Produktvideos sind das Schweizer Taschenmesser des digitalen Marketings – vielseitig, effektiv und aus keinem modernen Online-Shop mehr wegzudenken. Doch wer glaubt, einfach drauflos filmen zu können, liegt gefährlich falsch. Von Werberecht über Barrierefreiheit bis hin zum neuen EU AI Act: Die rechtlichen Anforderungen an Marketing-Videos werden 2025 deutlich verschärft. Was Sie jetzt wissen müssen, um kostspielige Abmahnungen zu vermeiden.
Seien wir ehrlich: Ein statisches Produktfoto ist im Jahr 2025 etwa so zeitgemäß wie ein Faxgerät im Büro. Bewegtbilder dominieren das moderne Marketing – und das aus gutem Grund. Studien zeigen, dass Produktvideos die Conversion-Rate um bis zu 80 Prozent steigern können. Kein Wunder also, dass Sie heute kaum noch einen professionellen Online-Shop ohne Video-Content finden.
Doch mit großer Reichweite kommt auch große Verantwortung – zumindest rechtlich gesehen. Wir von digital-magazin.de haben die aktuellen Entwicklungen analysiert und zeigen Ihnen, worauf es ankommt.
Möchten Sie in einem Produktvideo für Ihr Produkt, eine Produktreihe oder eine Dienstleistung werben, gilt eine eiserne Regel: Der Werbecharakter muss absolut klar und zweifelsfrei erkennbar sein. Das ist kein netter Vorschlag des Gesetzgebers, sondern eine zwingende Anforderung aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und der EU-Richtlinie 2010/13/EU über audiovisuelle Mediendienste.
Das Ziel dahinter? Verbraucherschutz. Der Gesetzgeber möchte sicherstellen, dass Sie als Konsument fair behandelt werden und eine informierte Kaufentscheidung treffen können. Schleichwerbung – also versteckte werbliche Inhalte – ist daher strikt verboten.
Das UWG verbietet jegliche irreführende Werbung – online wie offline. Jede geschäftliche Handlung muss zwei Kriterien erfüllen:
Das bedeutet konkret: Sie dürfen in Ihren Produktvideos keine unwahren oder zur Täuschung geeigneten Angaben machen. Klingt selbstverständlich? Die Praxis zeigt leider immer wieder das Gegenteil.
Besonders tückisch: Irreführung kann auch durch Weglassen entstehen. Gemäß § 5a UWG liegt eine unzulässige geschäftliche Handlung vor, wenn Sie Informationen verschweigen, die der Verbraucher für eine informierte Kaufentscheidung benötigt. Das gilt besonders dann, wenn das Vorenthalten dieser Informationen den Verbraucher zu einer Kaufentscheidung veranlasst, die er sonst nicht getroffen hätte.
Ein Beispiel aus der Praxis: Sie bewerben ein „revolutionäres“ Diätprodukt in einem Erklärvideo und versprechen spektakuläre Ergebnisse – verschweigen aber, dass diese nur in Kombination mit strikter Diät und Sport erzielbar sind. Das wäre ein klarer Verstoß gegen § 5a UWG.
Die Konsequenzen eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht gehen weit über Abmahnungen hinaus. Bei arglistiger Täuschung kann der Kunde den Kaufvertrag nach § 123 Absatz 1 Variante 1 BGB anfechten. Zur Beschaffenheit einer Sache gehören gemäß § 434 Absatz 1 Satz 3 BGB auch Eigenschaften, die der Käufer aufgrund öffentlicher Äußerungen – insbesondere in der Werbung – erwarten darf.
Das heißt im Klartext: Was Sie in Ihren Produktvideos versprechen, müssen Sie auch halten. Der objektiv nachprüfbare Kern Ihrer Werbeaussagen ist entscheidend.
Stellen Sie sich folgende Situation vor: Ein Unternehmen für Fitness und Diäten bewirbt in einem Produktvideo einen Shake mit der Aussage „Eine Portion enthält weniger als 0,1 Prozent Fett“. Tatsächlich enthält eine Portion aber 1 Prozent Fett – also das Zehnfache.
Die Folgen? Ein klarer Verstoß gegen das UWG mit möglichen Konsequenzen:
Ein gewisses Maß an werblicher Übertreibung ist zwar erlaubt – „Der beste Fitness-Shake des Jahres!“ wäre beispielsweise unproblematisch – aber konkrete Faktenbehauptungen müssen der Wahrheit entsprechen.
Längst bewegt sich Video-Marketing nicht mehr nur auf der eigenen Website. Influencer-Marketing und Product-Placement in fremden Videos sind zum Standard geworden. Doch auch hier gelten strenge Regeln – digital-magazin.de hat recherchiert, worauf Sie achten müssen.
Beauftragen Sie einen Blogger, YouTuber oder TikToker damit, Ihr Produkt in einem Video zu erwähnen oder zu verwenden, handelt es sich um Produktplatzierung. Diese muss eindeutig gekennzeichnet werden. Die Mindestanforderungen:
Besonders auf Plattformen wie TikTok, wo Produktempfehlungen oft in unterhaltsame Inhalte eingebettet werden, ist Vorsicht geboten. Die Grenze zwischen authentischem Content und versteckter Werbung ist schnell überschritten.
