TikTok bringt die Digitalisierung in die Theaterwelt

Die etablierte Theaterwelt hat unter den Corona Beschränkungen massiv gelitten. Während sie noch ihre Wunden leckt, entwickeln sich auf Plattformen wie TikTok ganz neue Formen des Theaterspielens. Der Dramaturg Konstantin Küspert kritisiert, dass die traditionsreichen Bühnen die Digitalisierung weitestgehend verschlafen würden. Es fehle an grundlegenden Dingen, um digitale Kunstformen erschaffen und auf der Bühne erfahrbar machen zu können. Diese neue Herangehensweise an das Theater sei aber nötig, wenn die heutigen großen Bühnen auch in Zukunft eine Daseinsberechtigung haben wollten.

Inhalt

Theater erholen sich schrittweise von Corona

Während des Lockdowns ging theatertechnisch deutschlandweit nahezu gar nichts. Das war sowohl für die Bühnen als auch für viele Kunstschaffende eine sehr schwere Zeit. Viele waren auf staatliche Unterstützung angewiesen, um überhaupt über die Runden kommen zu können. Nun erholt sich die Szene Schritt für Schritt von der Corona-Pandemie.

Im Zuge dieses Wundenleckens fällt vielen auf, dass die Theaterwelt gar nicht so still gestanden hat, wie viele das meinten. Sie hat sich einfach nur in die digitale Welt verlagert. So wurden auf der Social-Media-Plattform TikTok viele Videos hochgeladen, die einen theatralen Anspruch haben und neue Kunstformen ausprobieren. Viele gerade junge Nutzer der Plattform probieren sich mit vielfältigen Videos aus und leisten genau die Arbeit, die eigentlich die großen Bühnen leisten müssten.

TikTok realisiert Projekte, die die großen Bühnen verschlafen

Der Dramaturg Konstantin Küspert sieht große Defizite im Bereich der Digitalisierung an den etablierten Theatern. Er konstatiert im Gespräch mit André Mumot auf deutschlandfunkkultur.de, dass digitale Technologien eigentlich nur im Marketingbereich zum Einsatz kämen. Sie würden genutzt, um Instagram-Stories anzufertigen und zielgruppengerechte Facebook Posts zu erstellen. Ansonsten fehle es aber häufig am Grundlegendsten. So sei auf den Probebühnen und auf den tatsächlichen Bühnen häufig kein WLAN vorhanden. Das erschwere die Vorbereitung  und Durchführung einer Produktion und mache eine Integration der Digitalisierung in die Inszenierungen nahezu unmöglich.

Küspert meint, dass es an den Bühnen sehr viele Leute gebe, die sich mit der Digitalisierung hervorragend auskennen. Diese seien aber vorrangig dazu da, um den Geschäftsbetrieb der Theater am Laufen zu halten, und nicht, um schöpferisch und kreativ tätig zu werden. Genau das sei seiner Meinung nach aber nötig, um die Theater zukunftsfähig zu machen. Aktuell würden noch zu viele Ressourcen und Energien verschwendet, statt sie für eine effiziente Nutzung der Digitalisierung auf den Bühnen einzusetzen.

Digitale Kunstformen erschaffen

Küspert sagt, dass die Theaterwelt in den letzten Jahren vor allem von Texten aus anderen Kunstformen gelebt habe. So wären vor allem Romanvorlagen und Filme so umfunktioniert worden, dass sie auf der Bühne funktionierten. Er selbst sieht diese Entwicklung kritisch, da er meint, dass die Dramaturgen durchaus in der Lage seien, genügend eigenes Material zu verfassen, das Relevanz habe und auf den Bühnen gut ankäme.

Er plädiert dafür, dass sich die Bühnen an TikTok ein Beispiel nehmen und wieder etwas mutiger werden. Es könne nicht sein, dass ausschließlich ältere Texte wiederverwertet würden, statt mutig neue Strategien und Verfahren auszuprobieren. Er mache die Erfahrungen, dass viele Bühnen der Digitalisierung kritisch gegenüber stünden und lieber auf Altbewährtes zurückgreifen würden. Er möchte hingegen, dass die theatralen Mittel, die sich auf TikTok in den letzten Wochen und Monaten gezeigt hätten, Einzug in die etablierte Theaterwelt halten würden. Nur so sei es ihm zufolge möglich, die Theater relevant zu halten und ihnen eine Daseinsberechtigung für die Zukunft zu geben. Außerdem seien solche digitalen Technologien zwingend erforderlich, um als Theater auch mit weiteren Corona-Wellen klarkommen zu können.

 

Ähnliche Artikel