In der Online-Branche redet man oft von „gut“ oder „schlecht lesbarem Content“. Solch eine Bewertung von Web-Texten richtet sich meistens zuerst nach SEO-Kriterien. „Gut lesbar“ bedeutet in diesem Sinne also: gut crawlbar. Während die gute Crawlbarkeit eine Voraussetzung für das Auffinden von Texten im Netz ist, muss man als Autor jedoch auch dafür sorgen, dass die Texte anschließend auch gelesen werden.
Immerhin schlagen sich sehr kurze Verweildauern bei Google in schlechteren Rankings nieder, und Kunden, die sofort wieder abspringen, kaufen nichts. Also muss bei der Texterstellung auch die zukünftige Leserschaft im Blick behalten werden.
Zwar sind eine einfache Textstruktur und ein klarer thematischer Fokus nicht nur für den Googlebot, sondern auch für die Kunden wichtig, die sich auf einer Seite zurechtfinden sollen. Ein weit wichtigeres Kriterium für menschliche Leser, das sich auch auf die Kaufbereitschaft auswirkt, ist jedoch, dass Emotionen durch den Content einer Seite bei ihnen hervorgerufen werden. Spätestens seit Hans Georg Häusels emotionalen Shopper-Welten, die verschiedene Käufer-Zielgruppen repräsentieren, wird vermutet, dass Einkaufen recht wenig mit Rationalität, sondern sehr stark mit der Gefühlswelt eines Individuums zu tun hat.
Im Zuge von Panda-Updates wird in vielen Unternehmen die Frage gestellt, wie man Online-Content, speziell Texte, so gestaltet, dass ein individueller, deutlich herauslesbarer Stil erkennbar wird, mit dem man eine bestimmte Zielgruppe erreicht oder ein Thema bzw. eine Firmenphilosophie authentisch verkörpert. Aus sprachwissenschaftlicher Sicht lautet die Antwort: das ist eine Frage des Stils!
Doch wie emotionalisiert man Sprache und arbeitet einen bestimmten Stil heraus? Ist die Empfindung, die ein Sprachstil auslöst, nicht immer etwas höchst Subjektives? Ich argumentiere aus sprachwissenschaftlicher Sicht und behaupte: nein! Es gibt gewisse Sprachstile, die bestimmte Kommunikationsanforderungen erfüllen und einen bestimmten Grad an Emotionalisierung erreichen oder eben nicht. Diese Stile lassen sich relativ zielsicher an-hand des benutzen Vokabulars und der Grammatik bestimmen und unterschiedlichen Charakteren von Sprechern bzw. Kommunikationssituationen zuordnen.
Hieraus haben wir bei der ro11 GmbH eine Stil-Typologie mit festen sprachlichen Kriterien erarbeitet, die es ermöglicht das Potenzial für den Ist- oder Soll-Content von Webseiten festzustellen. Einfacher ausgedrückt: man kann errechnen, ob ein Verkäufer mit seinen Texten den Ton trifft, den er gerne treffen möchte. Es geht hierbei NICHT darum, so emotional wie möglich zu werden und mit allerhand Superlativen zu hantieren – vielmehr soll der für die Zielgruppe, das Produkt oder die Marke angemessenen Grad an Emotionalität gefunden und umgesetzt werden.
Man denke an Zalando, wo die Verkäuferin einen Liebesbrief an die von ihr verkauften Schuhe schreibt und so ihr Produkt hochemotional in Szene setzt! Zu diesem Produkt und der Zielgruppe passt ein dermaßen emotionalisierter Text. Für ein Versicherungsunternehmen, welches komplexe beratungsintensive Produkte verkauft, müsste man sich womöglich eine andere Verkäuferpersona zulegen und diese sprachlich repräsentieren.
Verkäuferpersonas unterscheiden sich in diversen Kriterien: Sind sie mit ihrem Kunden auf du & du oder pflegen sie ein distanziert-professionelles Verhältnis? Sind sie Experten für ein kompliziertes Produkt, das exakte Beschreibung benötigt oder eher freundschaftliche Enthusiasten, die begeistern möchten? Wollen sie den Kunden führen oder ihm alle Freihei-ten und Wahlmöglichkeiten bieten? Geraten sie gerne ins Plaudern oder fassen sie sich gern kurz? Sind sie auf Monolog oder Dialog aus? – All dies gilt es zu beachten, wenn eine authentische Verkäuferpersona geschaffen werden soll.
