Publisher geworden. Panels alleine, wie sie seit Jahrzehnten in der Messung auf Personenebene zu Recht genutzt wurden und noch immer werden, reichen hier jedoch mittlerweile nicht mehr aus, um ein vollständiges Bild über alle, auch digitalen Kanäle hinweg für die Bewertung von Content-Distribution-Strategien und Kampagnen vorzunehmen.

Doch auch die vielzähligen Big-Data-Sätze, welche gerade auch aber nicht nur für digitale Messansätze existieren, sind nicht alleine nutzbar, denn selbst mit den teilweise riesigen Datensätzen von Herstellern oder Betreibern von Distributionsplattformen und Netzwerken kann in erster Linie nur das Problem der Granularität und Fallzahlen gelöst werden, nicht aber die so wichtige Repräsentativität hergestellt werden. Gleichzeitig erschwert Big Data aber die unabhängige, bias-freie Messung, da die Daten unkalibriert sind und keine eindeutige Zuordnung auf Personenebene zulassen.

Aktuelle Herausforderungen der Branche

Big Data, hierzu gehören zum Beispiel die Daten von Smart-TVs zur automatischen Inhaltserkennung (ACR), ist zwar hilfreich, um zuzuordnen, welcher Content gerade konsumiert wird, jedoch enthalten diese Datensätze keine Informationen darüber, wer gerade zuschaut oder wie dieser Content konsumiert wird (alleine, mit Gästen, Second Screen, etc.). Dies verzerrt die Realität der Nutzung und dementsprechend auch den ROI für Medienausgaben.

Ein weiterer Aspekt ist, dass Big Data nicht die Gesamtheit der Zuschauer widerspiegelt. Dies wäre nur der Fall, wenn einheitliche Technologien verwendet und dieselben Inhalte für alle zugänglich wären. Obwohl ein Kabelanbieter möglicherweise Millionen von Abonnenten hat, abonnieren nicht alle dieselben Kanäle oder schauen sich die identischen Sendungen an. Zudem stehen die Daten einer einzigen Quelle eben nur für die Nutzer dieser, aber nicht für den gesamten Markt. Das Fehlen der Fähigkeit, konkrete Zielgruppen zu erkennen, sowie deren demografische Merkmale zu erfassen und zu analysieren, macht es schwer, sich allein auf Big Data zu verlassen, um Zielgruppen über verschiedene Plattformen, Geräte und Dienstleistungen hinweg zu vereinheitlichen und ein kohärentes Gesamtbild zu erstellen.

Im Web erschwert zudem die fortschreitende Abschaffung von Cookies und Geräte-IDs von Drittanbietern die Identifizierung von Nutzern. So können seit einer Änderung der Standardberechtigungen für das App-Tracking im Jahr 2021 seitens Apple etwa drei Viertel der IDFAs (Apples mobile Werbe-IDs) nicht mehr Teil der Betrachtung sein. Ähnliches zeichnet sich auch bereits bei Google ab, denn auch hier ist geplant, in der zweiten Hälfte des Jahres 2024 die Cookies von Drittanbietern abzuschaffen. Selbst in abgeschlossene Werbeumfelder, genannt Walled Gardens, ist die Weitergabe granularer Abonnentendaten an Außenstehende heute nicht mehr gängig. Aufgrund globaler Datenschutzbestimmungen erhalten Werbetreibende und Messunternehmen Aktivitätsdaten hier oft nur noch in aggregierter Form oder überhaupt nicht.

Relevante Schritte im digitalen Messprozess und zur Nutzung von Big Data

Die oben aufgeführten Herausforderungen von Big Data bedeuten allerdings nicht, dass Unternehmen von deren Einsatz absehen müssen oder sollten. Im Gegenteil: Big Data stellt eine Bereicherung für die Messung dar. Mit ihnen wird eine weitaus detailliertere Berichterstattung möglich, die in der Vergangenheit undenkbar gewesen wäre. Um repräsentativ zu sein, müssen die Daten jedoch bereinigt, aufgefüllt, kalibriert und mit relevanten demografischen Daten versehen werden. Dies funktioniert, indem Big Data auf ein Fundament an personenbezogenen Daten gestellt wird. Für eine erweiterte Entwicklung von Messmöglichkeiten in regionalen TV-Märkten kann der Umfang von Big Data in Form von Return Path Data (RPD) der TV-Geräte mit vollständig repräsentativen Panel-Daten des Marktes kombiniert werden.

In der digitalen Werbemessung z. B. sind personenbezogene Impressionen entscheidend, um präzise Daten für demografische Aufschlüsselungen und individuelle Metriken der Zielgruppen zu erhalten. Angesichts der neuen Herausforderungen bei der Verwendung von Cookies ist es notwendig, auf alternative Kennungen und von den Kunden angegebene First-Party-Daten, beispielsweise gehashte E-Mail-Adressen, oder selbst angegebene demografische Markierungen, zurückzugreifen. Das Hauptziel besteht darin, das demografische Profil der Individuen, die den jeweiligen Inhalten oder Anzeigen ausgesetzt waren, so genau wie möglich zu erfassen. Sollte dies nicht erreichbar sein, ist es dennoch wesentlich, zumindest einige aufschlussreiche Daten über deren Verhaltensweisen und Vorlieben zu sammeln. Eine Kalibrierung durch digitale Panels und Deduplizierung der Reichweite stellt abschließend sicher, dass die Daten demografische genau und die Reichweite nicht durch Mehrfachbetrachtung des Inhalts aufgebläht ist.

Der Weg zur crossmedialen Messung

Die crossmediale Messung ist zweifellos eine der größten Herausforderungen in der heutigen Marketing- und Medienlandschaft. Werbende benötigen eine deutliche Übersicht über die Performance ihrer Kampagnen auf sämtlichen digitalen Plattformen, Vertrauen in die erzielten Resultate und zuverlässige Instrumente zur Steigerung der Effizienz ihrer Marketingkampagnen. Inmitten dieser Dynamik bleibt die Orientierung an der Zielgruppe der entscheidende Nordstern für Vermarkter. Nur durch den präzisen Einblick in die Zielgruppe können sie fundierte Strategien für Medienausgaben entwickeln.

Die Notwendigkeit, digitale Datenpunkte geräteübergreifend einer einzelnen Person zuzuordnen, verlangt einen reichen Fundus an Daten sowie die Herausforderung, digitale und TV-Impressionen auf ein gleiches Niveau zu heben. Da Impression im linearen Fernsehen und auf digitalen Plattformen heute bisher nicht dasselbe sind, ist das Erreichen einer einheitlichen Messung ein fortlaufendes Unterfangen. Die Entwicklung von gemeinsamen ID-Systemen oder auch die Einführung von Messlösungen wie Nielsen ONE helfen Vermarktern jedoch heute bereits dabei, Reichweite und Frequenz über ausgewählte digitale und lineare Plattformen in wichtigen Märkten auf der ganzen Welt zu deduplizieren.

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