Der klassische Einzelhandel steht vor seiner größten Herausforderung seit Jahrzehnten – doch die Lösung liegt nicht in der Verdrängung, sondern in der intelligenten Verknüpfung. Multi-Channel-Handel revolutioniert die Branche, indem er das Beste aus beiden Welten vereint: die emotionale Nähe des stationären Handels mit der Flexibilität des E-Commerce. Während viele Einzelhändler noch immer den Online-Handel als Bedrohung betrachten, zeigen aktuelle Studien: Nur die geschickte Kombination beider Kanäle führt zu nachhaltigem Erfolg.
Die Zeiten, in denen der E-Commerce als existenzielle Bedrohung für den stationären Handel galt, sind vorbei. Aktuelle Studien zeigen, dass sich das Konsumentenverhalten fundamental gewandelt hat: Kunden erwarten heute nahtlose Erlebnisse auf digitalen, sozialen und physischen Kanälen. Der Multi-Channel-Handel wird zur Notwendigkeit, nicht zur Option.
Nach dem HDE-Online-Monitor 2024 wurden erstmals mehr als 50 Prozent der Online-Umsätze über Marktplätze erwirtschaftet – ein neuer Rekord. Gleichzeitig prognostiziert der Handelsverband Deutschland (HDE) für 2025 beim stationären Einzelhandel ein reales Umsatzplus von 0,3 Prozent, während der Online-Handel um 2,0 Prozent wachsen wird. Diese Zahlen verdeutlichen: Beide Kanäle haben ihre Berechtigung und können erfolgreich koexistieren.
Der entscheidende Faktor liegt jedoch nicht in der isolierten Betrachtung beider Kanäle, sondern in ihrer strategischen Verknüpfung. Unternehmen, die auf Multi-Channel-Strategien setzen, können die spezifischen Stärken jedes Kanals optimal nutzen und gleichzeitig die Schwächen kompensieren.
Trotz jahrelanger Prophezeiungen über das Ende des stationären Handels zeigt die Realität ein differenzierteres Bild. Digital-native Marken, die ursprünglich ausschließlich online operierten, kehren verstärkt in den stationären Handel zurück. Die Gründe sind vielfältig und aufschlussreich.
Die steigenden Kosten für die Kundenakquise im digitalen Raum werden zu einer echten Herausforderung. Mit zunehmender Konkurrenz und verschärften Datenschutzbestimmungen wird es für Marken immer schwieriger und teurer, online neue Kunden zu gewinnen. Hier bieten stationäre Geschäfte eine kosteneffiziente Alternative, um direkt mit der Zielgruppe in Kontakt zu treten.
Ein gutes Beispiel hierfür ist das Buchsegment, in dem der E-Commerce zwar erhebliche Marktanteile gewonnen hat, aber dennoch Sättigungstendenzen sichtbar werden. Buchhändler vor Ort punkten durch die gemütliche Atmosphäre ihrer Läden und professionelle Beratung – Aspekte, die der reine Online-Handel nicht bieten kann.
Verbraucher suchen nach greifbaren Einkaufserlebnissen, die online nicht vollständig repliziert werden können. Das Nutzerverhalten zeigt deutlich, dass Multi-Channel-Lösungen bereits heute die Norm sind, auch wenn viele Händler dies noch nicht vollständig erkannt haben.
Typische Customer Journeys im Multi-Channel-Handel sehen heute so aus: Ein Kunde entdeckt ein Produkt in den sozialen Medien, informiert sich ausführlich im Online-Shop, besucht anschließend das Geschäft vor Ort, um das Produkt anzufassen und zu testen, und tätigt schließlich den Kauf – manchmal online, manchmal vor Ort. Diese nahtlose Verknüpfung verschiedener Touchpoints ist es, was moderne Verbraucher erwarten.
