Kryptowährung und die Energieeffizienz – ein Paradoxon?

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Philipp Kant promovierte in theoretischer Physik am Karlsruher Institut für Technologie. Er verbrachte sechs Jahre als Forscher, untersuchte das Higgs-Boson und das Top-Quark und entwickelte Algorithmen für Berechnungen in der Quantenfeldtheorie. Seit 2014 ist er in der Softwareentwicklung tätig, wobei er hauptsächlich Haskell für Projekte in Bereichen wie verteiltes Rechnen, Datenmanagement und Ökonometrie verwendet. Er kam 2017 zu IOHK.
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Es erscheint schon fast paradox: Je profitabler die Miner von Bitcoins arbeiten, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass die Energieeffizienz beim Mining sinkt. In der Praxis liegt das einfach daran, dass der höhere Ertrag beim Minen, es für die Miner leichter macht, auf ältere und stromfressende Hardware zu setzen. Die gestiegene Marge kompensiert die höheren Kosten im Stromverbrauch und hält das Mining lukrativ. Was für die Bitcoin-Miner eine Erleichterung sein mag, ist für die Umwelt jedoch eine nicht zu unterschätzende Belastung.

Ein grundlegendes Problem befördert den hohen Energieverbrauch beim Minen von Bitcoins: Die Ineffizienz ist im Design von Bitcoin fest verankert: Das Hinzufügen neuer Ressourcen (Mining-Knoten) zum System macht es für jeden einzelnen Knoten schwieriger, einen Block zu produzieren. Trotzdem werden immer neue Knoten hinzugefügt, da die Teilnehmer des Netzwerkes versuchen, einen größeren Anteil an den geminten Coins und an den Transaktionsgebühren zu bekommen. Die Kapazität des Systems zur Verarbeitung von Transaktionen erhöht sich jedoch nie als Ganzes. So steigert sich der Energiebedarf der Kryptowährung nach und nach ins Unermessliche.

Doch es gibt energieeffizientere Alternativen: So bietet die Blockchain-Plattform Cardano ein neuartiges Konsensprotokoll, das auf dem Proof-of-Stake-Prinzip beruht: Das Ouroboros-Protokoll. Dieses ermöglicht es, Kryptowährungen ohne großen Rechenaufwand auf energiesparender Hardware zu betreiben. Die Energieeffizienz gegenüber dem beim Bitcoin eingesetzten Proof-of-Work-Protokoll ist dabei millionenfach höher.

Proof-of-Stake beseitigt das fundamentale Problem des Bitcoins. Die Anzahl der Blöcke, die ein Teilnehmer produzieren kann, ist hier proportional zum Anteil an der Kryptowährung, den er oder sie hält, und nicht wie beim Proof-of-Work zur eingesetzten Rechenleistung. Damit entfällt die Notwendigkeit, immer mehr Rechenleistung einzusetzen, um am Ball zu bleiben. Die Rechenleistung muss lediglich einen geringen Schwellenwert überschreiten, der für die Verarbeitung der Blockchain benötigt wird – im Vergleich zum Bitcoin ist dieser bei der Plattform Cardano verschwindend gering.

Der Energiehunger des Bitcoins

Mit einem Blick auf das Jahr 2019, in dem das Minen von Bitcoins am stärksten boomte, zeigt sich: Gerade zu dieser Zeit setzten Teilnehmer des Bitcoin-Netzwerkes auf ältere Geräte, die schneller verfügbar und in der Anschaffung weniger kostenintensiv waren. In den meisten Prognosen zum Energieverbrauch des Krypto-Netzwerkes wird dieses Verhalten nicht berücksichtigt. Auch regionale und saisonale Schwankungen der Energiepreise, die das Handeln der Miner deutlich beeinflussen, fließen nicht ausreichend in die Hochrechnungen ein. So wird im Hinblick auf das anhaltende Wachstum des Bitcoin-Netzwerkes dem enormen Energiebedarf nicht genug Rechnung getragen. Konservativen Schätzungen zu Folge beträgt der jährliche Bedarf an elektrischer Energie des Bitcoin-Netzwerkes aktuell rund 120 Terawattstunden – damit liegt er laut Cambridge Bitcoin Electricity Consumption Index (CBECI) nur knapp hinter dem Bedarf eines gesamten Landes wie Norwegen (124 Terawattstunden).

Auch wenn diese Zahl allein schon drastisch genug ist: Die meisten Methoden, die derzeit zur Schätzung des Energiebedarfs verwendet werden, sind immer noch so ausgelegt, dass sie eher optimistische Werte liefern. Die Schätzungen werden in der Regel anhand des Gesamtgewinns der Miner vorgenommen und gehen davon aus, dass jeder Miner weiterhin mehr Hardware und Energie investieren wird, um einen größeren Anteil des Gewinns davon zu tragen – solange die Investitionen für den einzelnen Miner profitabel bleiben.

Dabei greifen die Methoden bei der Erfassung der Marktumstände (z.B. dem Strompreis) und dem Verhalten der Markteilnehmer auf statische Annahmen zurück. In der Realität sind die Marktumstände jedoch weitaus dynamischer, und es ist zu erwarten, dass die Präferenzen der Teilnehmer die Bitcoin-Mining-Industrie stärker als angenommen beeinflussen. Zwar ist es möglich, die gesamte Rechenleistung (Hashrate) des Netzwerks zu schätzen, aber diese Schätzung ist bereits mit Unsicherheiten behaftet. Das Netzwerk liefert auch keine Informationen darüber, welche Hardware genau verwendet wird. Um die Schätzungen des Bitcoin-Energiebedarfs genauer zu gestalten, bietet es sich an, den Bitcoin-Mining-Markt in drei verschiedene Stadien einzuteilen: Diese Stufen sind Wachstum, Stabilität und Rückgang.

