Die globale Klimakrise und der damit verbundene gesellschaftliche und regulatorische Druck haben Unternehmen aller Größenordnungen veranlasst, ihre Treibhausgasemissionen systematisch zu erfassen und zu reduzieren. Besonders für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) stellt die Erfassung des Corporate Carbon Footprint (CCF) eine Herausforderung dar, da oft nicht die personellen und finanziellen Ressourcen großer Konzerne zur Verfügung stehen. Ziel dieses Blogs ist es, einen fundierten Überblick über den Corporate Carbon Footprint zu geben und praxisnahe, vereinfachte Methoden zur Berechnung für KMU aufzuzeigen.
1. Definition und Bedeutung des Corporate Carbon Footprint
Der Corporate Carbon Footprint bezeichnet die Gesamtheit der durch unternehmerische Aktivitäten verursachten Treibhausgasemissionen, gemessen in CO₂-Äquivalenten (CO₂e). Er umfasst alle relevanten Emissionen entlang der Wertschöpfungskette und wird üblicherweise in drei Kategorien (Scopes) unterteilt:
- Scope 1: Direkte Emissionen, die aus Quellen stammen, die von dem Unternehmen selbst kontrolliert werden (z. B. Verbrennung fossiler Brennstoffe in firmeneigenen Fahrzeugen oder Heizungen).
- Scope 2: Indirekte Emissionen aus der Erzeugung von zugekaufter Energie, wie Strom, Wärme oder Dampf.
- Scope 3: Weitere indirekte Emissionen, die entlang der gesamten Wertschöpfungskette anfallen (z. B. Geschäftsreisen, Lieferkettenaktivitäten oder die Nutzung von Produkten durch Endverbraucher).
Für KMU ist häufig der Fokus auf Scope 1 und Scope 2 besonders relevant, da diese Emissionen relativ gut erfassbar sind. Dennoch sollten auch wesentliche Scope-3-Emissionen – sofern signifikant – berücksichtigt werden, um ein vollständiges Bild der Umweltauswirkungen zu erhalten.
2. Relevanz der Emissionsberechnung für KMU
Die Erfassung des CCF bietet KMU mehrere Vorteile:
- Kostenmanagement und Effizienzsteigerung: Durch die Identifikation energieintensiver Prozesse können Einsparpotenziale aufgedeckt werden.
- Wettbewerbsvorteile: Ein transparenter Umgang mit Umweltauswirkungen kann Kunden und Geschäftspartner positiv stimmen.
- Regulatorische Compliance: Bereits in vielen Ländern werden Emissionsberichte zur Einhaltung gesetzlicher Vorgaben zunehmend zur Pflicht.
- Zugang zu Förderprogrammen: Unternehmen, die nachhaltige Strategien verfolgen, profitieren oft von speziellen Förderungen oder Steuervorteilen.
3. Herausforderungen bei der Berechnung in KMU
KMU stehen häufig vor spezifischen Herausforderungen:
- Datenverfügbarkeit: Detaillierte und qualitativ hochwertige Daten zu Energieverbrauch, Produktionsprozessen oder Geschäftsreisen sind nicht immer in geeigneter Form vorhanden.
- Ressourcenknappheit: Oft fehlt es an internen Experten oder externen Beratern, um komplexe Emissionsberechnungen durchzuführen.
- Komplexität der Scope-3-Emissionen: Die vollständige Erfassung von Scope-3-Emissionen kann für KMU oft unverhältnismäßig aufwändig sein.
Diese Herausforderungen erfordern den Einsatz von vereinfachten, aber dennoch robusten Berechnungsmethoden, die sowohl praktikabel als auch nachvollziehbar sind.
4. Vereinfachte Berechnungsmethoden für KMU
4.1. Schrittweise Vorgehensweise
Ein pragmatischer Ansatz für KMU gliedert sich in die folgenden Schritte:
- Erfassung der relevanten Aktivitäten:
Identifikation aller unternehmensbezogenen Aktivitäten, die potenziell Treibhausgase emittieren. Dies umfasst:- Energieverbrauch (Strom, Gas, Heizöl)
- Firmenfahrzeuge und Geschäftsreisen
- Produktionsprozesse und Abfallmanagement
- Datenbeschaffung:
Sammlung quantitativer Daten, z. B. aus Energielieferrechnungen, Kilometerabrechnungen oder Produktionsaufzeichnungen. Wo detaillierte Daten fehlen, können Durchschnittswerte oder branchenspezifische Annahmen herangezogen werden. - CO₂-Preise:
Der nationale Emissionshandel in Deutschland (nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz – BEHG) umfasst vor allem die Sektoren Wärme und Verkehr (u. a. Heizöl, Erdgas, Benzin, Diesel). Der Preis je Tonne CO₂ ist gesetzlich festgelegt und steigt bis 2027 stufenweise an. Danach soll ein Preiskorridor gelten.Offizielle Preise nach der (Stand 2023) geltenden BEHG-Regelung Jahr CO₂-Preis in EUR pro Tonne CO₂ 2021 25 2022 30 2023 30 (ursprünglich 35, Erhöhung jedoch verschoben) 2024 35 (ursprünglich 45, Erhöhung jedoch verschoben) 2025 45 (ursprünglich 55, Erhöhung jedoch verschoben) 2026 55 (ursprünglich 65, Erhöhung jedoch verschoben) ab 2027 Stufenweises Preissystem mit Mindest- und Höchstpreisen geplant, bevor ein vollständiger freier Handel (Auktionsverfahren) beginnt ab 2028 Korridor (aktuell noch nicht final festgelegt) Hinweis:
Ursprünglich sollte der Preis 2023 auf 35 EUR/t steigen, dies wurde jedoch um ein Jahr verschoben, sodass 2023 weiterhin 30 EUR/t gilt und erst 2024 auf 35 EUR/t angehoben wird. Ab 2027 ist ein gleitendes Preissystem mit Mindest- und Höchstpreisen geplant, bevor ein vollständiger freier Handel (Auktionsverfahren) beginnt. Konkrete Zahlen für 2028–2030 können sich noch ändern.
