Das Paradox der KI als Werkzeug

Konzerne und mittelständische Unternehmen, die bereits auf Künstliche Intelligenz setzen, sehen in ihr häufig ein Werkzeug zum Verschlanken von Prozessen und zur Entlastung des Menschen. Wenn das mal kein Trugschluss ist: KI hat sehr wohl das Zeug dazu, die Wirtschaft grundlegend zu verändern und Arbeitsplätze zu vernichten. Sechs Dinge, die klärend über KI gesagt werden müssen.

Können Sie sich noch an eine Arbeits- und Berufswelt ohne KI zurückerinnern? Für die erfahrenen Digitalprofis liegt das schon ein paar mehr Jahre zurück. Für den Großteil der Software-Nutzenden, die smarte Programme im Büro, im Homeoffice oder privat verwenden, ist eine Welt ohne KI erst seit November 2022 vorstellbar. Da ging die Ur-Mutter aller KI-Anwendungen, ChatGPT, offiziell an den breiten Markt. Seitdem ist die Welt eine andere.

Die beiden Top-Journalistinnen Miriam Meckel und Léa Steinacker sprechen in ihrem jüngst erschienenen Sachbuch-Bestseller „Alles überall auf einmal“ vom „iPhone-Moment“ der KI. Die Technologie ist erstmals für jede und jeden verfügbar: „Damit stehen wir an einer entscheidenden Schwelle unserer kulturellen Evolution. Alles verändert sich überall auf einmal.“

Meckel und Steinacker zeigen hauptsächlich die Chancen auf. Ihr positiver Tenor: „Wir müssen nicht fürchten, als Menschen abgeschafft zu werden, denn: Alles, was die KI tut, geht zurück auf die Art und Weise, wie wir mit ihr umgehen.“ Doch stimmt es wirklich – das Narrativ von der KI als Werkzeug, die den Menschen unterstützt, ihn aber niemals ersetzen wird. Nicht nur eingefleischte Gewerkschafter haben da Zweifel. Auch Tech-Profis und Neuro-Wissenschaftler mit langjähriger Erfahrung wie Dr. Peter Steidl, Experte der in Hannover ansässigen Markenagentur Kochstrasse, raten zu einem weniger blauäugigen Angang an das Thema. Steidl:

„Glauben Sie nicht die Geschichte, dass KI etwas ist, mit dem man arbeitet, und nicht eine Technologie, die den Menschen ersetzen wird. Natürlich ist es wichtig, dass Menschen mit KI zusammenarbeiten, denn nur so kann die KI lernen. Doch die KI wird Mitarbeiter ersetzen, und in vielen Anwendungsbereichen wird es zu massiven Entlassungen kommen. Das ist eine Tatsache. Die wichtige Frage ist, wie die daraus resultierenden Produktivitätsgewinne verteilt werden.“

Folgende sechs Dinge sind laut Dr. Steidl im Zusammenhang und im Umgang mit künstlicher Intelligenz wichtig und verlangen nach einer Neujustierung im Mindset der Nutzer:

1. Nicht darauf konzentrieren, was die KI heute kann – sondern darauf, wie schnell sie lernt

Peter Steidl von Kochstrasse: „Um die Leistungsfähigkeit der KI zu verstehen, sollten wir uns nicht auf die heutigen Erfahrungen konzentrieren, sondern darauf, wie schnell die KI lernt. Berücksichtigen Sie dabei, dass sich der technologische Fortschritt tendenziell beschleunigt. KI kann mehr Informationen und Daten aufnehmen und analysieren als jeder Mensch. Wenn sie Ihnen heute bisher nicht überlegen ist, wird sie es in Zukunft sein. Die Frage ist nur, wie lange Sie noch Zeit haben, bis die KI Ihre Arbeit besser erledigt als Sie.“

2. Menschen sind der KI nicht überlegen

Ein Hauptargument gegen den umfassenden Siegeszug der KI lautet: KI könnte niemals eine Aufgabe übernehmen, die Empathie, Emotionen und Intuition erfordert. Doch Steidl warnt:

„Die menschliche Arroganz führt dazu, dass wir glauben, unsere einzigartigen Fähigkeiten würden uns eine unangreifbare Position verschaffen. Aber nur weil ein Mensch seine emotionalen oder intuitiven Fähigkeiten einsetzt, um ein Problem oder eine Herausforderung zu bewältigen, heißt das noch lange nicht, dass dies der einzige oder gar der beste Weg ist, dies zu tun.“

