Cybersicherheit in KMU: Alarmierende Sicherheitslücke zwischen Selbstvertrauen und Realität

Cybersicherheit in KMU

Erschreckende Zahlen aus einer globalen Studie: 71 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen glauben, auf Cyberangriffe vorbereitet zu sein. Doch die Realität sieht anders aus – nur 22 Prozent verfügen tatsächlich über eine fortschrittliche Cybersicherheitslage. Eine gefährliche Selbstüberschätzung mit weitreichenden Folgen.

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Die Digitalisierung schreitet voran, Cyberangriffe werden raffinierter und kleine und mittlere Unternehmen stehen vor enormen Herausforderungen bei der IT-Sicherheit. Eine neue globale Studie des kanadischen Technologieunternehmens Devolutions bringt eine beunruhigende Diskrepanz ans Licht: Während sich die überwiegende Mehrheit der KMU sicher fühlt, klafft eine massive Lücke zwischen gefühlter und tatsächlicher Cybersicherheit.

Trügerische Sicherheit: Die Kluft zwischen Vertrauen und Realität bei der Cybersicherheit in KMU

Die Ergebnisse der von Devolutions durchgeführten Studie „The state of IT security in SMBs 2024/2025“ („IT-Sicherheitslage in KMU im Jahr 2024/2025“) sind alarmierend. 445 Fach- und Führungskräfte aus IT-, Sicherheits- und Unternehmensleitung in 140 Ländern wurden zwischen Februar und April 2025 befragt. Das Ergebnis: Eine gefährliche Selbstüberschätzung prägt die Sicherheitswahrnehmung in der Wirtschaft.

Sicherheitsvertrauen vs. Realität Anteil der KMU
Glauben, auf Cyberangriffe vorbereitet zu sein 71%
Verfügen über fortschrittliche Cybersicherheitslage 22%
Waren im letzten Jahr von Cyberangriffen betroffen 43%
Konnten Vorfälle in ersten Minuten erkennen 31%

Besonders bemerkenswert: Je weiter sich eine Position von der IT-Spezialisierung weg und hin zu Managementaufgaben bewegt, desto größer wird das Vertrauen in die eigene Sicherheitslage. Eine Fehleinschätzung, die laut BSI besonders problematisch ist, da KMU meist nicht gezielt angegriffen werden, sondern Opfer großflächiger automatisierter Attacken sind.

„Das gefühlte Sicherheitsniveau klafft manchmal mit dem tatsächlichen Sicherheitsniveau auseinander. Unsere Studie macht deutlich, wie groß die Diskrepanz zwischen dem Eindruck einer soliden Sicherheitslage und der Realität sein kann.“

David Hervieux, Präsident und Gründer von Devolutions

Im Vergleich zum Vorjahr sank das Vertrauen um 9 Prozent, während sich 8 Prozent weniger Unternehmen als gut gerüstet einschätzen. Dies deutet auf ein wachsendes Risikobewusstsein hin – paradoxerweise verbunden mit weniger Sicherheit beim Krisenmanagement.

Manuelle Verwaltung privilegierter Zugriffe: Ein Sicherheitsrisiko

Ein besonders kritischer Befund der Studie zur Cybersicherheit bei KMU betrifft die Verwaltung privilegierter Zugriffe. Obwohl diese als wichtige Säule jeder Cybersicherheitsstrategie gilt, setzen 52 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen noch immer auf veraltete manuelle Methoden wie Excel-Listen oder einfache Dateien.

Diese Praktiken sind besonders problematisch, da Ransomware und Intrusion-Programme gezielt auf solche Schwachstellen abzielen. Überraschenderweise hat der Anteil manueller Verwaltungspraktiken seit 2024 sogar um 7 Prozent zugenommen – ein Rückschritt, der hauptsächlich auf Vorbehalte gegenüber automatisierten Systemen zurückzuführen ist.

Verwaltung privilegierter Zugriffe Anteil der KMU
Manuelle Tools (Excel, Dateien) 52%
Automatisierte, sichere Systeme 48%
Zunahme manueller Praktiken seit 2024 +7%

Privilegierte Zugriffe als Einfallstor für Cyberkriminelle

Die fortgesetzte Nutzung manueller Verwaltungsmethoden erhöht das Risiko größerer, vermeidbarer Zwischenfälle erheblich. Cyberkriminelle nutzen diese Schwachstellen systematisch aus, da privilegierte Zugriffe den direkten Weg zu kritischen Unternehmensdaten und -systemen darstellen. Eine moderne Automatisierung dieser Prozesse ist daher unerlässlich.

Künstliche Intelligenz in der Cybersicherheit bei KMU: Großes Interesse, aber Hürden bleiben

Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz für die Cybersicherheit in KMU zeigt ein ambivalentes Bild. Während 71 Prozent der Unternehmen planen, KI zur Bedrohungserkennung und für ungewöhnliches Verhalten einzusetzen, verzichten aktuell noch 40 Prozent vollständig auf diese Technologie.