In der Entwicklung des Bitcoin-Energiebedarfs kann man die Rückgangsphase zwischen November und Mitte Dezember 2018 beobachten (siehe Abbildung). In weniger als einem Monat wird ein Drittel der gesamten Rechenleistung des Netzwerks abgebaut. Dieser Rückgang fällt mit einem schnellen Rückgang der Miner-Einnahmen zusammen. Wenn die Gewinne der Miner sinken, bestraft der Markt zunehmend die am wenigsten energieeffizienten Mining-Geräte. Auch Geräte, die unter suboptimalen Bedingungen laufen – zum Beispiel solche, die mit teurem Strom betrieben oder zusätzliche Kühlung benötigen – werden dann unrentabel.

Bitcoin Energy Consumption Index
Der Bitcoin Energy Consumption Index liefert die neueste Schätzung des Gesamtenergieverbrauchs des Bitcoin-Netzwerks. | Bild: BitcoinEnergyConsumption.com

Größere Profitabilität schafft mehr Möglichkeiten. In diesem Fall ermöglicht sie es jedoch, dass sich Ineffizienz in einen wachsenden Markt einschleicht. Diese Ineffizienz äußert sich in Form von suboptimaler Leistung (z. B. durch ältere oder übertaktete Geräte) oder suboptimale Bedingungen (z. B. höhere Strompreise oder zusätzlicher Kühlungsbedarf). Entscheidend ist, dass die Energie-Ineffizienz nicht auf irrationales Verhalten der Marktteilnehmer zurückgeht. Vielmehr ist es so, dass die Marktteilnehmer eine für sie profitable und vernünftige Strategie verfolgen können, die nicht unbedingt die geeignetsten Geräte oder den besten Standort berücksichtigt.

Dieser Umstand trägt wesentlich zum hohen Energiebedarf des Bitcoin-Netzwerkes bei und bedingt, nach dem Digiconomist Bitcoin Energy Consumption Index (BECI), eine CO2-Bilanz von 36,95 Megatonnen im Jahr – vergleichbar mit der Bilanz von Neuseeland. Zusätzlich verschärft wird die Problematik dadurch, dass etwa zwei Drittel der Bitcoin-Produktion in China stattfindet: Dabei geht mehr als die Hälfte von Chinas Energieproduktion auf Kohle zurück – daher dürfte die Bitcoin-Produktion besonders umweltschädlich sein.

Ouroboros – eine umweltfreundlichere Alternative

Neue Blockchain-Protokolle wie das Proof-of-Stake-Protokoll Ouroboros des Netzwerks Cardano stellen eine energieeffiziente Alternative zu Bitcoins Proof-of-Work-Protokoll dar.

Aus dem Englischen übersetzt – Ouroboros ist eine Familie von Proof-of-Stake-Blockchain-Konsensprotokollen, die sowohl erlaubnislose als auch zugelassene Blockchains ausführen können. Ouroboros wurde erstmals 2017 von einem akademischen Team unter der Leitung von Aggelos Kiayias auf der Annual International Cryptology Conference beschrieben. Wikipedia (Englisch)

Der Proof-of-Stake-Ansatz bietet eine Antwort auf die Energieverbrauchsprobleme von Proof-of-Work und führt zu einer nachhaltigeren Lösung. Anstatt sich auf Miner zu verlassen, die rechnerisch komplexe Gleichungen lösen, um neue Blöcke zu erstellen – und den ersten zu belohnen, der dies tut – wählt Proof-of-Stake die Teilnehmer aus, um neue Blöcke zu erstellen, basierend auf dem Anteil der Kryptowährung, den sie kontrollieren. So wird ein Wettlauf darum, wer über die größten rechnerischen Ressourcen verfügt, vermieden. Der sich daraus ergebende Unterschied im Energieverbrauch ist enorm: Als Vergleichsmaßstab kann hier der Unterschied zwischen dem Energieverbrauch eines Haushaltes und dem Verbrauch eines kleinen Landes gelten.

So sind Netzwerke, die Ouroboros verwenden, um ein Vielfaches energieeffizienter als solche, die Proof-of-Work-Protokolle verwenden. Durch Ouroboros verbraucht ein Neztwerk wie das von Cardano mit beispielsweise 100 Mining-Pools nur 0,01567 Gigawattstunden pro Jahr – bei einem Dezentralisierungsgrad, der dem des Bitcoin-Netzwerkes entspricht.

Bitcoin hingegen würde nach aktuellen Statistiken 120.000 Gigawattstunden pro Jahr benötigen. Dies beruht auf der Fähigkeit des Ouroboros-Protokolls, auf einem Raspberry Pi zu laufen, der einen Stromverbrauch von nur 15 bis 18 Watt aufweist. Theoretisch entspricht dies einer mehr als viermillionenfach höheren Energieeffizienz. Ouroboros löst damit die größte Herausforderung bestehender Blockchains: Den Bedarf an immer mehr Energie, um den Konsens im Blockchain-Netzwerk zu erreichen.

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