Ab Juni 2025 kommt eine weitere rechtliche Hürde hinzu, die viele Unternehmen noch nicht auf dem Schirm haben: das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz. Digitale Inhalte – und damit auch Ihre Produktvideos – müssen barrierefrei gestaltet sein.
Das BFSG verpflichtet Unternehmen, ihre Videos so zu gestalten, dass auch Menschen mit Behinderungen sie problemlos nutzen können. Dazu gehören:
Die Vorgaben orientieren sich an den WCAG 2.1 Richtlinien im AA-Standard. Wer sich nicht daran hält, riskiert ab Juni 2025 empfindliche Bußgelder.
Viele Unternehmen sehen Barrierefreiheit noch als optionale Zusatzleistung. Das ist ein gefährlicher Irrtum. Das BFSG macht klare Vorgaben – und die Nichteinhaltung kann teuer werden. Zudem erschließen Sie sich mit barrierefreien Videos einen deutlich größeren Zielgruppenmarkt. Schätzungsweise 10 Prozent der Bevölkerung profitieren direkt von barrierefreien Inhalten.
2025 und 2026 bringt der EU AI Act weitere Veränderungen mit sich – besonders für alle, die KI-Tools zur Videoerstellung nutzen. Werden Videos mit künstlicher Intelligenz erstellt oder manipuliert, gelten zusätzliche Kennzeichnungspflichten.
Der AI Act verlangt Transparenz bei der Nutzung von KI-Systemen. Das bedeutet konkret:
Gerade im Bereich KI-gestützter Personalisierung – also wenn Sie Videos dynamisch an einzelne Nutzer anpassen – müssen Sie besonders aufmerksam sein. Die Grenzen zwischen innovativem Marketing und datenschutzrechtlich problematischer Profilbildung sind fließend.
Apropos Datenschutz: Die DSGVO bleibt natürlich auch 2025 relevant – besonders wenn Sie Tracking-Technologien in Ihren Videos einsetzen.
Viele Unternehmen binden in ihre Videos Tracking-Pixel ein, um das Nutzerverhalten zu analysieren. Das ist grundsätzlich erlaubt, erfordert aber:
Ein Cookie-Banner allein reicht oft nicht aus. Sie müssen klar kommunizieren, welche Daten Sie erheben und zu welchem Zweck.
Die Video-Landschaft entwickelt sich rasant weiter. Was bedeuten aktuelle Trends für die rechtliche Compliance?
Authentische Kundenbewertungen in Videoform boomen. Doch Vorsicht: Auch hier gelten die Kennzeichnungspflichten. Wird der Kunde für sein Video bezahlt oder erhält er kostenlose Produkte, muss dies transparent gemacht werden. Gefälschte Bewertungen verstoßen zudem gegen das UWG und können zu empfindlichen Strafen führen.
Live-Shopping-Events auf Plattformen wie Instagram oder TikTok verbinden Entertainment mit direktem Verkauf. Hier gelten dieselben Werberegeln wie bei vorproduzierten Videos – nur dass Sie in Echtzeit reagieren müssen. Spontane Werbeaussagen sollten daher gut überlegt sein.
Augmented Reality und Virtual Reality ermöglichen völlig neue Produktpräsentationen. Rechtlich bewegen Sie sich hier weitgehend in bekanntem Terrain – solange Sie die Grenzen zwischen virtueller Darstellung und tatsächlicher Produktbeschaffenheit klar kommunizieren.
Damit Sie bei Ihren nächsten Produktvideos auf der sicheren Seite sind, hat digital-magazin.de die wichtigsten Punkte in einer übersichtlichen Checkliste zusammengefasst:
Bereich | Anforderung | Priorität |
---|---|---|
Werbecharakter | Muss klar und zweifelsfrei erkennbar sein | Kritisch |
Wahrheitsgehalt | Alle Aussagen müssen objektiv nachprüfbar sein | Kritisch |
Vollständigkeit | Keine wesentlichen Informationen verschweigen | Kritisch |
Produktplatzierung | „P“-Logo für mind. 3 Sekunden + Texthinweis | Kritisch |
Barrierefreiheit | Untertitel, Audiodeskription ab Juni 2025 | Sehr wichtig |
KI-Kennzeichnung | Hinweis bei KI-generierten Inhalten | Sehr wichtig |
DSGVO-Compliance | Einwilligung bei Tracking, transparente Datennutzung | Sehr wichtig |
Authentizität | Bezahlte Testimonials kennzeichnen | Wichtig |
Ja, wenn das Video werblichen Charakter hat – also ein Produkt oder eine Dienstleistung bewirbt. Die Kennzeichnung muss sofort erkennbar sein, idealerweise am Anfang des Videos oder in den ersten Zeilen der Beschreibung. Hashtags wie #ad oder #werbung sind akzeptiert, sollten aber prominent platziert werden.
