Die kommende Bundesregierung steht vor einer Richtungsentscheidung: Setzt sie mutige Impulse für eine digitale Wirtschaft – oder verliert Deutschland im globalen Wettbewerb weiter an Boden? Dieser Beitrag benennt zentrale Handlungsfelder: der Umgang mit KI, eine souveräne europäische Cloud-Infrastruktur, stabiles Energiekonzept, Bildungsreformen und eine flächendeckende Digitalisierung.
Die neu gewählte Bundesregierung steht vor sehr großen Herausforderungen. Während geopolitische Spannungen die politische Agenda dominieren, droht ein mindestens genauso bedeutsames Thema aus dem Fokus zu geraten: die digitale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Die kommende Legislaturperiode wird darüber entscheiden, ob Deutschland im Zeitalter der Digitalisierung wieder aufholen kann – oder endgültig den Anschluss verliert. Was Unternehmen jetzt brauchen, sind mutige Weichenstellungen: Der Umgang mit Künstlicher Intelligenz, eine leistungsfähige Infrastruktur und der Abbau von Bürokratie – aber vor allem politische Entschlossenheit. Denn sie entscheiden über wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit, Innovationskraft und Standortattraktivität.
Die digitale Zukunft Deutschlands
Der Blick in die Vereinigten Staaten lässt durch „America First“ einen Trend zur Abkehr der Globalisierung vermuten. Durch eine enge Verknüpfung der länderübergreifenden Lieferketten ist ein Rückgang allerdings kaum möglich. Für Deutschland stellt sich jedoch die Frage, wie das Land trotz der vielen globalen Unsicherheiten zu wirtschaftlichem Wachstum zurückkehren kann.
Wirtschaft und Gesellschaft werden bereits jetzt durch Künstliche Intelligenz erheblich beeinflusst. Mit der steigenden Nutzung werden klare Rahmenbedingungen, insbesondere für den ethischen Umgang mit KI, unverzichtbar. Gleichzeitig dürfen Leitlinien nicht durch übermäßige Regulierungen einen Wettbewerbsnachteil gegenüber den USA und China entstehen lassen und wichtige Innovationen ausbremsen,
IT-Infrastrukturen und Cloud-Dienste werden heute maßgeblich von den Konzernen dieser Übermächte wie Microsoft oder Alibaba kontrolliert. Da Europa bislang hingegen über kein vergleichbares Pendant verfügt, schafft dies Abhängigkeiten – technisch, wirtschaftlich und geopolitisch.
Gerade unter dem Eindruck möglicher Zolldrohungen der USA wird das Dilemma für Deutschland und die EU zunehmend größer und transparenter. Die zugelassene Dependenz des gesamten europäischen Wirtschaftsraums von wenigen Tech-Konzernen stellt für hiesige Unternehmen ein immer größer werdendes Risiko dar.
Einziger Ausweg ist der konsequente Ausstieg aus bestehenden Abhängigkeiten zu US-Anbietern – etwa durch den Einsatz von Open-Source-Lösungen wie Nextcloud. Sie bieten bereits heute eine vergleichbare europäische Alternative zur Business Suite von Microsoft. Eine Abkopplung wäre außerdem ein wichtiger Schritt, um den ebenfalls rasant steigendenden Softwarelizenzkosten der Monopolisten entgegenzuwirken.
Es muss daher ein entscheidendes Ziel der Bundesregierung sein, eine europäische Cloud-Infrastruktur, in der Unternehmen ihre Daten sicher und unabhängig speichern können, zu implementieren. Das Projekt Gaia-X, welches nach dem Austritt von Gründungsmitglied Nextcloud von Kritikern als gescheitert angesehen wird, sollte genau diese Lücke schließen. Trotz der negativen Stimmen ist Gaia-X als europäischer Gegenentwurf einer unabhängigen digitalen Infrastruktur von immenser politischer Bedeutung.
Erste kleine Schritte in eine unabhängige digitale Zukunft sind immerhin bereits sichtbar: Private-Cloud-Modelle wie STACKIT der Schwarz-Gruppe zeigen die vorhandene Nachfrage nach sicheren europäischen Alternativen. Was fehlt, ist jedoch eine konsequente Unterstützung der Bundesregierung.
Die Infrastruktur als Basis der Digitalisierung
Ein lückenlos ausgebautes Glasfaser- und Mobilfunknetzes ist für die Digitalisierung unerlässlich. Doch ausgerechnet Deutschland, das „Land der Ingenieure“, hinkt hier international deutlich hinterher. Besonders im ländlichen Raum muss dringend in die digitale Grundversorgung investiert werden, um den Anforderungen moderner Unternehmen nachzukommen. Wird der Netzausbau gebremst, gilt dies auch für Wachstum, Innovation und Attraktivität für Investitionen.
