Wie künstliche Intelligenz den Vertrieb neu erfindet

Ein Gastartikel von ...

Lucas Rachner
Lucas Rachnerhttps://visusadvisory.com
Nach seinem Studium an der London School of Economics sammelte Lucas Rachner Erfahrungen in einer Big-Four-Beratung und gründete anschließend VISUS Advisory – eine Unternehmensberatung mit Fokus auf Data Analytics und SAP-Transformation. Seine Arbeit konzentriert sich auf Data Science und Predictive Analytics in B2B-Unternehmen.

Vertriebsleiter müssen täglich entscheiden, welcher Teil des Vertriebsteams an welchem Kunden arbeiten soll. Für diese Entscheidung mögen alle verfügbaren Daten zur Verfügung stehen, aber es muss eine Person geben, die die gesammelten Daten auswertet, auf der Grundlage ihrer Erfahrung entscheidet und Aufgaben zuweist. 

In komplexen Fällen ist dies eine herausfordernde Aufgabe, da eine Vielzahl von Einflussfaktoren Auswirkungen auf diese Entscheidungen haben sollten. Diese Faktoren sind für den Entscheider jedoch oftmals nicht offensichtlich. Es ist daher nicht verwunderlich, dass dieser Entscheidungsprozess oft mit hohem Stress und subjektiver Voreingenommenheit verbunden ist. Mit Künstlicher Intelligenz (KI), dem neuen Feld des maschinellen Lernens, können diese Entscheidungen auf einer statistisch signifikanten Datenbasis getroffen werden. Dieser Artikel behandelt den Aufbau einer künstlichen Intelligenz zur Steigerung der Vertriebsabschlusswahrscheinlichkeiten, den damit verbundenen Vorteilen sowie den datengetriebenen Voraussetzungen.

Der Aufbau einer künstlichen Intelligenz im Vertrieb ist nun gelebte Realität

Die Revolution der künstlichen Intelligenz (KI) steht erst am Anfang. Während der Megatrend rund um maschinelles Lernen und KI schon seit Jahren anhält, hat die Technologie erst kürzlich ein Stadium erreicht, in dem sie effizient auf viele Geschäftsprozesse angewendet werden kann. Die Berechnung der Abschlusswahrscheinlichkeiten bei Leads ist einer dieser Prozesse.

Doch wie sieht die Entwicklung einer künstlichen Intelligenz im Vertrieb in der Realität aus? Die Basis für den Aufbau jedweder künstlicher Intelligenz sind große Datensätze mit ausreichender Datenqualität. Im Vertrieb werden solche Daten meist in CRM-Systemen wie Salesforce, Hubspot oder SAP CRM erfasst und können über Schnittstellen (APIs) oder Datenexporte für die Entwicklung verwendet werden. Ein typischer Datensatz in einem CRM-System besteht aus:

  • vertrieblichen Aktivitäten wie einem Kundenbesuch- oder telefonat,
  • einem Produkt, das verkauft werden soll,
  • einem Vertriebsmitarbeiter,
  • kundenbezogenen Daten wie der Region oder Branche, sowie
  • einer Information, ob die durchgeführte Aktivität erfolgreich oder erfolglos war.

Damit eine KI aussagekräftige Informationen liefern kann, müssen zunächst auf Basis von Korrelationsanalysen statistisch signifikante Parameter bestimmt werden, die über den Erfolg einer Vertriebsaktivität entscheiden. So kann beispielsweise herausgestellt werden, dass die Branche des Kunden sowie der ausführende Vertriebler maßgeblich die Abschlusswahrscheinlichkeit beeinflussen. Sobald diese Entscheidungsparameter bestimmt wurden, beginnt die Entwicklung eines neuronalen Netzes – dem „Gehirn” der künstlichen Intelligenz. Dieses neuronale Netz besteht aus tausenden von Knoten, die über gewichtete Verbindungen miteinander kommunizieren. Diese gewichteten Verbindungen werden durch sogenannte Neuronen gebildet, die ähnlich der menschlichen Neuronen Signale über Synapsen (oder Axone) senden.

Ähnlich wie das menschliche Gehirn muss nun auch die künstliche Intelligenz lernen. Hierzu werden Vertriebsdaten aus dem CRM-System inklusive der zuvor bestimmten Entscheidungsparameter exportiert. Diese Daten werden in ein Trainingsset (ca 80% der Daten) und ein Validierungsset (ca. 20% der Daten) aufgeteilt. Anhand des Trainingssets übt nun das neuronale Netz der KI die Vorhersage der Abschlusswahrscheinlichkeiten unter Berücksichtigung der Parameter, also z.B. der Kundenbranche und der Vertriebler-ID und entwickelt dabei ein Modell, das auf zukünftige Leads angewendet werden kann. Um die Genauigkeit dieses Modells zu überprüfen, kommt das Validierungsset zum Einsatz. Basierend auf den verbleibenden 20% der Daten wird überprüft, bei wie viel Prozent der Daten das entwickelte Modell eine korrekte Aussage bezüglich des Erfolgs der Vertriebsaktivität ausgibt.