KI-Einsatz für IT-Sicherheit Anteil der KMU
Planen KI-Einsatz zur Bedrohungserkennung 71%
Glauben an entscheidende Rolle von KI in 5 Jahren 62%
Verzichten aktuell vollständig auf KI 40%

Barrieren beim KI-Einsatz in kleinen und mittleren Unternehmen

Trotz des großen Interesses bestehen erhebliche Hürden beim KI-Einsatz:

  • Hohe Kosten: Implementierung und Wartung übersteigen oft die verfügbaren Budgets
  • Mangelndes Fachwissen: Fehlendes Know-how zur effektiven Nutzung von KI-Tools
  • Datenschutzbedenken: Unsicherheit bezüglich der Datenverarbeitung durch KI-Systeme
  • Abhängigkeitsängste: Sorge vor zu starker Reliance auf automatisierte Systeme

62 Prozent der Befragten sind jedoch überzeugt, dass KI innerhalb der nächsten fünf Jahre eine entscheidende Rolle in der Cybersicherheit spielen wird. Diese Entwicklung ist nicht aufzuhalten und wird die Geschäftsdynamik grundlegend verändern.

IT-Sicherheitsbudgets bei KMU: Mehr Geld, schlechtere Verteilung

Ein paradoxer Befund der Studie zur IT-Sicherheit bei KMU betrifft die Budgetentwicklung. 63 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen haben 2025 ihre Cybersicherheitsbudgets erhöht. Dennoch berichten 55 Prozent der IT- und Sicherheitsteams von schlecht verteilten Budgetzuweisungen und Implementierungsverzögerungen.

IT-Sicherheitsbudgets Anteil der KMU
Haben Budget 2025 erhöht 63%
Wenden weniger als 5% des Gesamtbudgets auf 29%
Investieren mehr als 20% in Cybersicherheit 5%
Kennen ihren Budgetanteil nicht 25%
Berichten von schlechter Budgetverteilung 55%

Das Paradoxon steigender Budgets bei stagnierender Sicherheit

Trotz erhöhter Investitionen stagniert oder verlangsamt sich der allgemeine Fortschritt bei der Cybersicherheit. Dieses Paradoxon entsteht durch:

  • Ineffiziente Mittelverteilung: Investitionen fließen nicht in die kritischsten Bereiche
  • Fehlende Gesamtstrategie: Punktuelle Lösungen statt ganzheitlicher Ansätze
  • Mangelnde Expertise: Unklare Prioritätensetzung bei Sicherheitsinvestitionen
  • Komplexität der Bedrohungslandschaft: Schnellere Entwicklung neuer Risiken als Schutzmaßnahmen

Bemerkenswert ist auch, dass ein Viertel der Unternehmen nicht einmal weiß, welchen Anteil ihres Budgets sie für Cybersicherheit aufwenden – ein Indiz für mangelnde strategische Planung in diesem kritischen Bereich.

Interne Bedrohungen: Das unterschätzte Risiko für die IT-Sicherheit bei KMU

Ein oft übersehener Aspekt der Cybersicherheit sind interne Bedrohungen. Die Devolutions-Studie zeigt eine besorgniserregende Diskrepanz: 78 Prozent der KMU sind über Insider-Bedrohungen besorgt, aber nur 20 Prozent wissen, wie sie diesen Risiken entgegenwirken können.

Interne Bedrohungen Anteil der KMU
Sind über interne Bedrohungen besorgt 78%
Wissen, wie sie dagegen vorgehen können 20%
Sind unvorbereitet oder schätzen Risiko gering ein 28%
Besorgnis ist seit 2024 gestiegen um +45%
Strategieentwicklung ist gestiegen um +5%

Warum interne Bedrohungen besonders gefährlich sind

Insider-Angriffe sind besonders tückisch, da sie traditionelle Sicherheitsvorkehrungen leichter umgehen können. Mitarbeiter haben naturgemäß Zugang zu Systemen und Daten, was externe Angreifer erst erlangen müssen. Das BSI betont in seiner aktuellen Broschüre zur Cybersicherheit für KMU die Wichtigkeit, auch interne Risiken systematisch zu bewerten.

Besonders alarmierend: Obwohl die Besorgnis über interne Bedrohungen um 45 Prozent gestiegen ist, hat sich die Zahl der Unternehmen mit entsprechenden Schutzstrategien nur um 5 Prozent erhöht. Eine massive Lücke zwischen Risikobewusstsein und tatsächlichen Schutzmaßnahmen.

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Mitarbeiterschulungen: Der menschliche Faktor bei der Cybersicherheit in KMU

Die menschliche Komponente bleibt ein kritischer Faktor in der Cybersicherheit KMU. Die Studie zeigt, dass nur 39 Prozent der Unternehmen fortlaufende Schulungen anbieten, während 32 Prozent zumindest Sensibilisierungsschulungen vorschreiben. Beunruhigend: 17 Prozent verfügen über keinerlei Mitarbeiterschulungen für Cybersicherheit.

