Das Internet und die Digitalisierung aller Lebensbereiche hat unser Leben mittlerweile fast völlig durchdrungen. Manche Menschen fühlen, sie seien vor Computern und der Netzanbindung nirgendwo mehr sicher, doch early adopters und Technikfans wissen die zahllosen Vorteile zu schätzen. Ein Gebiet, auf dem sich in den letzten Jahren viel getan hat, ist die Medizin: Nicht nur Online-Versandtapotheken haben sich auf dem Markt etabliert, auch zahlreiche telemedizinische Anwendungen erleichtern uns den Alltag.
Um diesen Entwicklungen gerecht zu werden, wurden bereits elektronische Gesundheitskarten und die elektronische Patientenakte eingeführt. Diese erleichtern die Kommunikation zwischen allen Akteuren des Gesundheitssystems und helfen, Fehler zu vermeiden.
Mit der Liberalisierung des Apothekenmarktes konnten nicht nur Apothekenketten, sondern auch Online-Versandapotheken aufgebaut werden. Diese haben für die Kunden zahlreiche Vorteile: In der Regel sind die Angebote wesentlich günstiger als in niedergelassenen Apotheken. Seit dem Gesetz zur Stärkung von Vor-Ort-Apotheken betrifft das keine verschreibungspflichtigen Medikamente mehr: Diese unterliegen einer Preisbindung, die auch durch Apotheken im EU-Ausland nicht mehr durch Rabatte oder Boni unterlaufen werden darf. Frei verkäufliche bzw. nur apothekenpflichtige Präparate sind davon jedoch ausgenommen. Besonders hochwertige Pflegeprodukte, Nahrungsergänzungsmittel etc. sind auf diesem Weg also deutlich günstiger erhältlich. Durch die gute Vergleichbarkeit über Online-Portale kann man sich auch schnell einen Überblick verschaffen, wo welche Mittel am billigsten sind.
Außerdem erspart sich der Patient den Gang in die Apotheke – bei manchen Krankheiten kann das schon eine enorme Erleichterung sein. Das betrifft nicht nur körperlich schwer einschränkende Erkrankungen bzw. quarantänisierte Patienten, sondern z. B. auch Menschen mit sozialen Ängsten, die ihre sozialen Kontakte reduzieren müssen und erst mit Hilfe von therapeutischen Maßnahmen langsam konfrontiert werden. Die Lieferung nach Hause erspart Aufwand und Zeit.
Ein weiteres Plus: Manche Krankheiten und deren Behandlung möchte man mit so wenigen Menschen wie möglich teilen, sprich: Die Patienten wünschen sich eine vertrauliche Behandlung. Zwar darf auch ein Apotheker bzw. deren Angestellten nicht weitertratschen, wer welches Wehwechen hat. Aber die Scham, zu wissen, dass diese Person, der man eventuell auch wieder begegnet, von den eigenen intimen Beschwerden weiß, ist für manche Menschen bereits zu vie. Hier hilft die automatisierte und anonymisierte Abarbeitung der Bestellung in Online-Apotheken.
Das E-Rezept ist ebenfalls ein riesiger Sprung für Verbraucher. Statt umständlich Zettel einzulösen, wird vom Arzt ein digital signiertes Rezept ausgestellt, welches auf dem Smartphone verwendbar ist. Der QR-Code lässt sich scannen und dann auch online einsetzen. Auf diese Weise sind Rezepte sicherer und schneller online verwendbar. Mit dieser Anleitung zum E-Rezept ist einfach nachzuvollziehen, wie die Prozedur abläuft.
Aktuell sind noch beide Formen zulässig: Ärzte können Ihnen sowohl Papierrezepte als auch e-Rezepte ausstellen. Der Übergang wird schrittweise erfolgen, sodass alle Bürger Zeit haben, sich auf die neue Technik umzustellen.
Insgesamt soll das Digitalrezept helfen, Bürokratie und Zettelkrieg abzubauen und Zeit für Beratung und Behandlung freizumachen. Die Rezept-App hilft dem Patienten sogar, eine passende Apotheke in der Nähe zu finden, wenn er es vor Ort einlösen möchte. Auch der Datenschutz wird groß geschrieben: Die Übertragung erfolgt mehrfach verschlüsselt, sodass nur diejenigen das Rezept einsehen können, die es auch direkt betrifft. Damit die App reibungslos funktioniert, benötigt der Versicherte eine neue elektronische Krankenkarte sowie eine von der Kasse zugeteilte PIN.
