Digitale Empathie: warum Emotionen im Internet so schwierig sind

In der Onlinewelt sind Menschen meist direkter als in der realen Welt. Das zeigt sich zum Beispiel an den unzähligen Shitstorms im Web. Hier posten Menschen Kommentare und Beleidigungen, die sie vermutlich niemandem jemals ins Gesicht sagen würden. In seinem Buch „Störfall Mensch“ beschäftigt sich Thomas Wehrs mit diesem Phänomen. Er zeigt auf, warum es uns schwerfällt, im Internet Empathie zu zeigen und uns auf andere einzulassen. Seine Ideen regen zum Nachdenken über unser digitales Verhalten und dessen Auswirkungen auf die Gesellschaft an.

Menschen brauchen unmittelbares Feedback

Die Kommunikation im Internet ist rauer, als die der realen Welt. Das liegt daran, dass wir uns beim Verfassen von Texten im Web eigentlich nur mit uns selbst beschäftigen. Während es bei einer klassischen Unterhaltung um einen Austausch geht, wollen wir im Internet meist nur unsere eigene Meinung verkünden und durchsetzen. Es fällt uns schwer, uns in die gegenüberliegende Seite hineinzuversetzen und nachzuempfinden, was diese beim Lesen der Postings fühlen mag. Alles dreht sich um die eigene Lebenswelt, sodass wir unseren ganzen Frust im Netz abladen. Empathie, Respekt und Verständnis kommen hierbei meist sehr kurz. Hierdurch erklären sich unter anderem Hasskommentare, Beleidigungen und Shitstorms. Es geht den wenigsten Pöblern um die Sache. Sie wollen nur einem generellen Ärger, den sie verspüren, Luft machen. Wer hierbei das Opfer ist, spielt meist keine Rolle.

Ein Grund für dieses fehlende Einfühlungsvermögen ist das nicht vorhandene Feedback. Unser Gehirn ist darauf ausgelegt, bei der Kommunikation eine unmittelbare Rückmeldung vom Gegenüber zu erhalten. Diese kann durch Worte erfolgen, aber auch ein Stirnrunzeln oder ein zweifelnder Blick dienen und als Rückmeldung. In der Onlinewelt fehlt dieses Feedback völlig. Wir haben kein konkretes Gegenüber, mit dem wir uns austauschen. Stattdessen konzentrieren wir uns ausschließlich auf die Dinge, die wir selbst sagen und schreiben. Schnell kommt es hierbei zu Missverständnissen und gekränktem Stolz. Außerdem bleibt die emotionale Ebene quasi unberührt. Ausschließlich das reine Wort ermöglicht die Kommunikation. Unter diesen Voraussetzungen ist Empathie nur schwer bis gar nicht zu erreichen.

Emotionen lassen sich digital schwer übermitteln

Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum die Verwendung von Emojis in der Internet-Kommunikation kontinuierlich ansteigt? Ein Grund dafür ist, dass die Übermittlung von Emotionen im Internet nur schwer funktioniert. Das zeigt sich insbesondere an der E-Mail-Kommunikation. Verfasst jemand eine freundliche E-Mail, kommt diese beim Empfänger meist als neutral an. Neutrale E-Mails empfinden wir hingegen oft als unfreundlich. Das liegt an der fehlenden Direktheit dieser Kommunikationsform. Wie wir etwas aufnehmen, hängt nämlich nicht allein von den Worten ab. Stattdessen orientieren wir uns bei der Bewertung an der Mimik, Gestik, dem Tonfall und vielen weiteren Merkmalen des Gegenübers.

Aus diesem Grund arbeiten viele Menschen bei der Online-Kommunikation mit Emojis. Diese drücken die Emotionen aus, die wir beim Verfassen von Nachrichten empfinden. Das Gegenüber erkennt an einem Lach-Smiley 😊, dass wir fröhlich sind und das Geschriebene freundlich meinen. Zwinker-Smileys deuten an, dass ein Inhalt nicht so ernst genommen werden soll 😉. Traurige Smileys verdeutlichen, dass wir über das Geschriebene nicht erfreut sind 🙁. So ersetzen die Emojis ein Stück weit die nonverbalen Kommunikationsmerkmale, die sich in der digitalen Welt anders nicht übermitteln lassen.

Digitale Empathie braucht analoge Kontakte

Die Schlussfolgerung von Thomas Wehrs zu all diesen Erkenntnissen lautet: Digitale Kommunikation muss durch persönliche Gespräche ergänzt werden. Die Menschen dürfen nicht verlernen, ihre Emotionen in Gesprächen zum Ausdruck zu bringen. Nur im direkten Kontakt mit einem Gegenüber ist es möglich, echte Empathie zu zeigen und auf die Kommunikationspartner einzugehen. Nur indem wir das üben, reduzieren wir die Gefahr von Kommunikationsfehlern im Internet und haben die Chance, eine Art digitaler Empathie zu erreichen.

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