- Anwendung von Emissionsfaktoren
Für jede Aktivität wird ein entsprechender Emissionsfaktor angewendet, der in nationalen oder internationalen Datenbanken (z. B. Umweltbundesamt) verfügbar ist. Emissionsfaktoren sind in der Regel in kg CO₂e pro Einheit (kWh, Liter, km) angegeben. Die folgenden Emissionsfaktoren (direkte CO₂-Emissionen aus der Verbrennung) stammen aus Veröffentlichungen des Umweltbundesamts bzw. aus den gesetzlichen Anlagen zum BEHG (Emissionsfaktor-Verordnung). Sie können je nach Quelle leicht variieren. Für überschlägige Berechnungen werden häufig diese Richtwerte genutzt:Heizöl EL: ca. 2,66–2,68 kg CO₂ pro Liter
Diesel: ca. 2,64–2,65 kg CO₂ pro Liter
Benzin (Ottokraftstoff): ca. 2,32–2,33 kg CO₂ pro Liter
Strom (deutscher Durchschnittsmix): ca. 0,35–0,45 kg CO₂ pro kWh (stark abhängig vom aktuellen Strommix und Jahreswerten)Wichtige Anmerkung zu Strom:
Im nationalen Emissionshandel nach BEHG werden Heiz- und Kraftstoffe (u. a. Benzin, Diesel, Heizöl, Erdgas) bepreist. Strom unterliegt nicht dem BEHG, sondern dem EU-Emissionshandel (EU ETS). Der hier genannte Emissionsfaktor für Strom ist ein durchschnittlicher Wert für Deutschland und schwankt je nach Kraftwerkspark und Jahreszeit.
- Berechnung der Emissionen:
Multiplikation der Aktivitätsdaten mit den entsprechenden Emissionsfaktoren liefert die Emissionen der einzelnen Bereiche. Zur Veranschaulichung, wie hoch die CO₂-Kosten pro Liter werden können, hier eine einfache Beispielrechnung für das Jahr 2024 (CO₂-Preis = 35 EUR/t) anhand der Emissionsfaktoren: - Aggregation und Reporting:
Die berechneten Emissionen der einzelnen Bereiche werden zu einem Gesamtwert summiert. Es empfiehlt sich, eine transparente Dokumentation der Methodik und der verwendeten Daten sicherzustellen.
4.2. Nutzung von Standard-Tools und Leitfäden
Um den Prozess weiter zu vereinfachen, stehen speziell entwickelte Tools und Leitfäden zur Verfügung, die auf die Bedürfnisse von KMU zugeschnitten sind:
- Online-Tools:
Es existieren zahlreiche webbasierte Rechner, die den Anwender Schritt für Schritt durch den Berechnungsprozess führen. Beispiele sind vereinfachte Versionen des Greenhouse Gas Protocol oder nationale Plattformen, die oft kostenlos angeboten werden.
Beispiele:
scope3analyzer – Berechnen Sie Ihren Corporate Carbon Footprint
ecocockpit: Tool zur Treibhausgasbilanzierung – efa NRW
- Branchenspezifische Leitfäden:
Insbesondere Handelskammern oder Branchenverbände bieten Leitfäden und Best-Practice-Beispiele an, die auf die spezifischen Gegebenheiten der Branche eingehen. Beispiel:
https://www.ihk.de/aachen/innovation/energie/pcf-leitfaden-6220544
- Externe Beratung:
Für KMU, die interne Ressourcen nicht aufbringen können, besteht die Möglichkeit, externe Berater oder spezialisierte Dienstleister zu beauftragen. Auch hier existieren oftmals standardisierte Verfahren, die Kosten und Zeitaufwand minimieren.