Mitarbeiterschulungen IT-Sicherheit Anteil der KMU
Bieten fortlaufende Schulungen an 39%
Schreiben Sensibilisierungsschulungen vor 32%
Verfügen über keine Mitarbeiterschulungen 17%
Rückgang der Schulungsangebote seit 2024 -2%

Menschliches Versagen als Hauptursache für Sicherheitsverletzungen

Die Relevanz von Cybersicherheitsschulungen wird durch eine ernüchternde Tatsache unterstrichen: Die meisten Sicherheitsverletzungen sind das Ergebnis menschlichen Versagens. Von erfolgreichen Phishing-Versuchen bis hin zur Fehlkonfiguration von Systemen – der Mensch bleibt die schwächste Stelle in der Sicherheitskette.

Paradoxerweise ist die Zahl der KMU, die Cybersicherheitsschulungen anbieten, im Vergleich zu 2024 sogar um 2 Prozent gesunken. Dies steht im Widerspruch zur steigenden Bedrohungslage und zeigt, dass viele Unternehmen den Wert präventiver Bildungsmaßnahmen noch nicht erkannt haben.

Branchenspezifische Betroffenheit und regionale Unterschiede

Die IT-Sicherheitsproblematik bei kleinen und mittleren Unternehmen betrifft verschiedene Branchen unterschiedlich stark. Die Devolutions-Studie untersuchte Unternehmen aus den Bereichen Finanzen, Verkehr, Gesundheit, Bildung, Handel und Industrie. Besonders exponiert sind dabei:

  • Finanzsektor: Attraktives Ziel aufgrund direkter Geldflüsse und sensibler Kundendaten
  • Gesundheitswesen: Kritische Infrastruktur mit hohem Erpressungspotenzial
  • Industrieunternehmen: Produktionsausfälle verursachen hohe wirtschaftliche Schäden
  • Bildungseinrichtungen: Oft unzureichend abgesicherte IT-Infrastruktur

Regional zeigt sich Deutschland als zweitgrößter Markt für Devolutions nach den USA, was die besondere Relevanz der Studienergebnisse für den deutschen Mittelstand unterstreicht. Der BSI-Lagebericht 2024 bestätigt das hohe Cyberrisiko für deutsche KMU und betont die Notwendigkeit verstärkter Schutzmaßnahmen.

Empfehlungen für eine verbesserte IT-Sicherheit in kleinen und mittleren Unternehmen

Basierend auf den Studienergebnissen lassen sich konkrete Handlungsempfehlungen für kleine und mittlere Unternehmen ableiten:

Sofortige Maßnahmen

  • Realistische Selbsteinschätzung: Professionelle Sicherheitsaudits statt Selbstüberschätzung
  • Automatisierung privilegierter Zugriffe: Abkehr von manuellen Excel-Listen und Dateien
  • Mitarbeiterschulungen intensivieren: Regelmäßige Sensibilisierung für Cybersicherheitsrisiken
  • Budgetoptimierung: Strategische Verteilung der Cybersicherheitsinvestitionen

Mittelfristige Strategien

  • KI-Integration planen: Schrittweise Einführung KI-gestützter Sicherheitslösungen
  • Insider-Threat-Programme: Entwicklung von Strategien gegen interne Bedrohungen
  • Externe Expertise nutzen: Zusammenarbeit mit spezialisierten IT-Sicherheitsdienstleistern
  • Incident Response Plan: Vorbereitung auf den Ernstfall mit klaren Handlungsanweisungen

Ausblick: Die Zukunft der IT-Sicherheit bei kleinen und mittleren Unternehmen

Die Devolutions-Studie zeigt einen klaren Trend auf: Kleine und mittlere Unternehmen nehmen Cybersicherheit ernst, haben aber Schwierigkeiten bei der Umsetzung aller notwendigen Schutzmaßnahmen. 43 Prozent der KMU waren im vergangenen Jahr von mindestens einem Cyberangriff betroffen, aber nur 31 Prozent konnten Vorfälle in den ersten kritischen Minuten erkennen.

Die verstärkte Cybersicherheit macht Fortschritte, allerdings nicht schnell genug angesichts der sich beschleunigenden Bedrohungsentwicklung. Das größte Risiko besteht darin, nicht zu handeln. Die Mehrheit der befragten Unternehmen ist jedoch auf dem richtigen Weg – ein hoffnungsvoller Aspekt in einer ansonsten besorgniserregenden Sicherheitslage.

Die Diskrepanz zwischen gefühlter und tatsächlicher Sicherheit muss dringend geschlossen werden. Nur durch realistische Einschätzungen, angemessene Investitionen und kontinuierliche Verbesserungen können KMU ihre Cyberresilienz nachhaltig stärken. Die Zeit zum Handeln ist jetzt – bevor die nächste Angriffswelle eine noch größere Schadensbilanz hinterlässt.

Unternehmen, die heute in umfassende IT-Sicherheitsmaßnahmen investieren, positionieren sich nicht nur defensiv gegen Bedrohungen, sondern schaffen auch die Grundlage für eine sichere digitale Transformation. In einer zunehmend vernetzten Wirtschaft wird Cybersicherheit zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil – und zur Überlebensfrage für den deutschen Mittelstand.

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