Das neue Jahr ist da – und damit auch die ein oder andere Paketpreis-Erhöhung. Dagegen ist kein Kraut gewachsen, oder? Doch – meint zumindest der Supply Chain Management-Experte Frank Welge von Kölner Unternehmensberatung INVERTO. Er hat schon viele mittelständische Handelshäuser beim Verhandeln von Versandbedingungen beraten und kennt sich dementsprechend aus. Im Interview verrät er dem ECB, wie Online-Händler sich auch im kommenden Jahr vor höheren Kosten schützen können.
digital</magazin>: Herr Welge, Sie haben im Vorgespräch erwähnt, viele Versanddienstleister würden die Preise erhöhen – könnten Sie das etwas näher erläutern?
Gern. Grundsätzlich ist es so, dass der E-Commerce-Boom den Versendern zu schaffen macht. Wie Ihre Leser vermutlich wissen, beschert der sogenannte „Distanzhandel“ den Zustellern nämlich nicht nur wachsende Umsätze, sondern auch mehr Kosten. Denn er erhöht die Zahl der Zustellungen bis an die Haustür, über die sogenannte „letzte Meile“. Diese ist teils erheblich teurer als die Zustellungen an Umschlag- oder Paketzentren. Die Versender reagieren darauf, indem sie die Preise erhöhen: entweder für Zustellungen als solche oder aber für Zusatzdienste wie Pick-Up, Expresszustellungen, Regellaufzeiten oder das Verarbeiten von Nachnahmeaufträgen.
„Der E-Commerce-Boom macht den Versendern zu schaffen“
Können Sie hier konkrete Zahlen nennen? Was kommt hier auf Online-Händler zu?
Das hängt von bestehenden Verträgen ab und ist allgemein nur schwer zu beziffern. Wenn Sie allerdings in die Pressemeldungen schauen, die einige Versender dieses Jahr veröffentlicht haben, dann entdecken Sie schnell Ankündigungen wie z.B. die von Hermes. Das Unternehmen hat die eigenen Preise bereits um 2,4 Prozent erhöht. Wir gehen davon aus, dass unsere Kunden im neuen Jahr mit Preisen rechnen sollten, die zwischen 1,5 und 3 Prozent über denen des Vorjahres liegen – trotz der derzeit vergleichsweise günstigen Maut- und Treibstoffpreise.
„Kunden müssen im neuen Jahr mit Preisen rechnen, die zwischen 1,5 und 3 Prozent über denen des Vorjahres liegen“
Was können die Unternehmen solchen Forderungen entgegensetzen?
Unsere Empfehlung: Warten Sie nicht auf die Preisforderung Ihrer Vertragspartner, sondern handeln Sie selbst als erster. Bereiten Sie sich vor und suchen Sie dann von sich aus das Gespräch. Verhandeln ist grundsätzlich immer möglich. Sollte eine Verhandlung nicht zu Ihrer Zufriedenheit verlaufen sein, können Sie immer noch eine Neuausschreibung Ihres Rahmenvertrags ins Auge fassen. Die ist oft der beste Weg zu niedrigeren Preisen.
„Verhandeln ist grundsätzlich immer möglich.“
Sie meinen: Nach einem neuen Versanddienstleister suchen?
Genau. Auch wenn die Neuausschreibung nicht zwingend direkt zu niedrigeren Preisen führt, kann sie Ihnen neue Erkenntnisse liefern, mit denen Sie dann besser strukturierte und somit günstigere Verträge aushandeln können. Viele unserer Kunden erreichen beispielsweise über die Veränderung des Leistungsspektrums niedrigere Kosten, ohne dadurch das eigene Geschäft zu beeinträchtigen. Wichtigste Voraussetzung dafür: Sie sollten die eigene „Sende-Historie“ genau kennen bzw. eine robuste Prognose darüber stellen, wie viele Pakete welcher Gewichtsklasse Sie in welchem Zeitraum versenden werden. Denn nur dann können Sie zielführende Gespräche führen.
„Über die Veränderung des Leistungsspektrums niedrigere Kosten erreichen.“
Was empfehlen Sie Händlern, die diesen Weg nicht gehen wollen?
Suchen Sie zunächst gemeinsam mit Ihrem Versanddienstleister nach anderen Möglichkeiten, um Preiserhöhungen zu vermeiden. Viele Versender bieten beispielsweise Rabatte für Sendungen, die nicht an die Haustür, sondern an eine Paketstation, einen Paketshop oder an einen ähnlichen „Drop-off-Point“ zugestellt werden. So können die Lieferungen mit anderen Paketen gebündelt werden, was die Kosten pro Paket reduziert. Vielleicht überzeugen Sie ja einen Teil Ihrer Kundschaft, solche Zustellvarianten zu nutzen?
„Rabatte für Sendungen an eine Paketstation oder einen Paketshop.“
Und wenn das nicht klappt, was dann?
Dann können Sie immer noch in der eigenen Versandverarbeitung nach Einsparreserven suchen: Viele Händler können durch die Optimierung von Verpackungsgrößen einige Versandkosten sparen. Nicht wenige verschicken nach wie vor viel teure Luft. Begrenzen Sie die Kosten an dieser Stelle und kaufen Sie beispielsweise kleinere, bisher nicht verfügbare Kartongrößen. Zudem könnten Sie Ihre Sendungen auch noch selbst vorsortieren. Dafür gewähren die meisten Versanddienstleister Rabatte von bis zu acht Prozent auf den Paketpreis. Außerdem erschließt das Vorsortieren im eigenen Haus gegebenenfalls noch andere Vorteile.
„Bei der eigenen Versandverarbeitung nach Einsparreserven suchen“
Und welche wären das?
Die Zustellung zum Empfänger kann beschleunigt werden: Weil einzelne Sendungen nicht mehr im Versandzentrum des Dienstleisters sortiert und umgeschlagen werden müssen, sondern sofort in den Hauptlauf gehen, kommen sie schneller beim Kunden an. Inwieweit ein Händler diese Vorteile tatsächlich erreicht, hängt aber auch vom Versandvolumen ab: Alle Vorteile des Vorsortierens erreicht in der Regel nur, wer genug Pakete versendet, um die Fahrzeuge des Versanddienstleisters für dessen Hauptlauf auszulasten. Für kleinere Händler ist das also eher nichts.
Vielen Dank für diesen Überblick!
Über Frank Welge:
Frank Welge ist Partner und Spezialist für Supply-Chain-Management bei der INVERTO AG. Bevor er Berater wurde, arbeitete er unter anderem als Einkaufsleiter, Leiter Materialwirtschaft und im Vorstandsstab mit Verantwortung für Wertschöpfungsprozesse.
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