Digitale Vorreiter: Sozialgericht in Berlin nutzt Digitalisierung bei Verhandlungen

Kaum ein Berufszweig ist so eng mit Papierkram und langen Bearbeitungszeiten verbunden wie die deutsche Justiz. Dass es auch anders geht, beweist nun ein Berliner Sozialgericht. Dieses dient als Pilotprojekt für den Einsatz digitaler Technologien im Rahmen der Rechtsprechung. Noch ist die Digitalisierung lediglich eine Ergänzung zu Akten in Papierform, doch ihr Potenzial ist klar erkennbar.

Das Tagesgeschäft eines Sozialgerichts ist hart

Die häufigsten Themen, mit denen sich ein Sozialgericht auseinandersetzen muss, sind Hartz IV und die Rente. Ein klassischer Fall ist zum Beispiel ein Angestellter, der aufgrund einer gesundheitlichen Einschränkung früher in Rente gehen möchte, was die Rentenversicherung allerdings ablehnt. Bei Hartz IV hat es sogar eine richtige Klagewelle gegeben, bei der es unter anderem um Leistungsansprüche und Sanktionen ging.

Zu all diesen Themen gab und gibt es unzählige Dokumente und Beweisstücke. Diese befinden sich vorrangig in Akten und Ordnern, die sich auf den Schreibtischen der Juristen stapeln. Das ist alles andere als zweckmäßig. Zum einen verursacht die Anfertigung und Lagerung solcher Akten teils hohe Kosten. Zum anderen dauert es sehr lange, bis all diese Unterlagen durchgesehen werden können, um ein bestimmtes Dokument zu finden. Das verzögert die Urteilsfindung und führt teilweise zu Überlastungen des Rechtsystems.

„Wir müssten ein Jahr schließen, um den Aktenberg abzuarbeiten!“

Zitat: Präsidentin des Sozialgerichts Berlin, Frau Sabine Schudoma (2013)

Aktenberg beim Sozialgericht Berlin pro Jahr seit 2005
Quelle: https://www.berlin.de/gerichte/sozialgericht/

Der erste komplett digitale Gerichtssaal

All diesen Problemen begegnet ein Berliner Sozialgericht nun mit der Digitalisierung und weiht den ersten voll digitalen Gerichtssaal ein. Dies geschah am vergangenen Mittwoch auf ganz digitale Weise. Justizsenator Dirk Berendt zerschnitt zu diesem Zweck weder ein Band, noch drückte er auf einen analogen Knopf. Stattdessen erfolgte die Einweihung mittels eines Buttons auf einem Bildschirm. Dieser symbolische Akt sollte die Hinwendung zu digitalen Arbeitstechniken veranschaulichen.

Fortan stehen den Richterinnen und Richtern in diesem Gerichtssaal zahlreiche digitale Technologien zur Verfügung. Wenn zum Beispiel ein Kläger oder ein Zeuge unter einer bestimmten Krankheit leidet, können sie sich Hintergrundinformationen zu der Krankheit auf einem Bildschirm anzeigen lassen. Ebenso ist es möglich, bei Bedarf Einblick in die Krankenakten der jeweiligen Personen zu nehmen, ohne dass die ärztliche Schweigepflicht gefährdet würde.

Häufig nehmen (Staats-)Anwälte Bezug auf Präzedenzfälle oder gehen auf bestimmte Dokumente und Unterlagen ein. Die entsprechenden Paragrafen, Kommentare und Unterlagen können sich die Richterinnen und Richter nun anzeigen lassen und direkt darauf eingehen. Hierdurch vermeidet die Justiz Verzögerungen und stellt sicher, dass Richterinnen und Richter immer bestmöglich informiert sind.

Lediglich die ersten Schritte sind gegangen

Mit diesen Maßnahmen geht Berlin einen ersten Schritt in Richtung digitaler Justiz. Bis dieser Prozess abgeschlossen ist, wird aber noch eine Menge Zeit vergehen. Denn es ist bei Weitem nicht so, dass die Aktenberge durch die Digitalisierung verschwinden würden. Denn aktuell liegen alle Daten, Dokumente und Informationen noch sowohl in Papierform als auch digital vor. Eine komplette Digitalisierung aller relevanten Bereiche liegt daher noch in weiter Ferne.

Wie teuer die Digitalisierung des kompletten Gerichts werden wird, lässt sich nicht eindeutig sagen. Die Mittel für die Umrüstung des Saals 9 im Sozialgericht in der Invalidenstraße stammen jedenfalls aus dem landeseigenen Siwana-Fonds. Hierdurch wurde unter anderem „Opex“ finanziert. Hierbei handelt es sich um ein Gerät, dass Dokumente einscannt, die dazugehörigen Aktenzeichen erfasst und hieraus digitale Akten anlegt. Diese sind es, auf die die Richterinnen und Richter im Laufe der Verhandlungen dann zugreifen.

Gerichte sind gesetzlich verpflichtet die „eAkte“ einzuführen

Mit dem Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten (BGBl. I 3786 ff) hat der Gesetzgeber die Gerichte verpflichtet, spätestens ab dem 1. Januar 2022 mit Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten sowie Behörden ausnahmslos elektronisch zu kommunizieren. 

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