KI geht Dinge einfach anders an, aber nicht zwingend schlechter. So beauftragte die Bank of America bereits vor einigen Jahren ein Unternehmen, das frühe KI-Versionen für Copywriting-Aufgaben einsetzte. Tests ergaben, dass die von der KI generierten Texte effektiver waren als die von der Werbeagentur erstellten Texte. Grund dafür war, dass die KI bei der Durchsicht von Millionen von Fällen festgestellt hatte, dass sich die Verwendung bestimmter Wörter und Ausdrücke als psychologisch besonders wirksam erwiesen hat. Die KI muss nicht verstehen, warum oder wie etwas wirksam ist, sie muss nicht menschliche Entscheidungen treffen. KI kann einfach herausfinden, was in der Vergangenheit effektiv war, und dabei riesige Datenmengen nutzen, die ein Mensch nicht einmal ansatzweise verstehen könnte.

3. Quanten-Computing wird die KI nochmals revolutionieren

Quantencomputer sind heute schon Realität, aber sie müssen noch skaliert, zuverlässiger und kostengünstiger werden. Sobald das der Fall ist, und lange wird es nicht mehr dauern, wird das die Fähigkeiten der KI massiv steigern und es ihr ermöglichen, die komplexesten Herausforderungen zu optimieren.

4. Nicht länger in Arbeitsplatz-Verlusten denken, sondern in möglichen Produktivitätsgewinnen

Steidl ist überzeugt: „KI wird Mitarbeiter ersetzen.“ Daher kann es nur darum gehen, sich über die entstehenden Produktivitätsgewinne und deren Verwendung Gedanken zu machen. Werden die Löhne gleich bleiben, aber die Arbeitszeiten sinken, sodass alle weiter arbeiten können, aber weniger arbeiten müssen? Steidl:

„Die Logik sagt uns, dass dies der richtige Weg ist, da eine große Zahl von Arbeitslosen für uns alle schlecht – die Unternehmen können kein Geld verdienen, die Regierungen verlieren Steuereinnahmen und müssen gleichzeitig mehr für Arbeitslosenunterstützung, Gesundheit und Wohlfahrt ausgeben, und Depressionen und Stress steigen auf ein neues Niveau.“

5. Hoffnungen auf eine KI-Regulierung sind eine Illusion

Der Einsatz von KI sollte reguliert werden. Aber die Chancen auf ein verbindliches globales Abkommen in dieser Frage sind vermutlich auf Sand gebaut. Steidl:

„Eine Regulierung würde lediglich die Entwicklung der betroffenen Unternehmen und ihrer Herkunftsländer bremsen, während die Entwicklung andernorts ungehindert fortschreiten würde.“

6. Betrachten Sie KI nicht als ein Werkzeug. Sie ist eine transformative Technologie.

Laut dem „Global AI Adoption Index 2022“ von IBM hatten damals bereits 77 Prozent der befragten Unternehmen damit begonnen, KI zu nutzen oder zu erforschen, um Prozesse zu verbessern.

„Aber KI ist nicht etwas, das man einführt und dann einfach auf fortschrittlichere Versionen aufrüstet, so wie man es mit seiner IT-Infrastruktur tun würde. Vielmehr handelt es sich um eine transformative Technologie. KI wird Sie dazu zwingen, Ihr Unternehmen, seine Prozesse, Systeme, die Zusammensetzung der Belegschaft und sogar die Büroumgebung zu verändern“

, sagt Steidl voraus.

Mensch vs. Maschine: Der Kampf ist bereits heute unfair. KI wird nicht müde oder ausgebrannt; sie benötigt keine freien Wochenenden, keinen Krankenstand oder Urlaub. KI kostet weniger als Sie – wenn nicht heute, so doch in Zukunft. KI lernt schneller, als Menschen es je können. KI kann viel mehr Daten verarbeiten und sinnvoll nutzen – und sie vergisst nichts. KI hat keine Emotionen, keine guten und schlechten Tage. Zeit, der Wahrheit ins Auge zu sehen und sich mit der neuen Zukunft zu arrangieren.

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