Digitalisierung im Krankenhaus: Dringend nötige Aufholjagd

Ein Gastartikel von ...

Frank Kleemann
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Frank Kleemann leitet seit August 2022 den Bereich Digitalisierung & IT bei consus.health. Hier entwickelt er den BI- und IT-Bereich mit von datengetriebenen Lösungen weiter. Ein weiterer Schwerpunkt seiner Arbeit ist die Unterstützung der Kunden auf dem Weg der Digitalisierung. Vor consus hat er federführend die IT der Autobahn GmbH des Bundes aufgebaut. Ebenso hat er langjährige Führungserfahrung in der Krankenhaus-IT.

Die Corona-Pandemie hat deutlich gemacht, wie hoch der Nachholbedarf bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen im Allgemeinen und in Krankenhäusern im Speziellen ist. Bund und Länder fördern Investitionen in diesem Bereich mit Milliardenbeträgen. Für Krankenhäuser bietet dies große Chancen, ihre digitale Infrastruktur zeitgemäß und zum Nutzen der Patienten aufzustellen. Dabei muss aber einiges beachtet werden.

In Krankenhäusern erlebt die Digitalisierung durch das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) einen kräftigen Schub. Das Gesetz zielt darauf ab, die digitale Infrastruktur sowie Maßnahmen zur Verbesserung der IT- und Cybersicherheit in Kliniken zu fördern. Im dafür eingerichteten Krankenhauszukunftsfonds (KHZF) stehen insgesamt 4,3 Milliarden Euro für Investitionen zur Verfügung: drei Milliarden Euro aus Bundesmitteln, weitere 1,3 Milliarden Euro kommen von den Bundesländern. Bis Ende 2021 mussten die Anträge dafür eingereicht werden. Rund 3 Milliarden Euro aus dem Fonds wurden Stand Oktober 2023 bewilligt.

Gefördert werden mit diesem Geld Investitionen in moderne Notfallkapazitäten und eine bessere digitale Infrastruktur. Dazu gehören etwa Patientenportale, die elektronische Dokumentation von Pflege- und Behandlungsleistungen oder ein digitales Medikationsmanagement. Gefördert werden außerdem Maßnahmen zur IT-Sicherheit sowie sektorenübergreifende telemedizinische Netzwerkstrukturen. Und auch erforderliche personelle Maßnahmen können durch den KHZF finanziert werden.

Wie notwendig eine solche großflächige staatliche Förderung in Deutschland ist, hat die Corona-Pandemie deutlich gemacht. Sie führte offen zutage, wie schlecht das deutsche Gesundheitssystem in digitaler Hinsicht funktioniert – auch im Vergleich mit anderen Industrieländern. Ob digitale Nachverfolgung von Infektionsketten, plattformgesteuerte Versorgungslogistik für systemkritische Produkte oder telemedizinische Dienste für virtuelle Arztbesuche und Diagnosen: In all diesen Bereichen ist Deutschland bis heute nur unzureichend aufgestellt und der Nachholbedarf ist groß.

Das KHZG soll dazu dienen, diesen Rückstand aufzuholen und Deutschlands Krankenhäuser für die Zukunft fit zu machen. Bei der Förderung durch den Fonds liegt eines der Hauptaugenmerke darauf, dass durchgängige Versorgungsprozesse und Services geschaffen werden, statt wie vorher meist Insellösungen für einzelne Bereiche oder Abteilungen. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass die Digitalisierung im Krankenhaus nur dann einen Mehrwert für Patienten, Mitarbeitende und das Gesundheitssystem bringt, wenn sie einer ganzheitlichen Strategie folgt.

Ganzheitliche Digitalstrategien statt Insellösungen

Eine ganzheitliche Digitalstrategie im Krankenhaus umzusetzen bedeutet, den Blick zunächst von den akuten Problemen zu nehmen und ihn auf das große Ganze zu richten. Denn eine Digitalstrategie ist auf Langfristigkeit ausgelegt. Sie muss also auch in die Wirtschaftsplanung eines Krankenhauses Eingang finden, da sie nicht nur auf die aktuellen Notwendigkeiten zielt, sondern auch Investitionen in die digitale Zukunft berücksichtigt. Hierbei sollten auch zukünftige Veränderungen der Krankenhauslandschaft im Zuge der Krankenhausreform in die Planung einbezogen werden. Eine standortübergreifende Abstimmung der Investitionen ist dabei zu empfehlen.

Eine umfassende Digitalisierung bringt Vorteile mit sich, ohne die kein Krankenhaus in Zukunft mehr wirtschaftlich überleben kann: Automatisierte und standardisierte Prozesse sparen Kosten, schonen Personalressourcen, verringern Fehler, sparen Zeit und steigern den Patientennutzen.

Um eine umfassende Digitalstrategie in der Klinik zu etablieren, ist es wichtig, dass die Klinikleitung und die IT-Verantwortlichen eng zusammenarbeiten. Sie sollten gemeinsame Ziele definieren und entschlossen vorangehen, diese umzusetzen. Bei der Umsetzung sollten auch die IT-Abteilung und die klinischen sowie administrativen Anwender kontinuierlich in engem Austausch stehen. Denn

digitale Innovationen, die nur in der Theorie funktionieren, aber nicht in der Praxis erprobt wurden, können später böse Überraschungen bergen. Dann nämlich, wenn klar wird, dass sie für die Endnutzer am Ende nicht funktionieren und nicht genutzt werden können.

