Er ist erst seit einigen Tagen SPD-Kanzlerkandidat, schon werden erste Begehrlichkeiten laut: Die Digitalwirtschaft fordert von Olaf Scholz, dass er sich zu einem Digitalministerium bekennt. Aber auch die anderen Kanzlerkandidaten werden von führenden Unternehmen in die Pflicht genommen. Die Digitalisierung sei für die Wirtschaft von zu großer Bedeutung, als dass die Verantwortlichkeit darüber in der Regierung zersplittert und verteilt werden dürfe. Eine zentrale Koordinationsstelle sei dringend notwendig. Eine Mehrzahl der Deutschen teilt diese Einschätzung.
Für die Digitalwirtschaft gibt es keinen Zweifel daran: Ein Digitalministerium ist spätestens nach der nächsten Bundestagswahl unverzichtbar. So sagt etwa Oliver Süme vom Internetverband Eco, dass ein Digitalministerium dafür sorgen würde, dass Energien effizient gebündelt und eingesetzt würden und es nicht zu Parallelprojekten und doppelten Arbeiten käme, berichtet Dietmar Neuerer auf handelsblatt.com. Ein solches Ministerium könne beim Bürokratieabbau helfen und Deutschland in die Lage versetzen, das volle Potenzial der Digitalisierung auszuschöpfen.
„Um das Potenzial der Digitalbranche optimal auszuschöpfen und bürokratische Hürden oder gegenläufige Initiativen verschiedener Ministerien zu vermeiden, ist die Einrichtung eines Digitalministeriums in der kommenden Legislaturperiode unerlässlich.“
Oliver Sümme, Vorstandschef des Internetverbands Eco, auf handelsblatt.com
Der Geschäftsführer des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) stößt in dasselbe Horn: Nur mit einem Digitalministerium und mindestens einem Digitalisierungsvorbehalt könne Deutschland seine digitale Transformation meistern.
Entsprechend fordert die Digitalwirtschaft alle Kanzlerkandidaten und speziell Olaf Scholz dazu auf, sich ausdrücklich zu einem Digitalministerium zu bekennen und dieses nach der nächsten Bundestagswahl tatsächlich einzurichten. Die Politik hat diesbezüglich ganz eigene Vorstellungen. Kanzlerin Angela Merkel hat gesagt, dass es in dieser Legislaturperiode kein Digitalministerium mehr geben werde. Sie sei aber grundsätzlich offen für die Idee. Allerdings müsse sichergestellt sein, dass die Digitalisierung nicht nur zentral vonstattengehe, sondern alle Ministerien in deren Umsetzung eingebunden würden.
Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken findet die Idee ein wenig gestrig und spricht sich stattdessen dafür aus, die Arbeit des Digitalkabinetts durch das Kanzleramt zu optimieren und auszubauen. Der nordrheinwestfälische Ministerpräsident Armin Laschet, die CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer und Kanzleramtschef Helge Braun sprechen sich hingegen für ein solches Ministerium aus. Bisher sind Digitalfragen das Kerngeschäft der Digitalstaatsministerin Dorothee Bär. Außerdem gibt es im Kanzleramt eine Abteilung für Digitalisierung, ein Digitalkabinett bearbeitet das Thema und auch ein Digitalrat wurde eingerichtet.
Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass die Mehrzahl der Deutschen die Idee eines Digitalministeriums befürwortet. Im Rahmen der Befragung hat das Meinungsforschungsinstitut Civey im Auftrag des Eco-Verbands 2.500 Menschen zu ihrer Haltung zur Digitalpolitik in Deutschland befragt. Hiernach sprechen sich 52% der Befragten für ein Digitalministerium aus und nur 37% sind dagegen. Außerdem solle sich die Regierung angesichts der Corona-Pandemie den digitalen Herausforderungen aktiv stellen. Der Umgang mit der Entwicklung und Einführung der Corona-App habe gezeigt, dass hier noch dringender Handlungsbedarf bestehe. Immerhin hätten vier Bundesministerien die finale App vorgestellt, was die Zersplitterung des Themas deutlich werden lasse.
Die Digitalwirtschaft betont, dass die Digitalisierung für die deutsche Wertschöpfung immens wichtig sei. Das wisse auch der designierte SPD-Kanzlerkandidat. Schon jetzt werde die deutsche Gesamtwirtschaft massiv durch die Digitalisierung beeinflusst und diese Bedeutung wird in Zukunft noch zunehmen. Durch die Corona-Krise hat hier eine deutliche Beschleunigung stattgefunden, weswegen es wichtiger denn je ist, sich diesem Thema aktiv und beherzt zu stellen.
Der BVDW-Chef betont, dass für eine erfolgreiche digitale Transformation noch viele Schritte zu gehen seien. Unter anderem müsste mehr in Bildung investiert und digitale Verwaltungsdienstleistungen müssten ausgebaut werden. Zudem sei eine flächendeckende digitale Infrastruktur die Grundvoraussetzung dafür, dass Deutschland in Digitalfragen nicht ins Hintertreffen gerate. Die Umfrageteilnehmer setzen ähnliche Schwerpunkte. Besonders wichtig sind ihnen die digitale Infrastruktur (67,8%), die digitale Bildung (54%) und die IT-Sicherheit beziehungsweise der Datenschutz (46,5%).
Um Ihnen ein optimales Erlebnis zu bieten, verwenden wir Technologien wie Cookies, um Geräteinformationen zu speichern und/oder darauf zuzugreifen. Wenn Sie diesen Technologien zustimmen, können wir Daten wie Ihr Surfverhalten oder eindeutige IDs auf dieser Website verarbeiten. Wenn Sie Ihre Zustimmung nicht erteilen oder widerrufen, können bestimmte Merkmale und Funktionen beeinträchtigt werden.