4.3. Fokus auf wesentliche Emissionsquellen
Angesichts begrenzter Ressourcen empfiehlt es sich, zunächst die „Low-Hanging Fruits“ zu identifizieren – also jene Bereiche, in denen die Emissionen am höchsten sind oder in denen die Datenlage am besten ist. Oft entfallen diese auf den Energieverbrauch (Scope 2) und den Fuhrpark (Scope 1). Eine schrittweise Erweiterung auf weitere Bereiche (z. B. Scope 3) kann folgen, sobald erste Maßnahmen erfolgreich implementiert wurden.
5. Fallbeispiel: Anwendung einer vereinfachten Methode in einem fiktiven KMU
Ein mittelständisches Fertigungsunternehmen möchte seinen Corporate Carbon Footprint (CCF) berechnen. Die Vorgehensweise könnte wie folgt aussehen:
- Erfassung relevanter Daten:
- Jahresstromverbrauch: 50.000 kWh
- Verbrauch von Heizöl: 5.000 Liter
- Geschäftsreisen: 600 Liter (durchschnittlich per Diesel-Pkw)
- Emissionsfaktoren (Beispielwerte):
- Strom: 0,45 kg CO₂e/kWh
- Heizöl: 2,68 kg CO₂e/Liter
- Pkw: 2,65 kg CO₂e/Liter
- Berechnung:
- Strom: 50.000 kWh × 0,45 kg CO₂e/kWh = 22.500 kg CO₂e
- Heizöl: 5.000 Liter × 2,68 kg CO₂e/Liter = 13.400 kg CO₂e
- Geschäftsreisen: 600 Liter × 2,65 kg CO₂e/km = 1.590 kg CO₂e
- Gesamtemissionen (CCF):
- 22.500 kg CO₂e + 13.400 kg CO₂e + 1.590 kg CO₂e = 37.490 kg CO₂e
Dieses vereinfachte Beispiel zeigt, wie mit relativ einfachen Mitteln ein erster Überblick über die unternehmenseigenen Emissionen gewonnen werden kann.
Gemäß den Vorgaben des Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG) steigen die CO₂-Preise für die betrachtete Emissionsmenge Jahr für Jahr deutlich. Im vorliegenden Fallbeispiel liegen die Kosten bei 1.312,15 Euro für 2024, 1.687,05 Euro für 2025, 2.061,95 Euro für 2026 und 2.436,85 Euro für 2027. Diese Staffelung folgt dem gesetzlichen Prinzip, durch kontinuierlich höhere CO₂-Kosten Anreize zu setzen, den Verbrauch fossiler Energieträger zu reduzieren und verstärkt auf umweltfreundlichere Alternativen umzusteigen.
6. Fazit
Die Berechnung des Corporate Carbon Footprint ist ein zentraler Bestandteil moderner Nachhaltigkeitsstrategien. Für KMU, die häufig vor spezifischen Herausforderungen hinsichtlich Datenverfügbarkeit und Ressourcenknappheit stehen, gibt es jedoch praktikable und vereinfachte Methoden. Durch eine schrittweise Herangehensweise, die Nutzung standardisierter Tools und den Fokus auf wesentliche Emissionsquellen können auch kleinere Unternehmen eine aussagekräftige Emissionsbilanz erstellen. Dies bildet die Grundlage für weitere Maßnahmen zur Reduktion der Treibhausgasemissionen und stärkt letztlich die Wettbewerbsfähigkeit im zunehmend nachhaltigkeitsorientierten Marktumfeld.
Die hier skizzierten Ansätze bieten KMU einen praxisnahen Leitfaden, der einerseits wissenschaftlich fundiert ist und andererseits den pragmatischen Anforderungen kleinerer Unternehmen gerecht wird. Langfristig trägt eine transparente Emissionsberichterstattung nicht nur zum Umweltschutz bei, sondern schafft auch Vertrauen bei Kunden, Investoren und Geschäftspartnern.
Quellenangaben
- Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG)
- Volltext und Änderungen:
https://www.gesetze-im-internet.de/behg/
- Volltext und Änderungen:
- Gesetzesänderungen und CO₂-Preistabelle
- Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), Infos zum nationalen Emissionshandel:
https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Dossier/klimaschutz-nationaler-emissionshandel.html
- Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), Infos zum nationalen Emissionshandel:
- Emissionsfaktoren
- Umweltbundesamt (UBA), z. B. Publikation „Emissionsfaktoren für Energieträger“:
https://www.umweltbundesamt.de/themen/verkehr-laerm/emissionsdaten - Emissionsfaktor-Verordnung (Anlagen zum BEHG):
https://www.gesetze-im-internet.de/behg/__8.html (siehe Verweise auf Detailverordnungen)
- Umweltbundesamt (UBA), z. B. Publikation „Emissionsfaktoren für Energieträger“:
- Strom & EU-ETS
- Europäische Kommission, EU-Emissionshandel:
https://ec.europa.eu/clima/eu-action/eu-emissions-trading-system-eu-ets_de - EEX (European Energy Exchange), Börsenpreise für Emissionszertifikate:
https://www.eex.com/de/marktdaten/emissionsmarkt
- Europäische Kommission, EU-Emissionshandel: