Was ist da los bei Amazon? Und aus welchen Gründen müssen zahlreiche Amazon-Marktplatzhändler derzeit um ihre Existenz bangen?
Bekannt ist nur, dass nach den jüngsten Informationen der Onlinehändler-News bei einer Umfrage mit 660 Amazon-Händlern diese auf insgesamt 10,6 Millionen Euro von Amazon warten. Einer davon sogar auf einen ganzen Batzen von 450.000 Euro.
Spätestens jetzt zeigt sich, dass auch große Player im E-Commerce Bereich nicht vor schwerwiegenden Fehlern in den eigenen Infrastrukturen gefeit werden und im schlimmsten Fall hier zahlreiche Partner damit in den Ruin treiben.
Bisher weiß man in der Öffentlichkeit nur, dass Amazon die Händler um Geduld bittet. Ein schwacher Trost für viele.
Und dennoch hätte es anders laufen können, wenn die Händler sich teilweise nicht ausschließlich nur Amazon in die Hände gegeben hätten.
Bist du „reiner“ Amazon Händler? Selbst schuld!
Mittlerweile gehen die technischen Auszahlungsprobleme von Amazon an seine Händler doch schon recht ausführlich durch die Presse. Selbst die BILD Zeitung berichtet darüber.
Und auch der Bundesverband Onlinehandel e.V. ist als Fürsprecher der zahlreichen betroffenen Amazon Händler ganz vorne mit dabei.
Wie viele Amazon Händler tatsächlich von den Einschränkungen bei den Auszahlungen betroffen sind, ist weiterhin nicht genau bekannt. Fest steht in jedem Fall, dass es diese kalt erwischt hat.
Doch auch Amazon selbst trifft diese unvorhergesehene Problematik zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. Kurz vor dem Black Friday und auch vor dem umsatzstarken Weihnachtsgeschäft ist man dort offenbar redlich bemüht die Probleme in den Griff zu bekommen.
Auch wenn sich die Probleme hoffentlich in den kommenden Tagen aufklären und beheben sollte, dürfte das Vertrauen der Händler in Amazon allerdings noch bis ins kommende Jahr nachhaltig beschädigt sein.
Gewachsene Strukturen der „großen Riesen“
Ich kann aus meiner täglichen Praxis ein Lied davon singen, welchen Aufwand es bedeutet, mögliche Ursache von Fehlern in gewachsenen Systemen und IT-Strukturen zu recherchieren, die Ursache zu finden und eine Lösung zu erarbeiten.
Nach meiner Einschätzung wird der rein technische Prozess der Übertragung der Zahlungsanweisungen an die Banken bei Amazon hiervon nicht betroffen sein.
Vielmehr ist meine These, dass die Prozesse innerhalb von Amazon in irgendeiner Form technisch oder sogar auch organisatorisch eingeschränkt sind. Einen analogen Fallbackprozess – wie er zum Beispiel in Rettungsdienstleitstellen üblich ist wenn die IT Systeme ausfallen – gibt es bei Amazon schlicht und einfach nicht. Dafür sind Amazon und Co. einfach zu groß, um die entsprechenden Anforderungen dieser Prozesse in irgendeiner Art und Weise manuell abfertigen zu können.
Hier bleibt der Händler auf Gedeih und Verderb den Handlungen und Bemühungen des Marktplatz-Partners ausgeliefert.
Gerade die gewachsenen Strukturen in Unternehmen wie Amazon oder auch eBay stellen eine große Herausforderung für die dortigen Mitarbeiter und insbesondere Entwickler dar, wenn es darum geht an äußerst sensiblen Stellen Veränderungen umzusetzen.
Auch ich durfte bisher in namhaften Unternehmen mitwirken, an denen es niemand wagt sich an langjährige gewachsene Strukturen zu trauen, um diese in irgendeiner Art und Weise zu verbessern oder neu zu strukturieren. Die Verantwortung hierzu wiegt zu schwer. Das Zögern ist verständlich.
Und doch werden derlei Anpassungen irgendwann auch einmal notwendig. So könnte nach meiner These auch hier eine kleine Veränderung zu zahlreichen weiteren Abhängigkeiten in daran angeschlossenen Systemen erfolgt sein, welche erheblich an der Ursache beteiligt sind, welche die Auszahlung der rechtmäßigen Gelder der Händler von Amazon verhindert.
Gerade der Auszahlungsprozess mit weiteren Anbindungen an die Banken stellt hierbei eine besonders sensible Herausforderung dar. Derlei Bereiche lassen sich nicht so einfach auf einem Testsystem auf eine einwandfreie Funktionalität überprüfen.
Augen zu und durch, scheint sich Amazon hierbei zu denken. Und hoffentlich wird das ganze Thema in Kürze auch behoben sein. Amazon kann aus den genannten Gründen vermutlich auch gar nicht anders als nur noch Schadensbegrenzung zu betreiben.
Doch etwas mehr offizielle Informationen würde man sich nun doch wünschen.
Schlechte Informationspolitik
Aber wieso soll Amazon es in punkto transparenter Informationen eigentlich besser machen als unsere heutige Politik?
