Ein Tag ohne Rechenzentren

Wie sähe ein Tag ohne die digitale Infrastruktur eines Rechenzentrums eigentlich aus?

Ein Gastartikel von ...

Jens-Peter Feidner
Jens-Peter Feidnerhttps://www.equinix.com/
Jens-Peter (JP) Feidner ist seit 2019 Managing Director für Equinix in Deutschland und verfügt über langjährige Erfahrung in der Rechenzentrumsbranche. Er kam 2014 als Finance Director für den deutschen Markt zu Equinix, 2017 wurde er der für die Unternehmensentwicklung in EMEA zuständige Senior Director. In seiner Rolle des Geschäftsführers ist er nun für den Ausbau des Geschäfts in Deutschland und die Festlegung der lokalen Strategie des Unternehmens verantwortlich.

Digitale Services sind längst fester Bestandteil unseres Alltags. Unsere Gesellschaft ist heute mehr denn je daran gewöhnt, ihren Alltag durch den Einsatz von Technologien zu erleichtern. Online Zugtickets kaufen, Navigationssysteme für den schnellsten Arbeitsweg nutzen, Streamingdienste in Anspruch nehmen oder auch online Lebensmittel einkaufen. All dies sind Beispiele, wie digitale Technologien unseren Alltag prägen. Doch nur wenige wissen, was dahintersteckt. Grundlage für die Vorzüge eines vernetzten Lebens ist eine digitale Infrastruktur. Diese muss in der Lage sein, den Bedarf an Kapazitäten zu decken, die stetig wachsenden Datenmengen, die generiert werden, zu speichern und möglichst in Echtzeit, auf direktem und sicherem Weg, auszutauschen. Doch wie sähe ein Tag ohne diese digitale Infrastruktur eigentlich aus?

Einrichtungen im Rechenzentrum
Ansiedlung alltagsrelevanter Einrichtungen im Rechenzentrum. © Equinix

Vernetzung im digitalen Zeitalter

So wie Verkehrsstraßen und Brücken unsere physische Infrastruktur bilden, bilden Rechenzentren wie die von Equinix die digitale Infrastruktur, auf der unsere moderne Wirtschaft und Gesellschaft aufgebaut sind. Unsere heutige Kommunikations- und Arbeitsfähigkeit ist zunehmend vom Internet abhängig, welches wiederum auf eine digitale Infrastruktur angewiesen ist. Ein Tag ohne eine digitale Infrastruktur, wäre demnach einem Tag ohne Internet gleichzusetzen. Im privaten Alltag hätte dies Auswirkungen auf unsere gesamte Tagesgestaltung.

Smartphones wären redundant, da die Daten, die wir bei Kommunikationsdiensten generieren oder in Anwendungen aufrufen, in Rechenzentren untergebracht, verarbeitet und ausgetauscht werden. Das Arbeiten aus dem Homeoffice wäre stark eingeschränkt, da Videocall-Dienste ihren hohen Traffic nur über Rechenzentren bewerkstelligen und auch die Geschwindigkeit von E-Mail- und Instant Messaging Programmen nur über direkte Verbindungen in Rechenzentren aufrechtzuerhalten sind. Serverkapazitäten für Terminbuchungsportale für Arztbesuche, Werkstattbesuche oder Bürgerämter sind ebenfalls in Rechenzentren untergebracht und unsere sensiblen Bankdaten im Onlinebanking werden verschlüsselt im Finanzökosystem bereitgestellt.

Die Vorzüge unseres heutigen Alltags beruhen auf einer Variable – Daten. Durch die fortgeschrittene Digitalisierung generieren wir tagtäglich neue Daten, welche ständig verarbeitet und analysiert werden müssen. Rechenzentren bieten eine Plattform, um diese schnell, sicher und insbesondere direkt, am öffentlichen Internet vorbei – über sogenannte Interconnection – zu verarbeiten. Nur so können digitale Services, die heute als selbstverständlich gelten, in Anspruch genommen werden.

Die analoge deutsche Wirtschaft

Nicht nur Privatpersonen sind heute zunehmend von den Vorzügen digitaler Services abhängig. Die gesamte deutsche Wirtschaft beruht mittlerweile auf der digitalen Infrastruktur, die die Rechenzentrumsbranche bereitstellt.

Rechenzentren werden von Unternehmen aller Branchen, aber auch von akademischen und politischen Einrichtungen, dem Gesundheitssystem und auch der Transportbranche wie Flughäfen und Bahnhöfen genutzt, um ihre Anwendungen und Daten unterzubringen, sodass Abläufe reibungslos sichergestellt werden können. Unternehmen aller Branchen vernetzen sich in Rechenzentren in digitalen Branchenökosystemen mit relevanten Cloud-Partnern, Dienstleistern und Kunden, um dort auf sicherem und direktem Weg geschäftskritische Daten auszutauschen. Die Verfügbarkeit dieser Verbindung stellt somit die Geschäftsfähigkeit aller beteiligten Unternehmen sicher.