Übrigens ist Deutschland damit kein Vorreiter, sondern folgt dem Vorbild anderer europäischer Länder wie Schweden und den Niederlanden, in welchen Rezepte bereits seit Längerem digital eingelöst werden können. Das System findet dort viel Anklang und ist in der Bevölkerung beliebt.
Digitale Rezepte sind auch ideal für Videosprechstunden und andere Formen der Telemedizin geeignet, in denen der Patient nicht persönlich beim Arzt vorstellig werden muss. Nach Diagnosegespräch und Beratung kann der Arzt die notwendigen Medikamente oder Behandlungen direkt elektronisch ausstellen.
Telemedizin ist die Anwendung moderner Kommunikationstechniken zur Verbindung von Ärzten und Patienten. Die Anforderungen an die Verbindungsqualität sind hier recht hoch, vor allem, wenn Blickdiagnosen durchgeführt werden sollen. Gleichzeitig müssen, um die Vertraulichkeit zwischen beiden Parteien zu gewährleisten, professionelle Sicherheitsregeln beachtet werden. Drittparteien dürfen nicht an die ausgetauschten Informationen gelangen können, um den Schutz der Privatsphäre aufrecht zu halten. Patientendaten gehören zu den unter Hackern begehrtesten Informationen, da mit diesen oftmals belastende oder intime Details verbunden sind.
Der wichtigste Einsatz ist sicher die Ferndiagnose. Dazu müssen medizinisch relevante Bildinformationen ausgetauscht werden. Auch die häusliche Betreuung von Patienten, die wenig mobil sind, ist auf diesem Weg zeitsparend möglich. Doch auch Ärzte untereinander können mittels Telemedizin Wissen und Beratungsleistungen (Konsultation) austauschen. Dies kann sich auch auf die Edukation von Patienten erstrecken und natürlich auch zur Ausbildung medizinischen Personals dienen.
Derzeit sind derartige Lösungen vielfach noch Behelfsmittel und die Ausnahme von der Regel. Der technische Aufwand, Sicherheitsbedenken und die Schwerfälligkeit derart komplexer Systeme wie das Gesundheitswesen sorgen dafür, dass die Adoption der neuen Möglichkeiten langsamer verläuft. Auch wenn telemedizinische Anwendungen durch die Pandemie und damit verbundene Ausgangs- und Besuchsbeschränkungen ihre zahlreichen Vorteile bereits unter Beweis stellen konnten.
Probleme und Beschwerden im Intimbereich sorgen immer noch dafür, dass Betroffene sich scheuen, zum Arzt zu gehen. Das Gespräch von Angesicht zu Angesicht bzw. die Diagnose mit Entkleidung und Betrachtung intimer Körperzonen verursacht große Scham. Viele Patienten zögern dadurch den Arztbesuch lange hinaus und nehmen einen hohen Leidensdruck in Kauf, um die Konfrontation zu vermeiden. Das sorgt unter anderem auch dafür, dass Frühstadien bestimmter Erkrankungen – darunter z. B. auch Krebs – nicht erkannt und rechtzeitig behandelt werden. Auch Geschlechtskrankheiten, die zuerst nur für eine lokale Infektion sorgen, können sich so auf den gesamten Körper ausbreiten. Außerdem bergen unbehandelte sexuell übertragbare Erkrankungen eine riesige Gefahr für die restliche Bevölkerung.
Um diese Sorge abzuwenden, wurden Anonyme Sprechstunden-Services aufgebaut. Dort können Patienten ihr Problem anonym einem Facharzt vorstellen. Die gewohnte und als sichere empfundene Umgebung der eigenen Wohnung sorgt ebenfalls für Entspannung und die Möglichkeit, offen über Beschwerden, Vorgeschichte und eventuell sogar sexuelle Gewohnheiten zu sprechen.
Doch nicht nur bei Beschwerden im Intimbereich bietet sich eine derartige Lösung an. Es gibt eine Menge Menschen, die sich aus anderen Gründen nicht persönlich bei einem Arzt vorstellen möchten und dennoch einen Anspruch auf medizinische Versorgung haben. Das umfasst unter anderem auch Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus in Deutschland. Diesen steht auch bei Unterbringung in Erstaufnahmeeinrichtungen nur ein eingeschränkter Zugang zu Fachärzten und professioneller Versorgung zur Verfügung. Da auch hier – speziell mit Hinblick auf psychiatrische Beschwerden wie Traumatisierungen und Traumafolgestörungen – eine rasche Behandlung die Chronifizierung und Verschlimmerung der Beschwerden verhindern kann, ist Telemedizin ein wichtiges Werkzeug. Der Einsatz von digitalen Hilfsmitteln bietet sich ohnehin an, um Verständigungsschwierigkeiten zu umgehen.