Nein, das ist nicht ausreichend. Der Werbecharakter muss von Beginn an klar sein. Ein Disclaimer am Ende erfüllt die Transparenzpflichten nicht, da viele Nutzer das Video vorher bereits abbrechen könnten.
Nein, das ist urheberrechtlich problematisch. Verwenden Sie nur lizenzfreie Musik oder Tracks, für die Sie explizite Nutzungsrechte erworben haben. Plattformen wie Epidemic Sound oder Artlist bieten kommerzielle Lizenzen an.
Das BFSG sieht Bußgelder für Verstöße vor. Zudem können Betroffene und Verbraucherverbände Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche geltend machen. Im schlimmsten Fall drohen auch Abmahnungen und zivilrechtliche Klagen.
Ja, sobald Sie für die Erwähnung eines Produkts eine Gegenleistung erhalten – sei es Geld, kostenlose Produkte oder andere Vergünstigungen. Auch „Freundschaftsdienste“ können unter Umständen kennzeichnungspflichtig sein, wenn ein wirtschaftlicher Vorteil besteht.
Faustregel: Subjektive Bewertungen und offensichtliche Übertreibungen („Das beste Produkt der Welt!“) sind in Ordnung. Objektive Faktenbehauptungen („Senkt den Cholesterinspiegel um 50 Prozent“) müssen wissenschaftlich belegbar sein. Im Zweifelsfall sollten Sie rechtlichen Rat einholen.
Rechtssicherheit ist die Basis – aber wie erstellen Sie Videos, die sowohl compliant als auch erfolgreich sind?
Machen Sie den Werbecharakter nicht nur rechtlich korrekt, sondern auch sympathisch deutlich. Ein lockeres „Heute zeige ich euch, warum ich von Produkt X überzeugt bin – und ja, das ist Werbung“ wirkt authentischer als versteckte Pflichthinweise im Kleingedruckten.
Die erfolgreichsten Produktvideos lösen ein Problem oder beantworten eine Frage. Zeigen Sie, wie Ihr Produkt einen echten Nutzen bietet – nicht nur, dass es existiert. Storytelling schlägt reine Produktbeschreibung um Längen.
Auf Plattformen wie TikTok oder Instagram Reels haben Sie etwa 3-5 Sekunden, um Aufmerksamkeit zu gewinnen. Kommen Sie schnell zum Punkt, aber vergessen Sie dabei die Kennzeichnungspflichten nicht.
Untertitel nachträglich hinzuzufügen ist aufwendig. Planen Sie Barrierefreiheit bereits bei der Konzeption ein – das spart Zeit und Geld. Viele moderne Video-Tools bieten automatische Untertitel-Generierung an.
Halten Sie Belege für alle Werbeaussagen bereit. Wenn Sie behaupten, dass Ihr Produkt „in Studien getestet“ wurde, sollten Sie diese Studien auch vorlegen können. Das schützt Sie im Streitfall.
Die rechtlichen Anforderungen an Produktvideos werden auch in den kommenden Jahren nicht weniger. Bereits absehbare Entwicklungen:
Wer jetzt in rechtssichere Prozesse investiert, ist für die Zukunft gut gerüstet.
Rechtliche Anforderungen mögen auf den ersten Blick wie ein Korsett wirken, das Ihre kreative Freiheit einschränkt. Doch das Gegenteil ist der Fall: Klare Regeln schaffen Vertrauen – und Vertrauen ist die Grundlage für erfolgreiche Kundenbeziehungen.
Die erfolgreichsten Marken verstehen es, rechtliche Compliance und kreatives Marketing nahtlos zu verbinden. Sie nutzen Transparenz als Wettbewerbsvorteil, nicht als notwendiges Übel. Ihre Kunden wissen: Hier wird fair kommuniziert, hier gibt es keine versteckten Fallen.
In einer Zeit, in der Verbraucher zunehmend skeptisch gegenüber Werbung werden, kann diese Ehrlichkeit Gold wert sein. Ein klar als Werbung gekennzeichnetes Video, das dennoch echten Mehrwert bietet, performt oft besser als ein versteckter Werbeversuch, der bei Entdeckung für Misstrauen sorgt.
Die rechtlichen Rahmenbedingungen für Produktvideos werden 2025 und darüber hinaus zweifellos anspruchsvoller. Doch wer die Spielregeln kennt und befolgt, kann sich voll auf das konzentrieren, was wirklich zählt: überzeugende, authentische Videos zu erstellen, die Produkte erfolgreich vermarkten und gleichzeitig das Vertrauen der Kunden gewinnen. Rechtssicherheit und Kreativität schließen sich nicht aus – im Gegenteil, sie ergänzen sich perfekt.
Investieren Sie in fundierte rechtliche Beratung, halten Sie sich über aktuelle Entwicklungen auf dem Laufenden und scheuen Sie sich nicht, im Zweifelsfall einen Experten zu konsultieren. Die Kosten dafür sind minimal im Vergleich zu den potenziellen Folgen eines Rechtsverstoßes. Ihre Produktvideos – und Ihr Unternehmen – werden es Ihnen danken.
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