Eine große Herausforderung wird es für Klinikleitungen sein, gut ausgebildete Fachkräfte zur Umsetzung ihrer Digitalstrategie zu finden. Das Anforderungsprofil für Architekten einer zeitgemäßen Digital-Infrastruktur ist ein anderes als das von IT-Mitarbeitern, die bisher in Kliniken dafür sorgen, dass der Nadeldrucker in der Ambulanz störungsfrei funktioniert. Auch das Gehalt solcher Fachkräfte ist höher und muss daher in den Wirtschaftsplänen langfristig berücksichtigt werden.

IT-Sicherheit ist Pflicht

Die Sicherheit der digitalen Infrastruktur im Krankenhaus hat höchste Priorität und muss bei der Digitalisierung durchgängig im Fokus stehen. Mit zunehmendem Digitalisierungsgrad steigt auch die Anzahl der Schnittstellen und damit die Vulnerabilität von informationstechnischen Systemen. Im Fall einer technischen Störung oder eines Hackerangriffs droht einem Krankenhaus, dass der Betrieb ganzer Abteilungen oder sogar des gesamten Hauses lahmgelegt wird. Die Versorgung der Patienten ist dann unmittelbar gefährdet. Hinzu kommt die Gefahr, dass hochsensible Patientendaten in falsche Hände geraten.

Im KHZG werden deshalb auch klare Richtlinien hinsichtlich der IT-Sicherheit formuliert. So sind Kliniken verpflichtet, 15 Prozent der Fördermittel, die für Projekte im Rahmen des KHZG bewilligt werden, für die Verbesserung der IT-Sicherheit einzusetzen.

Auch Digitalisierung und Datenschutz müssen selbstverständlich Hand in Hand gehen. Allerdings sollte der Datenschutz nicht, wie in der Vergangenheit in Deutschland häufig zu beobachten, als Bremsklotz herhalten. Fortschritt und Datenschutz müssen miteinander vereinbar sein. Hier ist der Gesetzgeber in der Pflicht, einen einfachen und bundesweit einheitlichen Rechtsrahmen zu schaffen, der es den Krankenhäusern ermöglicht, ihre Digitalstrategie rechtssicher umzusetzen.

Eine Gruppe von Ärzten in einem Krankenhaus nutzt einen Tablet-Computer zur Digitalisierung.
Bild: consus.health

Digitale Anwendungen verbessern die Behandlungsqualität

Beispiele dafür, wie die Digitalisierung im Krankenhaus Patienten und Behandelnden zugutekommt, gibt es viele. Das bekannteste ist wohl die elektronische Patientenakte. In ihr werden alle wichtigen Gesundheitsdaten eines Patienten zusammengefasst und gespeichert, damit verschiedene Behandler darauf zurückgreifen können. Doppeluntersuchungen und doppelte Erfassungen von z. B. Unverträglichkeiten oder chronischen Erkrankungen können somit ausgeschlossen werden. Auch die Vergabe von Medikamenten wird dokumentiert, sodass jeder Arzt weiß, welche Arzneimittel der Patient bereits nimmt und ob diese sich mit den von ihm verschriebenen Mitteln vertragen. Die elektronische Patientenakte macht Behandlungsprozesse damit nicht nur schneller, effektiver und kostengünstiger, sondern auch sicherer.

Obwohl bereits stark digitalisiert, bietet die Beschaffung von medizinischen und anderen Produkten im Krankenhaus noch großes Potenzial. Webbasierte Bestellprozesse und barcodebasierte Artikelerkennung erleichtern die Verbrauchssteuerung und verhindern Engpässe bei der Versorgung. Zudem gewährleisten sie eine bessere Rückverfolgbarkeit von Produkten. Digitale Schranksysteme entlasten und unterstützen darüber hinaus den Einkauf und die Logistik. Hierbei kommen mittlerweile auch Roboter und künstliche Intelligenz zum Einsatz und entlasten damit das überall knapp werdende und häufig mit administrativen Prozessen überlastete Personal.

Doch nicht nur in der Krankenhauslogistik, sondern auch im Operationssaal werden Roboter künftig eine immer größere Rolle spielen. Genauso gehört die Unterstützung durch Roboter zur Zukunft in der Pflege. In Zeiten des demografischen Wandels und eines Pflegefachkräftemangels kann eine bedarfsgerechte Versorgung ohne Roboter womöglich gar nicht mehr sichergestellt werden. Dies bedeutet nicht, dass der persönliche Kontakt zwischen Patienten, Ärzten, Pflegern und Therapeuten abgeschafft werden wird. Doch dort, wo Prozesse automatisiert werden können, entlasten sie das immer knapper werdende Personal, das sich dann verstärkt persönlich um die individuellen Bedürfnisse der Patienten kümmern kann.

Digitalisierung von Kliniken ist ein Muss

Dass das Gesundheitssystem von der Digitalisierung profitiert, ist unstrittig. Der Weg zu einer umfassenden Digitalstrategie ist für viele Krankenhäuser jedoch immer noch lang. Immerhin: Mit dem KHZG hat der Staat diesen Weg nun ein gutes Stück geebnet. Für Krankenhäuser, die jetzt mitten in der Umsetzung stecken, bedeutet das viel Arbeit und vor allem viele Veränderungen. Das zahlt sich langfristig aber aus. Denn Kliniken, die die Digitalisierung nicht in Angriff nehmen, werden wirtschaftlich nicht bestehen können.

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