Statt wirklich klar und konkret die möglichen Ursachen zu kommunizieren und auch den geschätzten Zeitrahmen der Behebung zu benennen, hält Amazon seine Marktplätz-Händler weiter hin und zieht den Zorn dieser auf sich.
Auch wenn es nur geringe Auswirkungen haben dürfte, ist davon auszugehen, dass einige der Händler ihre Zusammenarbeit in naher Zukunft mit Amazon nochmals überdenken werden und müssen. Der „große Frachter“ wird es sicher verkraften und dennoch seinen Kurs beibehalten. Einige Händler kann die derzeitige Situation mit hoher Beschaulichkeit die Existenz kosten. Bist auch du dabei?
Die Leidtragenden sind die kleineren und vielleicht auch größeren Händler, welche die Auswirkungen vollumfänglich zu spüren bekommen.
Regressforderungen? Entschädigungsvereinbarungen? Mitnichten! Auch wenn ich nun das gesamte Vertragswerk von Amazon nicht bemüht habe, ist mit großer Sicherheit davon auszugehen, dass die Händler hier keine weiteren Ansprüche geltend machen können. Wenn überhaupt, dann wird man wohl einen langen Atem und gute Anwälte brauchen. Denn das hat Amazon sicherlich.
Ich bin gespannt, ob und wie genau Amazon hier den betroffenen Händlern entsprechend entgegenkommen wird und diese entschädigt.
Doch daran glaube ich nicht, denn…
Die Händler sind selbst schuld
Gerade in der heutigen Zeit der Digitalisierung und den zahlreichen Möglichkeiten die eigene Unternehmensstrategie daraufhin auszurichten, vertrauen zahlreiche Unternehmen entsprechenden monopolistischen Marktplätzen ihre vollständige Existenz an.
Solange der Rubel rollt ist ja irgendwie alles in Ordnung.
Welcher Händler würde da schon an solche Probleme denken? Doch auch diese tragen eine Mitschuld in dieser – ihrer eigenen – Situation. Denn es einige Unternehmer, welche ihre Produkte ausschließlich bei Amazon listen.
Genauso gibt es natürlich auch Händler, welche ihren Umsatz ausschließlich über ebay oder andere Marktplätze erwirtschaften.
Der Umsatzkanal-Mix ist entscheidend
Obwohl es doch so einige Marktplätze gibt, welche sich mehr oder weniger für die eigenen Produkte eignen, erkennt man gerade jetzt mit den Auszahlungs-Problemen bei Amazon, dass eine Mischung für Risikostreuung gewissermaßen Sinn macht.
Dies ist natürlich aufwendig. Denn für das einwandfreie management der verschiedenen prozessualen Anforderungen, angefangen von dem Einstellen der Artikel, den Abrechnungsmodalitäten, den Kosten des jeweiligen Marktplatzes, der Steuerung über eine eigene zentralisierte Softwarelösung und nicht zuletzt dem zusätzlichen buchhalterischen Aufwand kommen hierbei einige Aspekte zusammen, welche bisher von vielen Händlern vermieden worden sind. Verständlicherweise.
Doch die kleine aber wichtige Frage „Was wäre wenn?“ hat sich offenbar bis heute keiner der Händler gefragt.
Eine eigene E-Commerce Plattform als Fallback und Basis
Heutzutage einen Onlineshop zu betreiben ist eigentlich in jeder Unternehmensgröße möglich. Unabhängig davon, ob dieser selbst oder über einen Dienstleister erstellt wird und es durchaus einen gewissen zeitlichen Aufwand gibt diesen zu pflegen, zu administrieren, zu updaten und auch die laufenden Kosten hierfür zu entrichten.
Der große Vorteil besteht allerdings darin, dass dieses System weitestgehend in der eigenen Hand liegt, der eigene Markenaufbau und die Produktdarstellung deutlich individueller und persönlicher gestaltet werden können, als in einem gleichgeschalteten Marktplatzsystem, in welchem man von den anderen Mitbewerbern kaum zu unterscheiden ist und keinerlei Maßnahmen für eine langfristige Kundenbindung möglich sind.
Darüber hinaus bieten E-Commerce Lösungen in Verbindung mit weiteren SaaS-Dienstleistern durchaus effiziente und stabile Möglichkeiten, um zusätzlich an die verschiedenen Marktplätze seine Produkte aussteuern zu können und Bestellungen daraus zu importieren.
Im aktuellen Fall von Amazon hat man dann immer noch weitere Möglichkeiten auf Funktionseinschränkungen auf die man keinen Einfluss hat zumindest teilweise zu kompensieren.
Ganz abgesehen von den weiteren Unzulänglichkeiten wie das verloren gegangene Impressum bei eBay oder weitere abmahnfähige Aspekte, auf welche man bei den Marktplätzen wenig Einfluss hat.
Wer es versäumt sich in der heutigen Digitalisierung ein eigenes technisches Standbein zu leisten und im blinden Vertrauen nur auf eine oder wenige externe Lösungen setzt, hat grundsätzlich kein Mitleid verdient.