Bildung: Die digitale Zukunft beginnt im Klassenzimmer
Neben Internet und Mobilfunk betrifft der Rückstand zu anderen Ländern allerdings auch die Bildung. Nachwuchs ist essenziell für Unternehmen und unsere Zukunft, doch der Fachkräftemangel ist längst nicht mehr zu übersehen – besonders in der IT. Um diesem entgegenzuwirken, gibt es zwei Ansätze: Zum einen die gezielte Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland. Hierfür muss sich die Gesellschaft offen zeigen – die letzten Wahlen deuten eher auf Zurückhaltung gegenüber einer proaktiven Einwanderungspolitik und somit auch der Rekrutierung von Fachkräften hin. Ein weiterer Hebel für eine langfristige Lösung ist eine deutlich besser geförderte Ausbildung für zukünftige Fachkräfte im eigenen Land. Dafür bedarf es Reformen im aktuell gesplitteten Schulsystem mit unterschiedlichen Bildungsstandards der Bundesländer. Einheitliche Anforderungen in zentralen Fächern wie Mathematik, Physik und Deutsch könnten helfen, Talente gezielter zu fördern. Skandinavien bietet hier ein Vorbild: Einheitliche Bildungsstandards gepaart mit praxisorientiertem Unterricht haben dort zu nachweislich besseren Ergebnissen in beispielsweise der PISA-Studie geführt. In Finnland, dem Land mit den besten Resultaten, werden Schülerinnen und Schüler erst im Alter von 15 Jahren auf die verschiedenen Schulformen aufgeteilt Deutschland hingegen sortiert bereits Zehnjährige – und verliert dabei viele Potenziale.
Energie als wichtiger Faktor
Die Grundlage für digitale Innovationen bilden große Rechenzentren. Diese sind auf eine zuverlässige Stromversorgung angewiesen. Dennoch wird die Energiepolitik als wichtiger Faktor für die Digitalisierung oftmals vernachlässigt. Neben der Versorgungssicherheit sind gerade für Unternehmen mit energieintensiven Technologien stabile, kalkulierbare und transparente Preise unerlässlich – und ein entscheidender Wettbewerbs- und harter Standortfaktor. Fehlende Planbarkeit und preisliche Schwankungen sorgen langfristig dafür, dass diese Unternehmen ihre digitalen Infrastrukturen ins Ausland verlagern und mitunter dabei sogar den Aspekt der Sicherheit der Daten bewusst vernachlässigen. Diese Abwanderung wichtiger Schlüsselinvestitionen im IT-Sektor gilt es für die neue Bundesregierung wieder umzukehren.
Die gestiegene Nachfrage nach KI erhöht den Energiebedarf zukünftig noch weiter. Mit Blick auf ökologische Verantwortung müssen daher außerdem nachhaltige Lösungen dringend ausgebaut und mit den Anforderungen der Rechenzentren und Industrie abgestimmt werden. Die Speicherung von Energie spielt dabei eine Schlüsselrolle. Durch smarte Netze und neue Speichertechnologien kann der steigende Energieverbrauch effizienter gestaltet werden.
Beschleunigung durch Bürokratieabbau und digitalisierte Verwaltung
Vielen Unternehmen wird zusätzlich durch die deutsche Bürokratie ein weiterer Stein in Richtung digitale Transformation in den Weg gelegt. Langwierige Genehmigungsverfahren verlangsamen zusätzlich den Ausbau von Glasfasernetzen, Rechenzentren oder Mobilfunkmasten. Diese Verwaltungsabläufe müssen beschleunigt, digitale Prozesse gefördert und Investitionen in die digitale Wirtschaft von der Bundesregierung attraktiver gemacht werden. Besonders auch für Start-ups stellt die Bürokratie ein großes Hindernis dar. Während in den USA und in China digitale Unternehmen innerhalb weniger Tage gegründet und skaliert werden können, dauern dies in Deutschland oft Monate. Ein vereinfachtes Gründungsverfahren, verbunden mit gezielten Förderprogrammen für digitale Innovationen, könnten das Wachstum im Technologiesektor deutlich beschleunigen.
Auch die öffentliche Verwaltung selbst muss digitaler werden. Während in Estland oder Dänemark Bürger fast alle Behördengänge online erledigen können, ist in Deutschland von der Digitalisierung in der Verwaltung noch sehr wenig zu spüren. Die Einführung einer flächendeckenden digitalen Identität, effizienter Online-Dienste und automatisierter Verwaltungsprozesse sind wichtige Schritte, um Bürokratie abzubauen und die Effizienz zu steigern.
Die Digitalisierung ist bei Weitem kein Selbstläufer. Sie braucht politisches Engagement, wirtschaftliche Weitsicht und gesellschaftliche Akzeptanz. Nur wenn diese Elemente zusammenspielen, kann Deutschland in der digitalen Welt der Zukunft wieder zum Vorreiter werden. Wer heute zögert, verspielt das Morgen.