Die KI-Transformation in deutschen und internationalen Unternehmen offenbart ein dramatisches Paradoxon: Während 99 Prozent der Führungskräfte künstliche Intelligenz als strategisch entscheidend einstufen, scheitern die meisten bei der praktischen Umsetzung. Der neue „Guide to Next 2026″ von Publicis Sapient zeigt in einer umfassenden Studie, dass nur 30 bis 40 Prozent der KI-Use-Cases unternehmensweit skaliert sind. Die nächsten 24 Monate entscheiden, wer in der KI-Ära führt und wer zur austauschbaren Commodity wird.
Wir von digital-magazin.de haben uns den aktuellen „Guide to Next 2026″ des Beratungsunternehmens Publicis Sapient genauer angesehen – und die Ergebnisse sind ernüchternd. Für die umfassende Studie zur KI-Transformation in Unternehmen wurden 540 Führungskräfte aus sieben Ländern befragt, darunter Deutschland, USA, Großbritannien und China. Der Fokus lag auf den Bereichen Automobil, Handel, Konsumgüter, Medien und Telekommunikation.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Während sich 99 Prozent der Automotive-Leader über die Bedeutung von In-Car-KI einig sind und 90 Prozent der Retail-Führungskräfte KI als strategische Priorität einstufen, sieht die Realität deutlich nüchterner aus. Nur 30 bis 40 Prozent der KI-Anwendungsfälle im Einzelhandel sind tatsächlich unternehmensweit implementiert. Bei Konsumgüterherstellern verfügen lediglich 13 Prozent über eine vollständig einheitliche KI-Strategie.
Matthias Schmidt-Pfitzer, Managing Director DACH bei Publicis Sapient, bringt es auf den Punkt:
Status-Quo-Strategien haben ausgedient. Die nächsten 24 Monate entscheiden, wer in der KI-Ära führt und wer zur Commodity wird. Unsere Studie zeigt die brutale Wahrheit: Hohe Ambitionen treffen auf schwache Exekution. Jetzt braucht es radikale Transformation und mutiges Leadership.
Matthias Schmidt-Pfitzer, Managing Director DACH bei Publicis Sapient
Diese Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit zieht sich durch alle untersuchten Branchen. Aktuelle Bitkom-Studien bestätigen den Trend: Zwar sehen 80 Prozent der deutschen Unternehmen KI als wichtigste Zukunftstechnologie, doch bei der praktischen Implementierung hapert es gewaltig.
Die Studie identifiziert vier zentrale Barrieren, die Unternehmen bei der KI-Transformation überwinden müssen. Diese Hürden sind branchenübergreifend und betreffen sowohl Großkonzerne als auch mittelständische Betriebe.
Die Datenbasis entscheidet über Erfolg oder Misserfolg jeder KI-Initiative – doch genau hier offenbart sich ein massives Problem. 61 Prozent der Telekommunikationsunternehmen geben an, dass technische Datenaltlasten die Innovation erheblich verzögern. Bei Konsumgüterherstellern haben nur 36 Prozent vollständig KI-bereite Produktdaten. Im Einzelhandel nennen 41 Prozent die Datenintegration als zentrale Herausforderung.
Das Problem sitzt tief: Viele Unternehmen haben über Jahre hinweg Datensilos aufgebaut, verschiedene Systeme ohne durchdachte Integrationsstrategie implementiert und sich nun eine beachtliche technische Schuld aufgebürdet. Die KI-Modelle können nur so gut sein wie die Daten, mit denen sie gefüttert werden – eine banale Erkenntnis, die in der Praxis jedoch oft ignoriert wird.
Der Fachkräftemangel im IT- und KI-Bereich entwickelt sich zur existenziellen Bedrohung für die digitale Transformation. Die Zahlen aus dem „Guide to Next 2026″ sind alarmierend: 43 Prozent der Automobilhersteller und Konsumgüterhersteller nennen fehlende Software- und KI-Skills als zentrale Barriere. Im Medienbereich berichten 41 Prozent von gravierenden Kompetenzlücken, im Einzelhandel kämpfen 36 Prozent mit Talentlücken.
| Branche | Talentmangel als Hauptbarriere | Zentrale Kompetenzlücken |
|---|---|---|
| Automobilindustrie | 43% | Software-Engineering, KI-Development |
| Konsumgüter | 43% | Data Science, KI-Strategie |
| Medien | 41% | AI-Content-Optimierung, Algorithmen |
| Einzelhandel | 36% | KI-gestützte Personalisierung, Analytics |
| Telekommunikation | ~31% | Network AI, Predictive Maintenance |
Diese Entwicklung wird durch aktuelle Bitkom-Erhebungen bestätigt: In Deutschland waren 2022 bereits 137.000 IT-Stellen unbesetzt – Tendenz steigend. Die KI-Transformation in Unternehmen wird zusätzlich dadurch gebremst, dass viele Fachkräfte nicht nur technisches Know-how, sondern auch Geschäftsverständnis mitbringen müssen.
