Die Digitalisierung der Reisebranche in Zeiten von Klimawandel und Corona

Ein Gastartikel von ...

Annika Brandenburger
Annika Brandenburgerhttps://agentur-brandenburger.de/
Annika Brandenburger war für viele Jahre als PR Managerin für große Unternehmen unterschiedlicher Branchen tätig und unterstützt seit 2018 mit der agenturbrandenburger Kunden im Bereich Organisation, Kommunikation und PR. Als Autorin beschäftigt sie sich vor allem mit den Themen Reisen, (gesellschaftlicher) Wandel und Bildung.

Wie eine Vielzahl anderer Wirtschaftszweige erfährt auch der Tourismus mit der Digitalisierung seit einigen Jahren einen grundlegenden Wandel. So gut wie alle Unternehmen und Anbieter bauen verstärkt auf Verkaufs- und Informationsmöglichkeiten über das Internet. Vor allem in Zeiten des Klimawandels und der weltweiten Corona-Krise wird deutlich, wie wichtig dieses Medium sowie eine zeitnahe Datenerhebung für Kunden und Unternehmen geworden sind – im positiven wie auch im negativen Sinne.

Tourismus digital in Deutschland

Im Jahr 2020 ist das Reisen so digital wie noch nie zuvor. Dazu hat der Digitalverband Bitkom Anfang März die Ergebnisse einer repräsentativen Studie veröffentlicht, befragt dazu wurden 1.003 Personen in Deutschland ab 16 Jahren. Danach  treten immer weniger Menschen den Gang ins Reisebüro an, wenn sie einen Urlaub planen und nur 39 Prozent buchen dann auch wirklich dort vor Ort. Die wichtigsten Gründe der Befragten: weil sie dort alle Leistungen aus einer Hand erhalten, ihnen die persönliche und individuelle Beratung wichtig ist und weil sie einer Online-Buchung nicht vertrauen.

Online-Buchung vs Buchung im Reisebüro
Grafik: bitkom.org

Bereits 68 Prozent der Reisewilligen informieren sich laut der Studie ausschließlich online, bevor sie sich zu einer Buchung entschließen. Allen voran werden mit 48 Prozent Reise- und Vergleichsportale wie Opodo, Expedia oder Fluege.de zurate gezogen, dicht gefolgt von den Internetseiten der Reisedienstleister wie TUI, Alltours oder ITS (41 Prozent). Danach folgen Reiseblogs (9 Prozent), Soziale Netzwerke wie Facebook (5 Prozent) und Podcasts (2 Prozent). Insgesamt nutzen mittlerweile 45 Prozent der Reisenden den Weg der Online-Buchung, vor allem, weil sie dort unabhängig von Öffnungszeiten an die gewünschten Informationen kommen, die Reiseangebote direkt und besser vergleichen können und sie somit Zeit sparen. „Wer auf Reisen geht, informiert sich im Internet umfangreich über das Urlaubsziel und besorgt sich Tipps. Für die Tourismusbranche heißt das: Wer einen Flug, ein Hotelzimmer oder eine komplette Pauschalreise verkaufen will, muss dem Kunden ermöglichen, sich online zu informieren und online zu buchen“, so Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder.

Klima und digitaler Wandel im Tourismus

Bis in jüngster Vergangenheit in aller Munde war der Klimawandel – auch im Kontext der Reisebranche: Kreuzfahrtschiffe, deren Motoren mit Schweröl betrieben werden, Flugreisen mit hoher Emissionsbelastung und Regionen wie die Alpen, in denen schützenswerte Naturräume von Touristenmassen schier überrannt werden. Auch hier wird die Digitalisierung der Branche bezüglich Umwelt zum Thema. Etwa 90 Prozent der durch die Bitkom Befragten wünschen sich beispielsweise einen digitalen Roomservice, mit dem man bei Bedarf neue Handtücher und Bettwäsche ordern kann. Auch sollten demnach Reiseanbieter dazu verpflichtet werden, alle Reisedokumente digital zur Verfügung zu stellen (67 Prozent), ebenso sprechen sich viele (41 Prozent) für ein digitales Bonussystem in Bezug auf ein nachhaltiges Verhalten am Urlaubsort und für die aktuelle Information über die Reiseströme in Echtzeit (40 Prozent) aus. Rohleder dazu: „Grundsätzlich gilt: Digitale Lösungen können helfen, das Reisen nachhaltiger zu gestalten – und zwar gleichermaßen bei der Anreise wie während des Aufenthalts vor Ort.“