Ein Beispiel, welches die Bedeutung der Vernetzung veranschaulicht, ist der seit der Pandemie rasant gestiegene Onlinehandel. Ein Kunde, der auf eine Händlerwebseite geht und ein Produkt zum Erwerb auswählt, wäre ohne das Händlerökosystem nicht in der Lage für die Ware zu zahlen, da der Zahlungsdienstleister und der Händler über das Ökosystem ihre Daten austauschen und so der Zahlungsvorgang vorgenommen werden kann. Gleichzeitig wäre der Händler nicht in der Lage, die Ware an den Logistiker zur Auslieferung zu geben, da dieser über das Ökosystem erst Zugriff auf die Kundendaten wie das gewählte Produkt und die Lieferadresse hat. Der Kunde kann somit keine Ware bestellen, bezahlen und bekommt demnach auch nichts geliefert. Die deutsche Wirtschaft würde ohne eine digitale Infrastruktur regelrecht stagnieren.

Auch die zunehmende Anwendung neuer Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) sorgen durch die enormen Datenmengen, die ihre Funktionalität erst ermöglichen, für weiteren Bedarf an digitaler Infrastruktur. Je mehr KI und Technologien wie Augmented oder Virtual Reality in Unternehmen und in unserem alltäglichen Leben verwendet werden, desto höher steigt der Bedarf an Rechenzentren. Die Nationale Strategie KI der Bundesregierung unterstreicht etwa die Rolle dieser Technologie für Deutschland, die ohne Rechenzentren nicht umgesetzt werden kann. Genauso wie auch Clouds physisch in Rechenzentren als Server stehen müssen, um Unternehmen den Zugang bereitzustellen.

Rechenzentren für das Klima

Entgegen kritischer Stimmen, der Stromverbrauch der Rechenzentrumsbranche sei für die Erreichung der Klimaziele nicht zuträglich, unterstützt die Branche Unternehmen, ihre Klimaziele zu erreichen. Unter anderem ersetzt die Rechenzentrumsbranche vorher bereits existente, alte und ineffiziente, interne Firmenrechenzentren, die ihre Daten in die Colocation verlagern. So sparen Unternehmen nicht nur Kosten für ihre eigene Infrastruktur, sondern können gleichzeitig Gebrauch von modernen Technologien der Branche machen, die die Effizienz steigern und somit ihre Klimaziele unterstützen.

Die Rechenzentrumsbranche hat durch starke Bemühungen enorme Fortschritte bei der Steigerung der eigenen Energieeffizienz gemacht. Laut einer Studie des Borderstep Instituts ist der Energieverbrauch von Rechenzentren zwischen 2010 und 2020 um rund 50% gestiegen. Gleichzeitig aber hat sich die Anzahl der installierten Workloads mehr als verachtfacht. Gemessen an den Workloads ist die Energieeffizienz der IT-Bereitstellung somit fast um das Fünffache gestiegen [1]. Weiterhin investiert die Branche kontinuierlich in neue und innovative Technologien. Dazu gehört die Nutzung von Flüssigkeitskühlung, Solaranlagen und die Weiterentwicklung der Abwärmenutzung zur Beheizung eigener Bürogebäude und in Zukunft, soweit städtische Wärmenetze es zulassen, die Beheizung umlegender Gebiete. 

Die Zukunft digitaler Infrastrukturanbieter

Der Fortschritt der Digitalisierung ist nicht mehr wegzudenken. Soweit die ambitionierten Digitalisierungs- und Innovationsziele der Bundesregierung in Deutschland gefördert werden sollen und die von der Wirtschaft und Gesellschaft generierten Datenmengen weiter zunehmen, wird die Nachfrage nach Rechenleistung weiter steigen. Allerdings hängt die Nutzbarkeit von Daten davon ab, wo sie generiert und bereitgestellt werden. Eine verteilte digitale Infrastruktur nah an den Orten, wo Daten entstehen, wird in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen. Dies ist insbesondere für Wirtschaftszweige wie das autonome Fahren wichtig, wo große Datenmengen an Edge Standorten bereitgestellt werden müssen, um Sicherheit und reibungslosen Betrieb von Fahrzeugen im Straßenverkehr sicherstellen zu können. Die Weiterentwicklung moderner Technologien wie Künstliche Intelligenz haben gezeigt, dass der Einsatz von Daten weiter an Bedeutung gewinnen wird und die Datenmengen immer größer werden. Ein Auto von Continental sammelt an einem Tag so viele Daten, wie ChatGPT zum Training nutzte!

So wird schnell klar, dass auch in Zukunft die Bereitstellung solider digitaler Infrastrukturen essenziell bleiben wird. Sowohl für die Digitalisierung als auch für den Klimaschutz, denn die Branche wird auch in Zukunft auf Energieeffizienz und Nachhaltigkeit setzen und weiter eine Vorreiterrolle im Hinblick auf Umwelt und Klimainnovationen einnehmen. Während immer mehr Prozesse automatisiert und ins Internet verlagert werden, ist ein CO²-neutrales Rechenzentrum essenziell, damit keine zusätzlichen Treibhausgase in der Atmosphäre landen.

[1] Borderstep Institut (2020): https://www.borderstep.de/wp-content/uploads/2021/03/Borderstep_Rechenzentren2020_20210301_final.pdf

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