Datenschutz und regulatorische Anforderungen stellen Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen. 52 Prozent der Medienunternehmen sehen Privacy-Regelungen als großes Hindernis, 47 Prozent der Automobilhersteller nennen regulatorische Hürden als Blocker für Kooperationen. Bei 42 Prozent der OEMs verhindert Datenschutz die Entwicklung datenbasierter Services.
Die EU-KI-Verordnung und verschärfte DSGVO-Anforderungen machen die Situation nicht einfacher. Unternehmen müssen einen Spagat schaffen: Einerseits sollen sie innovative KI-Lösungen entwickeln, andererseits dürfen sie dabei keine regulatorischen Grenzen überschreiten. Dieser Balanceakt erfordert spezialisierte Governance-Strukturen, die bei vielen Unternehmen noch nicht etabliert sind.
Ein oft unterschätztes Problem der KI-Transformation ist der schleichende Verlust der Markenidentität. Nur 48 Prozent der Einzelhändler geben an, dass ihre KI-Initiativen die Marke konsistent widerspiegeln. Lediglich 44 Prozent der Retailer messen die Markendifferenzierung als KPI in KI-Projekten – was im Umkehrschluss bedeutet, dass 56 Prozent dies nicht oder nur selten tun.
Besonders kritisch: Nur 31 Prozent der Konsumgüterhersteller sagen, dass ihre eigenen Inhalte als erste bei KI-Anfragen erscheinen. In einer Welt, in der Verbraucher zunehmend über KI-Assistenten wie ChatGPT oder Perplexity nach Produkten suchen, bedeutet dies einen massiven Wettbewerbsnachteil. Wer in den Ergebnissen von Agentic AI-Systemen nicht prominent platziert ist, wird schlicht nicht mehr wahrgenommen.
Die Studie zeigt deutlich, dass jede Branche mit spezifischen Hürden bei der KI-Einführung zu kämpfen hat. Digital-magazin.de hat die wichtigsten Erkenntnisse zusammengefasst.
Die Automobilindustrie steht vor einem fundamentalen Umbruch. Während 99 Prozent der Führungskräfte In-Car-KI für extrem wichtig halten, fehlt es 43 Prozent der Hersteller an grundlegenden Software- und KI-Kompetenzen. Die Branche, die jahrzehntelang von mechanischem Engineering dominiert wurde, muss sich zu einem Software-getriebenen Unternehmen wandeln – eine Transformation, die vielen traditionellen OEMs schwerfällt.
Hinzu kommt, dass 47 Prozent regulatorische Hürden als Blocker für notwendige Kooperationen mit Tech-Unternehmen nennen. Die Autoindustrie muss lernen, in Ökosystemen zu denken und Partnerschaften einzugehen – eine kulturelle Herausforderung für eine Branche, die traditionell auf Eigenentwicklung setzt.
Im Einzelhandel offenbart sich das KI-Paradoxon besonders deutlich. 90 Prozent stufen KI als strategische Priorität ein, 78 Prozent sind überzeugt, ihre KI sei differenzierend – doch nur 30 bis 40 Prozent der Use Cases sind tatsächlich unternehmensweit skaliert. Das Problem: Viele Retailer bleiben in der Pilotphase stecken und schaffen den Sprung zur flächendeckenden Implementierung nicht.
Die Gründe sind vielfältig: 41 Prozent kämpfen mit Datenintegrationsproblemen, 36 Prozent mit Talentlücken. Viele Handelsunternehmen unterschätzen den Aufwand, der nötig ist, um KI-Systeme von der Proof-of-Concept-Phase in den produktiven Betrieb zu überführen.
Bei Konsumgüterherstellern fehlt es an grundlegender strategischer Ausrichtung: Nur 13 Prozent haben eine vollständig einheitliche KI-Strategie. Gleichzeitig verfügen nur 36 Prozent über vollständig KI-bereite Produktdaten, und lediglich 39 Prozent unterhalten ein dediziertes Team für KI-gestützte Produktdarstellung.
Das Ergebnis: Nur 31 Prozent der CPG-Unternehmen sagen, dass ihre eigenen Inhalte als erste bei KI-Anfragen erscheinen. In einer Zeit, in der Verbraucher zunehmend KI-Assistenten für Kaufentscheidungen nutzen, bedeutet dies einen massiven Wettbewerbsnachteil. Wer nicht in den Antworten von ChatGPT, Claude oder Perplexity auftaucht, verliert Marktanteile.
Im Medienbereich nutzen bereits 60 Prozent der Werbeausgaben KI-Algorithmen zur Optimierung – ein beeindruckender Wert. Doch 52 Prozent der Unternehmen sehen Privacy-Regelungen als großes Hindernis, und 41 Prozent berichten von gravierenden Kompetenzlücken. Bei Telekommunikationsanbietern verzögern in 61 Prozent der Fälle technische Datenaltlasten die Innovation erheblich.
Diese Legacy-Probleme sind nicht trivial: Viele Medien- und Telco-Unternehmen schleppen IT-Systeme mit sich herum, die teilweise Jahrzehnte alt sind. Die Integration moderner KI-Lösungen in diese gewachsenen Strukturen gleicht oft einem digitalen Albtraum.
Der „Guide to Next 2026″ warnt eindringlich vor einem neuen Phänomen: Agentic AI – also KI-Systeme, die autonom Entscheidungen treffen und Handlungen ausführen können – entwickelt sich zur neuen technischen Schuld. Während Unternehmen sich noch mit der Implementierung klassischer KI-Anwendungen abmühen, steht bereits die nächste Welle vor der Tür.
Agentic AI-Systeme unterscheiden sich fundamental von bisherigen KI-Anwendungen. Sie agieren nicht mehr nur als Assistenten, die Vorschläge machen, sondern treffen eigenständige Entscheidungen, koordinieren Prozesse über Abteilungsgrenzen hinweg und passen ihr Verhalten dynamisch an. Diese autonomen Systeme erfordern völlig neue Governance-Strukturen.
Das Problem: Die meisten Unternehmen haben noch nicht einmal grundlegende KI-Governance etabliert. Nur 23 Prozent der von Deloitte befragten Führungskräfte fühlen sich in Bezug auf Risiken, Governance und regulatorische Fragen gut vorbereitet. Für Agentic AI braucht es aber deutlich ausgefeiltere Kontroll- und Steuerungsmechanismen. Unternehmen müssen jetzt handeln, um nicht erneut in die Falle der technischen Schuld zu tappen.
Ein besorgniserregender Trend, den der Report aufdeckt, ist das Verschwinden von Einstiegspositionen. KI-Systeme übernehmen zunehmend Aufgaben, die traditionell von Junior-Mitarbeitern ausgeführt wurden: Datenanalyse, Recherche, einfache Programmieraufgaben, Erstellung von Präsentationen und Reports.
Die Konsequenz: Unternehmen stellen weniger Berufseinsteiger ein, weil deren klassische Aufgaben automatisiert werden. Gleichzeitig fehlt es aber genau an diesen Einstiegspositionen, um Nachwuchskräfte zu entwickeln, die später zu Senior-Experten werden. Es entsteht ein Teufelskreis: Die KI-Transformation frisst die Talentpipeline auf, die für erfolgreiche KI-Transformation notwendig wäre.
Unternehmen müssen neue Modelle finden, um junge Talente zu entwickeln. Apprenticeship-Programme, Rotationen und projektbasiertes Lernen könnten klassische Einstiegspositionen ersetzen. Wer hier nicht umdenkt, steht in einigen Jahren ohne Fachkräfte da – unabhängig davon, wie gut die KI-Systeme funktionieren.
Die Studie macht deutlich: Abwarten ist keine Option mehr. Die nächsten 24 Monate entscheiden über die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen. Wir von digital-magazin.de haben die wichtigsten Handlungsempfehlungen zusammengefasst:
1. Daten-Governance als Fundament etablieren: Ohne saubere, integrierte und KI-bereite Daten ist jede Transformation zum Scheitern verurteilt. Unternehmen müssen in Datenmigration, Datenbereinigung und moderne Data Platforms investieren – auch wenn dies kurzfristig teuer ist.
2. Talentaufbau als strategische Priorität: Der Fachkräftemangel löst sich nicht von selbst. Unternehmen müssen in Weiterbildung investieren, attraktive Arbeitsbedingungen schaffen und neue Rekrutierungswege gehen. Auch die Zusammenarbeit mit Hochschulen und die Etablierung eigener Ausbildungsprogramme sind entscheidend.
3. Agentic AI-Governance aufbauen: Wer jetzt nicht die Grundlagen für die Steuerung autonomer KI-Systeme legt, wird in zwei Jahren massiv hinterherhinken. Das bedeutet: Ethik-Richtlinien definieren, Kontrollmechanismen etablieren, Verantwortlichkeiten klären und Testverfahren entwickeln.
4. Von Piloten zur Skalierung: Viele Unternehmen bleiben in der Experimentierphase stecken. Es braucht klare Entscheidungen, welche Use Cases priorisiert werden, und dann die konsequente unternehmensweit Umsetzung – auch wenn das bedeutet, dass andere Projekte gestoppt werden müssen.
