„Warum erfahren Händler und Shops im Onlinehandel alles über ihre Kunden, während wir uns auf unser Bauchgefühl verlassen müssen?“ So oder ähnlich dachte sich vermutlich mancher Händler, der jetzt Ortungstechnologien im eigenen Laden anwendet. Das Ziel: Einen möglichst gläsernen Kunden zu schaffen, über den die Händler alles wissen und dem sie personalisierte Werbung und Angebote zukommen lassen können. Die neue Technologie macht das Einkaufen für Kunden angenehmer, stellt aber auch eine massive Gefahr für ihre Daten und ihre Privatsphäre dar.
Der stationäre Handel fühlt sich gegenüber dem Onlinehandel im Nachteil. Während in der Onlinewelt nämlich jeder Klick, jede Keywordsuche und jeder Kauf der Kunden registriert und gespeichert wird, sind Händler in der analogen Welt meist auf ihr Bauchgefühl angewiesen, wenn es darum geht, das Kaufverhalten der Kunden einzuschätzen. Das soll sich durch Ortungstechnologien nun ändern. So sollen die Kunden dazu gebracht werden, Apps der Unternehmen auf ihr Smartphone zu laden, über die sie dann persönliche Werbung und Angebote erhalten und im Ladengeschäft genau verfolgt und ausgewertet werden können.
Langfristig soll so eine Digitalisierung des stationären Handels erfolgen. Die Händler haben großes Interesse daran, ihre Kunden genau kennenzulernen und analysieren zu können. Deswegen sind Maßnahmen, die mit anonymisierten Daten arbeiten, nur ein erster Schritt. Langfristig wollen die Händler personalisierte Daten von ihren Kunden bekommen, um diese auswerten und für sich nutzbar machen zu können. Wenn ein Kunde einen Laden betritt und der Händler dessen Gesamtprofil ansehen kann, dann ist dieser Schritt erreicht, berichtet Ulrich Spaan vom Handelsforschungsinstitut EHI auf t3n.
Aktuell arbeiten viele Händler bereits mit Push-Nachrichten. Hierbei werden einem potenziellen Kunden, der die App eines Händlers auf seinem Smartphone installiert und Push-Nachrichten aktiviert hat, Nachrichten zugesendet, sobald er sich in die Nähe einer Filiale des Händlers begibt. Die Nachrichten empfehlen bestimmte Produkte oder laden den Nutzer ein, die Filiale zu betreten.
Diese als „Geofencing“-Methode bekannte Strategie ist im Vergleich zu anderen Strategien recht allgemein, da keine persönlichen Kundendaten bekannt sind und daher nur allgemeine Informationen verschickt werden können.
Im Ladengeschäft selbst wird das Tracking der Kunden immer interessanter. Hier setzen viele Unternehmen auf Bluetooth, weil es innerhalb eines Geschäfts effizienter als GPS ist. Bei dieser Technik kommen sogenannte „Beacons“ zum Einsatz. Hierbei handelt es sich um kleine Bluetooth-Sensoren, die an verschiedenen Orten im Laden angebracht werden. Diese Beacons sind nahezu unsichtbar, können aber mit den Smartphones der Kunden kommunizieren, solange darauf die dazugehörige App installiert ist. Die Beacons analysieren das Nutzerverhalten innerhalb des Geschäfts, indem sie die Wege des Kunden nachvollziehen und dem Händler Informationen über Produkte übermitteln, für die sich der Kunde interessiert.
Ebenfalls im Einsatz sind LED-Beleuchtungssysteme, die das Kundenverhalten analysieren. Die Beleuchtung kommuniziert mit der App auf den Smartphones der Nutzer und lässt diesen Produktempfehlungen und Nachrichten zukommen. Ähnlich arbeitet ein anderes System, das viele Unternehmen bereits nutzen. Hierbei handelt es sich um das WLAN-Tracking.
Bei dieser Technik werden Sensoren in einem Laden angebracht, die in der Lage sind, die WLAN-Seriennummern von Smartphones zu erfassen. Anbieter wie Minodes erstellen hieraus anonymisierte Bewegungsprofile, mit denen die Händler arbeiten können. Im Unterschied zu anderen Techniken muss hierfür keine App auf dem Smartphone der Kunden installiert sein, dafür gewinnen die Händler aber auch keine personalisierten Daten.
Die meisten der oben erwähnten Techniken funktionieren nur, wenn sich die potenziellen Kunden eine App auf ihr Smartphone laden. Deswegen versuchen viele Händler, ihrer Zielgruppe die App durch Coupons und Rabattaktionen schmackhaft zu machen. Außerdem betonen sie die Vorteile individueller Nachrichten und personalisierter Produktangebote und sagen zu Recht, dass das Einkaufen durch die Ortungstechnologie einfacher, schneller und angenehmer funktioniert. Das ist auch nötig, da viele Konsumenten im stationären Handel deutlich sensibler mit ihren Daten hantieren, als sie das im Onlinehandel tun.
Für diese Vorsicht spricht einiges. Denn bei allen Vorteilen bergen die Ortungsstrategien der Unternehmen auch zahlreiche Risiken. Wer seine Daten einmal aus der Hand gibt und zum gläsernen Kunden wird, kann das nicht mehr rückgängig machen. Daten sind ein kostbares Gut, mit dem Unternehmen sehr viel Macht und Einfluss über ihre Kunden und im Handel gewinnen. Deswegen sollte sehr genau abgewogen werden, ob die Vorteile der App die Risiken aufwiegen und ob man sich dazu entschließen möchte, immer und überall von den Unternehmen gefunden, verfolgt und analysiert werden zu können.
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