Reisende wollen digitale Unterstützung für die Umwelt
Grafik: bitkom.org

Corona verlangt nach mehr Flexibilität

Wie wirkt sich aber nun die Coronakrise auf die Reisebranche aus? Zunächst einmal musste wegen des Virus die weltweit größte Reisemesse – die Internationale Tourismus Börse (ITB) – abgesagt werden, die eigentlich Anfang März dieses Jahres in Berlin hätte stattfinden sollen. Aus der Not wurde von einigen Unternehmen und Anbietern schnell eine Tugend gemacht und anstelle von weitläufigen, überfüllten Messehallen, wurden sogleich virtuelle Messeräume geöffnet und die eigentlich für die ITB geplanten Vorträge und Diskussionsrunden kurzerhand ins Internet verlegt. Ein Beispiel dafür ist die ITBdigital des Netzwerkunternehmens Tourismuszukunft, in denen unter anderem aktuelle Zahlen und Trends rund um das Reise- und Buchungsverhalten der deutschen Urlauber sowie Trends im Onlinemarketing präsentiert, aber auch spontan die Auswirkungen des Coronavirus auf die Branche aufgegriffen wurden.

Auch lassen sich dank der Digitalisierung die täglichen Pandemie-Ereignisse im Sekundentakt miterleben – und aktuell sind die Entwicklungen dramatisch: Kreuzfahrtschiffe mit Infizierten und Toten an Bord harren tagelang auf dem Meer aus, weil ihnen das Anlegen verweigert wird, Hotels und Gastronomiebetriebe sind zu Schließungen gezwungen und müssen Mitarbeiter in die Kurzarbeit schicken oder sogar entlassen. Alle großen deutschen Veranstalter sagen ihre sämtlichen Reisen bis Ende April ab, Hunderttausende Urlauber sind überall auf der Welt gestrandet und können erst allmählich in ihre Heimatländer zurückgeholt werden.

Digitalisierung: Bedeutung für Reiseunternehmen

Auch Reiseunternehmen sind mit dank des digitalen Zeitalters und der Möglichkeiten für eine zeitnahe Datenerhebung in der Lage, sofort und ohne große Verzögerungen einen zuverlässigen Einblick in die aktuellen Entwicklungen auf dem Markt zu gewinnen und Trends vorherzusagen. So führte ZIZOO, eine der führenden Online-Plattformen für Bootcharter, eine Datenanalyse zu den Auswirkungen der Corona-Krise auf die Bootsurlaubsbranche durch.

Das Unternehmen hatte in den vergangenen Wochen einen sprunghaften Anstieg von Buchungsanfragen für den kommenden Sommerurlaub erhalten – vorwiegend für den Nord- und Ostseeraum und dort für kleinere Jachten und Boote mit Skipper. Das Unternehmen verglich die eigenen Daten mit deutschen Google Trends-Suchanfragen zu Corona und untersuchte, ob es einen Zusammenhang zwischen den erhöhten Buchungsanfragen im ersten Quartal 2020, der Coronakrise sowie den Auswirkungen auf die Kreuzfahrtbranche gibt.

Google Trends Suchanfragen zu Corona verglichen mit Buchungsanfragen
Interne Datenanlyse von Zizoo.com: Google Trends Suchanfragen zu corona verglichen mit Buchungsanfragen

Beispielsweise hat das Bootscharter-Unternehmen vor allem dann einen massiven Anstieg von Buchungsanfragen verzeichnet, als in den (Online-)Medien verstärkt über das Kreuzfahrtschiff „Diamond Princess“ berichtet wurde, das für etwa zwei Wochen mit einer stetig steigenden Anzahl Corona-infizierter Personen an Bord unter Quarantäne stand.

Währenddessen brachen zudem die Buchungen für Kreuzfahrten in Deutschland ein und bei einigen Kreuzfahrern scheint ein Umdenken stattzufinden. Auch Kreuzfahrtexperte Sebastian Hosbach, Betreiber der Online-Reisebüros Kreuzfahren.de, hat in den vergangenen Wochen einen Rückgang bei Kreuzfahrtbuchungen festgestellt, dessen endgültige Ausprägung bisher nicht genau zu bemessen ist. „Wir rechnen aber aktuell mit einem Rückgang von 40 Prozent zum Vorjahr”, so Hosbach.

Wie die Tourismusbranche sich mittel- und langfristig entwickeln wird, ist momentan schwer vorherzusagen. Sicherlich werden Kreuzfahrten und Fernreisen per Flugzeug in den nächsten Monaten keinen großen Zuspruch erhalten und die immer noch Reisewilligen werden sich vornehmlich für einen Urlaub innerhalb des eigenen Landes interessieren. Wann und wo Hotels und Reisedestinationen ihre Toren für Urlauber wieder öffnen dürfen, steht bislang nicht fest. Aber dank der Digitalisierung der Reisebranche sind hier Buchungen schnell vorgenommen – und ebenso schnell wieder storniert.

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