Die Verteilung von Psychotherapeuten ist in Deutschland flächenmäßig nicht gleichmäßig. Gerade Menschen, die in abgelegenen und ländlichen Regionen leben, haben eine geringe Chance, einen passenden Therapieplatz zu finden. Da auch die „Chemie“ zwischen Behandler und Patienten stimmen muss, ist eine Erweiterung der Auswahl besonders hilfreich. Gerade in Akutfällen erhöht die leichtere Verfügbarkeit von Online-Angeboten die Sicherheit der Patienten. Durch den Einsatz moderner Kommunikationstechnik kann das Feld der Psychotherapie deutlich verändert werden.
Normalerweise sind therapeutische Praxen so eingerichtet, dass sie einen neutralen und sicheren Ort für Betroffene darstellen. Doch noch vertrauter und sicherer sind für die meisten Menschen die eigene vier Wände. Besonders Personen mit Angststörungen können so zumindest die ersten Sitzungen in einer gewohnten Umgebung absolvieren und ein Vertrauensverhältnis zum Therapeuten aufbauen. Studien zeigen, dass Videokommunikation ein erfolgversprechendes Mittel ist, um die meisten psychotherapeutischen Verfahren anzuwenden. Der Therapeut hat weiterhin Zugriff auf nonverbale Kommunikation und Informationen über das Befinden des Patienten, die sich z. B. auch in Mimik und Körperhaltung ausdrücken. Die Anwendung weiterer digitaler Hilfsmittel kann integriert werden.
Eine ganze Reihe von Erkrankungen bedarf konstanter Überwachung, auch wenn die Patienten nicht ständig in Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen untergebracht sind. Dazu gehört z. B. das Management von Diabetes. Gerade in abgelegenen Gegenden (remote areas) mit weitmaschigem Versorgungsnetz stellt die Gewährleistung medizinischer Versorgung immer noch eine große Herausforderung dar.
Noch schwieriger wird es bei der Behandlung von Notfällen an Orten ohne zuverlässige Transportmöglichkeiten: Forscherteams in der Wildnis, Mannschaften auf Schiffen oder Bohrinseln, die Besatzung von Arktisstationen – alle diese Menschen müssen im Zweifel Hilfe bekommen, ohne dass sie unmittelbar von einem Einsatzteam erreichbar sind. Die Behandlung verunglückter bzw. erkrankter Wissenschaftler mit Unterstützung über Video- oder Telefonkonferenzen hat bereits Schlagzeilen gemacht. So wurden z. B. schon Blinddarmentzündungen auf Forschungsschiffen unter fachlicher Begleitung von Ärzten in der fernen Heimat durchgeführt.
Doch auch weniger spektakuläre Fälle können schon genug Anlass geben, remote medicine als Chance zu begreifen. Informationen zur Stabilisierung und Erstversorgung von Verletzungen, die Dosierung von Notfallmedikamenten und ähnliche Einsatzgebiete sind ebenfalls Möglichkeiten, bei denen ein an einem entfernten Ort präsenter Arzt hilfreich eingreifen und z. B. Laien anleiten kann. Auch Stations- oder Schiffsärzte sind nicht für jeden Fall ausgebildet und können der Hilfe anderer Experten bedürfen. Die Digitalisierung dieser Verfahren sorgt für eine höhere Sicherheit und Behandlungsqualität.
Ärzte und Menschen anderer medizinische Professionen benötigen selbst ebenfalls Unterstützung bei der Bewältigung von Krisen, persönlichen Schwierigkeiten oder Problemen im beruflichen Umfeld, zum Beispiel mit Vorgesetzten oder Krankenkassen. Um hier eine zuverlässige und gegebenenfalls anonyme Beratung zu ermöglichen, eignen sich telemedizinische Anwendungen ebenfalls.
Gerade Ärzte sind im Gesundheitssystem als Entscheider und Behandler besonders exponiert und dadurch vulnerabel für psychische Beschwerden. Die Verantwortung für Fehler, Therapiefehlschläge und menschliche Schicksale kann schwer auf den Schultern von Medizinern ruhen. Deswegen sind Angebote wie die Anonyme Online-Beratung für Ärzte so wertvoll.