Der Preis der Abhängigkeit
Den Preis der Abhängigkeit von Marktplätzen wie Amazon zahlen grundsätzlich wir alle. Händler sowie Endkunden.
Zum einen stärken die Händler mit dem Einstellen ihrer Produkte in die Marktplätze deren Marktmacht, welches so bereits schon seit langem in einem erheblichen Ungleichgewicht steht.
Man möge sich einmal vorstellen, dass es in der Offline-Welt eine ähnliche Konstellation im Kontext der Umsatzverteilung gäbe. Das ist für viele überhaupt nicht denkbar.
Aber in der abstrakten digitalen Welt, in der wir alles jetzt gleich in einem unerschöpflichen Sortiment von notwendigen und sinnfreien Artikeln bestellen können, muss man zukünftig eben auch mit entsprechenden Einschränkungen rechnen und leben können, wenn man sich in allen Geschäftsprozessen mehr oder weniger ausschließlich an Amazon und Co. bindet.
Auch der faule Kunde und langjährige Amazon-Anhänger (auch auf anderen Plattformen) trägt seinen Teil hierzu bei dieses Konstrukt zu forcieren.
So gibt es mittlerweile Produkte, welche man nur noch auf Amazon findet.
Die Digitalisierung wird weiter verschlafen
Und auch die klassischen Handelsunternehmen und normalen Shopbetreiber tragen auch ihren Teil dazu bei, indem sie sich bereits seit Jahren von Amazon und Co. das Wasser abgraben lassen.
Das Internet ist voll von schlechten und deutlich veralteten, fehlerhaften und nicht rechtssicheren Onlineshops. Sei es das unklare Produktsortiment, die Suche welche die passenden Artikel nicht findet, der krampfhafte Checkout oder die nachgelagerten Prozesse in der logistik, welche zu einer deutlichen Verzögerung in der Warenzustellung an den Kunden führen.
Natürlich landet man dann wieder auf Amazon. Und auch ich bin und bleibe weiterhin ein Anhänger dieses Riesen, auch wenn ich meine Konsumgewohnheiten hier deutlich eingeschränkt habe und nur noch dort bestelle, wenn ich es in klassischen Onlineshops so nicht finde.
Too big to fail?
Wer von euch kennt noch „AltaVista“? Die Suchmaschine bevor es Google, Amazon & Co. gab. So sind in der Vergangenheit schon genügend große Unternehmen im Internet verschwunden.
Was wäre wenn es irgendwann in der Zukunft Marktplätze wie Amazon oder eBay nicht mehr geben würde und die Struktur des Onlinehandels sich dahingehend verändert, indem klassische Unternehmen und bereits bestehende Shopbetreiber verstärkt in eigenen E-Commerce-Lösungen ihre Produkte feilbieten?
Wird es hier irgendwann eine Veränderung des Marktes oder gar eine Marktbereinigung geben?
Durchaus gibt es ja noch viele Branchen und konservative Unternehmen, welche den Sprung in die digitale Welt noch nicht gewagt haben. Im Kontext des gesellschaftlichen Wandels und dem nachwachsen weiterer Generationen werden diese verdammt sein zu handeln. Sonst werden sie in der Versenkung wie Altavista & Co. verschwinden.
Nehmt den Erfolg selbst in die Hand!
Fazit? Nehmt eure Zukunft und euren Erfolg selbst in die Hand! Wer hinter seinem Unternehmen, seinen Mitarbeitern und seinen steht, nur dem wird es in Zukunft gelingen erfolgreich zu sein.
Denn durch jeden neuen reinen Marktplatzhändler stirbt ein weiterer Online-Shop und verhindert die Vielfältigkeit des freien Marktes.
Digitale Sklaverei kann man diese Abhängigkeitsstrukturen nur trefflich benennen. Denn diese gehen oft auch einher mit sehr strikten weiteren Anforderungen, welche man zwingend erfüllen muss um auf den Marktplätzen erfolgreich zu sein und zu bleiben. Da gibt es keinerlei Spielraum und muss sich den Anforderungen fügen, wie auch alle anderen Händler.
Im Gleichschritt in die Abhängigkeit – oder lieber doch nicht?
Die Abhängigkeit in die sich manche begeben, birgt ein erhebliches Risiko – auch wenn es vermutlich und hoffentlich nicht eintreten wird, aber dennoch vorhanden ist – die eigene Existenz zu gefährden und Schiffbruch zu erleiden.
Investiert sinnvoll und zielstrebig in eine eigene digitale Existenz. Die wenigsten Händler, welche sich an Marktplätze wie Amazon binden, werden bisher wirklich sachlich und objektiv die damit verbundenen Kosten des Betriebs dieser Lösungen einer Investitionen einer eigenen Infrastruktur gegenüberstellen.
Je nach Umsatzvolumen, lässt sich mit den entsprechenden Gebühren an Amazon & Co. locker der Betrieb eines eigenen Onlineshops, den Personalkosten, des Lagers und der Versandabwicklung stemmen.
Welches Weg willst Du gehen?