Hierbei sind Wahrnehmung und Inszenierung zwei Seiten derselben Medaille. Der Verkäufer inszeniert, der Käufer nimmt wahr. Manchmal stimmen Selbst- und Fremdbild überein, manchmal nicht. Spätestens, wenn man merkt, dass die Message bei den Kunden nicht ankommt, sollte man sich überlegen, woran es liegt. Eine emotionale Sprachanalyse kann hier einen ersten Anhaltspunkt liefern.
Welche Kommunikationsstile gibt es nun? Wir haben insgesamt neun verschiedene, typische Stile anhand von lexikalischen und grammatischen Merkmalen identifizieren können, die über solche veralteten, recht allgemeinen Labels wie „Werbesprache“ hinaus gehen.
• Erzählend: Typ Großmutter
• Informierend-neutral: Typ Nachrichtensprecher
• Informierend-spezial: Typ Wissenschaftler
• Informierend-enthusiastisch: Typ Sportreporter
• Appellierend: Typ Demagoge
• Assoziierend: Typ Laut-Denker
• Instruierend: Typ Trainer
• Meinungsgebend: Typ Consultant
• Kontaktorientiert: Typ Lifestyle-Journalist
Die Stile unterscheiden sich darin, ob man ein Gegenüber direkt anspricht oder eher einen (nach innen oder außen gerichteten) Monolog hält, wie stark die Sprache am mündlichen Sprachgebrauch angelehnt ist, wie bildlich oder komplex sie ist und ob sie neutral oder wertend ist. Gerade für das Marken-Image ist es immens wichtig, welchen Typ Sprecher man repräsentiert. Relativ unbewusst wählen bereits viele Unternehmen einen passenden Stil aus, diese Wahl wird jedoch nicht immer durch das gezielte Benutzen von Vokabular oder bestimmten Kommunikationsweisen realisiert. Es geschieht eher „aus dem Bauch raus“. Wird ein unpassender Stil gewählt, hat man oft schon das „Gefühl“, dass da irgendetwas nicht passt, kann aber schwer benennen was und warum. Wenn man die für jeden Stil repräsentativen grammatischen und lexikalischen Eigenschaften jedoch systematisch auszählt, bekommt man ein genaues Bild davon, an welchen sprachlichen Schrauben man schleunigst drehen sollte.
Wie funktioniert das Ganze nun in der Anwendung und was bringt es, seine Verkäuferpersona emotional zu optimieren?
Der deutsche Markt ist voll von Diät-Shakes, die schnelles Abnehmen versprechen und sich höchstens in Eigenschaften wie Preis, Geschmack, Qualität der Zutaten und Einfachheit der Anwendung unterscheiden. Eine Versicherung über die Wirkung der Shakes kann wohl keiner der Hersteller zu 100% abgeben. Da eigentlich alle Produkte ähnlich funktionieren (Pulver und Flüssigkeit zusammenrühren und anstelle einer Mahlzeit einnehmen) kann man sich als Hersteller höchstens über die Wahrnehmung seiner Marke von der Konkurrenz absetzen.
Möchte man den gesundheitlichen Aspekt des Abnehmens in Szene setzen oder eher ein Lifestyle-Produkt verkaufen? Soll den Genuss beim Abnehmen betont werden oder die Einfachheit der Diät? Diese Faktoren bestimmen darüber, welche Verkäuferpersönlichkeit man wählen sollte, um bei der Zielgruppe emotional anzukommen.
In der Grafik unten ist dargestellt, welche Strategien unterschiedliche Diät-Drink-Hersteller wählen, um ihr Produkt sprachlich darzustellen und ihre Marke in Szene zu setzen. Die Markennamen der Hersteller wurden in der Grafik durch unterschiedlich gefärbte Kringel ersetzt. Die Firmen Hellblau und Schwarz setzen auf eine eher rationale, neutrale Be-schreibung ihrer Produkte und geben sich als Hersteller einen gewissen Anstrich von Expertentum und Seriosität.