Ein weiteres Anwendungsfeld ist fachliche Beratung: Der Austausch mit Spezialisten der eigenen oder fremder Fachrichtungen kann die wissenschaftliche und fachliche Perspektive von Ärzten erheblich erweitern. Durch die beständige Kommunikation mit Peers lässt sich die Qualität und Sicherheit von Behandlungen überprüfen und steigern. Das Einholen einer zweiten Meinung zu komplizierten Fällen sorgt nicht nur für eine inhaltliche Absicherung, sondern kann auch das Selbstvertrauen von Experten steigern, wenn diese in ihren Diagnosen und Verfahren zur Therapie bestätigt werden.
Grundsätzlich vertreten Experten die Haltung „Je mehr Daten, desto besser.“. Doch diese müssen gesammelt und verarbeitet werden. Mediziner sind keine Informatiker oder Statistik-Experten. In der automatischen Datenaufnahme und -verarbeitung sowie der für Diagnostik und Behandlung einfach verwendbaren Aufbereitung, z. B. auch in grafischer Form steckt großes Potenzial. Schon heute verwenden Ärzte digitale Kataloge, um sich laufend über Krankheiten, diagnostische Parameter und Differenzialdiagnosen zu informieren. Auch Therapie- und Medikamentenvorschläge können von solchen Assistenzsystemen auf Basis der Datenlage vorgeschlagen werden.
Natürlich kann keines dieser Systeme die Erfahrung und Intuition eines gut ausgebildeten Arztes ersetzen. In erster Linie geht es darum, ihm das Leben einfacher zu machen, bei Routineaufgaben Zeit zu sparen und die Aufbereitung aller zur Verfügung stehender Information zu optimieren.
Mit dem Fortschritt in der Digitalisierung lassen sich auch andere Zukunftsträume realisieren: Intelligente Messsonden, kommunikative Implantate und die Verknüpfung externer Medizintechnik mit digitalen Services können helfen, Patienten besser zu überwachen und zu versorgen. Dabei sorgt vor allem die live-Verfügbarkeit hochwertiger Daten dafür, dass zeitnah und bedarfsgerecht reagiert werden kann.
Auch die intelligente Rückmeldung bei Fehlern oder Havarien oder die Information des selbstwirksamen Patienten z. B. bei Eintreten kritischer Überwachungsparameter können die Qualität der Versorgung verbessern. In vielen Krankheitsbildern ist vor allem die rasche Beantwortung von Krisen entscheidend für den Erfolg der Behandlung.
Auch das Aufzeichnen und Auswerten von Langzeitmessreihen zur Beurteilung der Integration medizintechnischer Anwendungen ermöglicht ein besseres Verstehen und den optimalen Einsatz der Technologie. Das vereinfacht Wartungs- und Reparaturarbeiten, hilft bei der Dosierung von Medikamenten und der Einstellung der effizientesten Betriebsparameter von Geräten.
Auch die exakte Anpassung von Hilfsmitteln an Patienten ist durch Digitaltechnik verbesserbar, z. B. mittels 3D-Scan von Körperpartien für die optimale Passform von Implantaten oder Prothesen. Durch 3D-Drucktechnik können bionisch passende Strukturen erstellt werden, welche dank gewaltigen Fortschritten in der Materialforschung hoch belastbar und verschleißfest sind.
Fazit
Der größte Gewinn für die Medizin ist die Integration von Daten – weg vom Papier für einfachere Übermittlung, Auswertung, Automatisierung und die Integration vielfältiger Assistenzsysteme. Dabei bleibt dem Arzt mehr Zeit, sich dem Patienten unmittelbar zu widmen und wieder mehr menschliche Zuwendung zu gewähren. Diese ist für das Vertrauensverhältnis und die Compliance wesentlich und trägt entscheidend zum Heilerfolg bei.
Die größten Kritikpunkte an diesen Systemen liegen in der Datensicherheit und Datensparsamkeit. Daher dürfen die Umstellungsprozesse nicht übereilt werden. Patienten und Ärzte brauchen Zeit, sich auf die neue Technologie einzustellen und diese zuverlässig und sicher anzuwenden. Begleitet werden muss dies durch einen robusten Datenschutz, der den Zugriff auf Patienteninformationen genauso klar regelt wie bei bisherigen Patientenakten.
Die Herausforderungen werden klar durch die Chancen überwogen. Doch dies rechtfertigt keine Schlamperei. Deswegen braucht es für die Digitalisierung Experten beider Seiten – aus der Informatik und der medizinischen Anwendung – um sie den Bedürfnissen der Patienten angemessen umzusetzen.
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