Aufbau eines neuronalen Netzes
Aufbau eines neuronalen Netzes 1 (Quelle: VISUS Advisory – https://www.visusadvisory.com/post/ki-im-vertriebscontrolling)

Hierbei wurde in einer Case Studies mit echten CRM-Daten bereits ein Modell entwickelt, das mit einer Wahrscheinlichkeit von bis zu 90% vorhersagen kann, ob ein bestimmter Lead zu einem erfolgreichen Abschluss führen wird (Link zur Studie: https://www.visusadvisory.com/post/ki-im-vertriebscontrolling)

Wie kann der Vertrieb von einem KI-basierten Prognosemodell profitieren?

Die Entwicklung eines speziell konzipierten neuronalen Netzes zur Berechnung von Abschlusswahrscheinlichkeiten bringt viele bedeutende Vorteile mit sich. So ist es in der Lage:
● neu eingekaufte oder angelegte Leads nach ihrer vorhergesagten Erfolgswahrscheinlichkeiten zu sortieren, wodurch die Vertriebseffizienz signifikant gesteigert wird.
● Leads dem richtigen Vertriebler zuzuordnen. Ist ein Mitarbeiter beispielsweise besonders gut im Verkauf von Produkt A, aber nicht von Produkt B, wird dies durch das neuronale Netzwerk erkannt.
● Leads mit sehr geringer Abschlusswahrscheinlichkeit zu identifizieren, sodass diese bei der Akquise missachtet und Vertriebskosten eingespart werden können.
● Die Zufriedenheit der Vertriebsmitarbeiter aufgrund einer signifikant höheren Lead-Qualität zu steigern.

Doch nicht alle Unternehmen können so einfach eine künstliche Intelligenz entwickeln (lassen). Der Spruch „Daten sind das neue Gold” hat nämlich seine Berechtigung. Sowohl die Datenqualität als auch die -quantität sind entscheidend bei der Entwicklung eines erfolgreichen neuronalen Netzes.

Datenqualität – und quantität als entscheidender Faktor

Während meiner Zeit als Geschäftsführer bei VISUS Advisory habe ich mehrfach Kunden erlebt, die gerne eine künstliche Intelligenz für ihre eigenen Vertriebsdaten entwickeln lassen wollten, aber deren Datenqualität und -quantität nicht dem geforderten Standard entsprach. Zu Beginn jeder Initiative zur Entwicklung einer künstlichen Intelligenz steht daher die Datensichtung und -bereinigung. Werden zu wenig Daten erfasst oder heterogene Datenobjekte verwendet, so ist es nicht möglich, ein neuronales Netz zu trainieren. Wird beispielsweise nur bei jedem dritten Kunden die Branche erfasst, so kann eine künstliche Intelligenz dieses Objekt nicht als beeinflussenden Parameter verwenden. Datensätze mit niedriger Qualität sind jedoch keine Sackgasse für die Entwicklung eines neuronalen Netzes, da bestehende Daten durch Data Scientists in ein einheitliches Format gebracht werden und fehlende Daten durch externe Dienstleister akquiriert werden können. Natürlich ist dieser zusätzliche Aufwand in der Regel auch mit höheren Kosten verbunden. Es gilt also weiterhin die Prämisse, bei der Datenerfassung auf einen hohen einheitlichen Standard zu setzen, um langfristig Kosten einzusparen und die Grundlage für die Entwicklung eigener neuronaler Netze zu legen.
Der frühe Vogel fängt den Wurm“, heißt es, und das gilt auch in der Geschäftswelt.

Viele Unternehmen entwickeln bereits eigene neuronale Netze, um den eigenen Vertriebsprozess zu optimieren. Je früher mit der Entwicklung begonnen wird, desto eher können Wettbewerbsvorteile erzielt und Dateninkonsistenzen beseitigt werden. Der Markt wird sich auf Basis künstlicher Intelligenz und automatisierter Lead-Generierung schrittweise in Richtung eines datengetriebenen Vertriebs entwickeln. Wie bereits vielfach in der Fachliteratur erwähnt, befinden wir uns in Zeiten eines exponentiellen technologischen Wandels. Auch im Bereich KI werden innerhalb der nächsten 10 Jahre immer mehr Unternehmen ihre Vertriebsprozesse auf die Modelle von künstlichen Intelligenzen stützen und somit von erhöhter Vertriebseffizienz profitieren. Gehen Unternehmen diesen Schritt nicht mit, so drohen sie aufgrund unterdurchschnittlicher Effizienz abgehängt zu werden.
Künstliche Intelligenz ist kein Buzzword mehr, sondern in der Realität angekommen.

Die Entwicklung einer künstlichen Intelligenz im Vertrieb ist schon längst kein Buzzword mehr. Basierend auf historischen CRM-Daten können neuronale Netze mit bereits vorhandenen Technologien entwickelt werden, die die Vertriebseffizienz drastisch erhöhen. Mit Hilfe KI-gestützter Technologie werden die Zeiten von aufwändigen, erfolglosen Kundenbesuchen vorbei sein. Künstliche Intelligenz im Vertrieb ist kein Thema für morgen, sondern für heute.

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