Während Hersteller Schwarz sein Produkt auf recht neutrale Weise im Vokabular einer Ernährungsberatung beschreibt, gibt Hersteller Hellblau verstärkt Anweisungen, wie sein Produkt zu handhaben ist, wenn man einen gesunden, gestählten Traumkörper erreichen will. Hier wird der Kunde zur Interaktion aufgefordert (klicken!, bestellen!, ansehen!, entde-cken!, anmelden!, fragen!, sichern! etc.), was ganz gut zu dem sportlichen Fitness-Background passt, vor dem der Diät-Drink beworben wird.
Hersteller Rot setzt sein Produkt laut und aggressiv in Szene und vergisst nicht seinen absoluten Expertenstatus in der Branche zu untermauern, in dem er unermüdlich auf seine renommierten Partner, erhaltene Preise und Referenzen in den Medien hinweist. Hier wird der Eindruck eines Glamour-Produktes voller Superlative vermittelt.
Hersteller Grün und Violett versuchen die Kunden auf emotionale Weise auf ihre Seite zu ziehen. Hersteller Grün wartet mit bildreicher Sprache auf und spricht seine Kunden einfach und auf sehr persönlicher Ebene an. Im Zentrum der Strategie steht nicht das Produkt, sondern die abnehmwillige Person. Das äußert sich vor allem darin, dass viele Erfahrungsberichte und Kundenmeinungen rezitiert werden.
Hersteller Violett versucht ebenfalls eine emotionale Atmosphäre zu kreieren; diese wird jedoch um das Produkt, nicht um die Kunden gewoben. Hier wird der Diät-Drink als Wellness-Produkt verkauft.
Hersteller Orange, der den Markt neu betritt, hat zu Beginn einen recht neutralen Auftritt und weiß nicht genau, wie er sich positionieren soll. Eine emotionale Sprachanalyse gibt einen Hinweis, welche Kommunikationsstrategien überhaupt zur Verfügung stehen und welche von der Konkurrenz bereits genutzt werden. Auffallend ist, dass sich im linken oberen Feld der Grafik bisher keiner der Wettbewerber platziert hat. Die Verkaufsstrategie in diesem Sektor wird durch die Eigenschaften „direkte Ansprache“ und „empfehlend“ charakterisiert. Der dazugehörige Verkäufertyp wird in der Kategorisierung als „Lifestyle-Journalist“ bezeichnet. In diesem konkreten Falle stellen wir uns die Schreiberin oder Sprecherin eines Frauenmagazins vor, die auf leichte, lockere Art im Sinne einer „Freundin“ die abnehmwilligen Kunden im Alltag begleitet. Sprachlich wird Nähe vermittelt und ein vertraulicher Plauderton angeschlagen. Gemeinschaftliche Interessen in den Vordergrund gestellt.
Was bedeutet die in Bezug auf das Produkt und eine mögliche Vermarktungsstrategie? Der Ansatz „gemeinsam & vertraulich“ ist hier der Schlüssel. Kunden erhalten Tipps für tolle Rezepte, können sich mit Gleichgesinnten zusammenschließen und im Forum „quatschen“, gemeinsam mit den Experten die Diät durchstehen (denn Rückfalle sind normal) und den Alltag meistern. Der Hersteller geht bewusst mit seinen Kunden in den Dialog und motiviert sie. Abnehmen soll einfach sein, aber nicht wegen des Produktes selbst, sondern wegen der Beratung und Unterstützung, die über den Online-Auftritt zur Verfügung gestellt wird. Auf der Online-Plattform soll der Besucher verweilen, mitmachen, sich wohlfühlen – nicht nur kaufen.
Wie man sieht, kann man durch bewusste Emotionalisierung von Texten nicht nur sein Markenimage stärken, sondern aus der sprachlichen Ausrichtung Inspiration für ein ganzes Vermarktungskonzept ziehen. Wenn der Kommunikationsstil zum Produkt und zum weiteren Angebot passt, entsteht ein Online-Marketing-Konzept aus einem Guß, welches authentisch wirkt, weil es auf allen Ebenen, sogar in Vokabular und Grammatik, systematisch ausgeführt wird.
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