5. Markenidentität in KI-Ökosystemen sichern: Unternehmen müssen aktiv daran arbeiten, in den Antworten von KI-Assistenten präsent zu sein. Das bedeutet: hochwertige Inhalte erstellen, strukturierte Daten bereitstellen und Partnerschaften mit KI-Plattformen eingehen.
Video-Tipp:
Video-Quelle: noack.digital / youtube.com
Das größte Problem ist die Diskrepanz zwischen Ambition und Exekution. Während nahezu alle Führungskräfte KI als strategisch wichtig einstufen, scheitern 60 bis 70 Prozent der Unternehmen bei der unternehmensweiten Skalierung. Die vier Haupthürden sind: mangelnde Datenqualität, akuter Talentmangel, Compliance-Anforderungen und der Verlust der Markenidentität.
Eine vollständige KI-Transformation ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Realistische Zeiträume liegen bei 24 bis 36 Monaten für erste unternehmensweite Implementierungen. Entscheidend sind die nächsten 24 Monate, in denen sich zeigt, welche Unternehmen die Transformation erfolgreich meistern und welche zu austauschbaren Anbietern werden.
Agentic AI bezeichnet KI-Systeme, die autonom Entscheidungen treffen und Handlungen ausführen können, ohne ständige menschliche Kontrolle. Im Gegensatz zu klassischen KI-Assistenten agieren sie selbstständig, koordinieren Prozesse über Abteilungen hinweg und passen ihr Verhalten dynamisch an. Diese Systeme erfordern völlig neue Governance-Strukturen und werden zur nächsten großen Herausforderung für Unternehmen.
Alle untersuchten Branchen stehen vor massiven Herausforderungen, aber besonders betroffen sind: die Automobilindustrie (43% nennen fehlende Software-Skills als Hauptproblem), der Einzelhandel (nur 30-40% der Use Cases sind skaliert), Konsumgüterhersteller (nur 13% haben eine einheitliche KI-Strategie) sowie Medien und Telekommunikation (61% kämpfen mit Legacy-Systemen).
Unternehmen müssen mehrgleisig fahren: Weiterbildung bestehender Mitarbeiter, Zusammenarbeit mit Hochschulen, attraktive Arbeitsbedingungen schaffen, flexible Arbeitsmodelle anbieten und neue Rekrutierungswege gehen. Auch Quereinsteiger-Programme und die Zusammenarbeit mit spezialisierten Bildungseinrichtungen können helfen. Wichtig ist, dass Unternehmen KI-Talent nicht nur einkaufen, sondern selbst entwickeln.
Die Hauptgründe sind: unzureichende Datenintegration (41% im Retail), fehlende unternehmensweite Strategie (nur 13% bei Konsumgütern haben eine), mangelnde Governance-Strukturen, unterschätzte Change-Management-Anforderungen und fehlende Ressourcen für den Übergang vom Pilotprojekt zur Produktion. Viele Unternehmen investieren zu viel in Experimente und zu wenig in die systematische Skalierung erfolgreicher Use Cases.
Die Ergebnisse des „Guide to Next 2026″ machen eines deutlich: Inkrementelle Verbesserungen reichen nicht mehr aus. Die KI-Transformation in Unternehmen erfordert mutiges Leadership, radikale Entscheidungen und die Bereitschaft, etablierte Prozesse grundlegend zu überdenken.
Unternehmen, die jetzt handeln, können sich entscheidende Wettbewerbsvorteile sichern. Diejenigen, die weiter zögern oder sich in endlosen Pilotprojekten verlieren, riskieren, zu austauschbaren Anbietern zu werden. Die Technologie ist vorhanden, die Use Cases sind bekannt – es fehlt nur noch an der konsequenten Umsetzung.
Der vollständige „Guide to Next 2026″ von Publicis Sapient steht auf der Unternehmenswebsite kostenfrei zum Download bereit und bietet detaillierte Einblicke in acht branchenspezifische Zukunftsszenarien sowie konkrete Handlungsempfehlungen für Führungskräfte.
Die nächsten zwei Jahre werden zeigen, welche Unternehmen die KI-Transformation erfolgreich meistern und welche im digitalen Zeitalter zurückbleiben. Die Weichen werden jetzt gestellt – und die Zeit für Entscheidungen wird knapp.
Um Ihnen ein optimales Erlebnis zu bieten, verwenden wir Technologien wie Cookies, um Geräteinformationen zu speichern und/oder darauf zuzugreifen. Wenn Sie diesen Technologien zustimmen, können wir Daten wie Ihr Surfverhalten oder eindeutige IDs auf dieser Website verarbeiten. Wenn Sie Ihre Zustimmung nicht erteilen oder widerrufen, können bestimmte Merkmale und Funktionen beeinträchtigt werden.