„Kunden erwarten 2025 eine noch höhere Vernetzung der Kanäle und nahtlose Erlebnisse auf digitalen, sozialen und physischen Kanälen.“
Retail-Experte Philipp Rohe, Managing-Partner der retailsolutions AG
Die Erfolgsmodelle des Multi-Channel-Handels sind vielfältig und bewähren sich bereits in der Praxis:
Interessant ist dabei, dass laut aktuellen Statista-Daten 20 Prozent der befragten Multichannel-Händler 2024 angaben, der Umsatzanteil ihres Online-Geschäfts liege bei unter einem Prozent. Dies zeigt, dass Multi-Channel-Handel nicht zwangsläufig bedeutet, dass beide Kanäle gleich stark sein müssen – es geht vielmehr um die intelligente Ergänzung.
Innovative Technologien wie Self-Checkout-Kassen und autonome Stores werden zum echten Gamechanger. Sie sorgen nicht nur für Komfort, sondern sind auch eine wichtige Komponente, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Bis 2030 wird rund jede fünfte Stelle im Handel unbesetzt bleiben – Multi-Channel-Strategien mit intelligenter Technologie können hier Abhilfe schaffen.
Augmented Reality (AR) hat sich 2024 als eine der wirkungsvollsten Technologien etabliert, um die Lücke zwischen virtuellem und physischem Shopping zu schließen. Kunden können Produkte virtuell testen, bevor sie eine Kaufentscheidung treffen – sei es beim Platzieren von Möbeln im eigenen Wohnraum oder beim Anprobieren von Kleidungsstücken.
Diese Technologien ermöglichen es dem stationären Handel, seine physischen Limitationen zu überwinden. Ist beispielsweise ein Poloshirt nur in einer Farbe pro Größe vor Ort verfügbar, kann VR/AR helfen, unterschiedliche Farben zu simulieren und das Sortiment digital zu erweitern.
2024 wurde ein Rekordwert erreicht: 55 Prozent der Online-Umsätze wurden über Smartphones erzielt. Diese Entwicklung unterstreicht die Bedeutung mobiler Lösungen für Multi-Channel-Strategien. Smartphones werden zur zentralen Schnittstelle zwischen den verschiedenen Kanälen.
Aktuelle HDE-Daten zeigen, dass sich das Wachstum im Online-Handel 2024 wieder beschleunigt hat (+3,8%), während der Online-Anteil am gesamten Einzelhandel auf 13,4 Prozent gestiegen ist.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Für 2024 berechnete der Handelsverband Deutschland einen Gesamtumsatz von rund 657,4 Milliarden Euro im Einzelhandel. Für 2025 rechnet der HDE im Online-Handel mit einem Umsatz von 92,4 Milliarden Euro – das entspricht einem Anteil von etwa 14 Prozent am Gesamtumsatz.
Diese Verteilung zeigt: Der stationäre Handel bleibt dominant, der Online-Handel wächst kontinuierlich. Multi-Channel-Strategien ermöglichen es Händlern, von beiden Entwicklungen zu profitieren und sich nicht für eine Seite entscheiden zu müssen.
Internationale Anbieter wie Temu werden immer stärker, halten sich jedoch oft nicht an EU-Regeln bezüglich Preisangaben, Webseitengestaltung, Produktsicherheit oder Steuerrecht. Dies bietet etablierten Händlern mit Multi-Channel-Strategien die Chance, sich durch Qualität, Service und lokale Präsenz zu differenzieren.
Kanal | Stärken | Herausforderungen | Multi-Channel-Lösung |
---|---|---|---|
Stationär | Beratung, Haptik, sofortige Verfügbarkeit | Begrenzte Öffnungszeiten, eingeschränktes Sortiment | Digitale Erweiterung des Sortiments, Online-Terminbuchung |
Online | 24/7 verfügbar, größeres Sortiment, Preisvergleich | Keine Beratung, keine Haptik, Lieferzeiten | Click & Collect, Live-Chat, Showrooms |
Mobil | Überall verfügbar, personalisiert | Kleine Bildschirme, komplexe Navigation | Location-based Services, QR-Codes im Geschäft |
Nachhaltigkeit und ethisches Handeln sind zu wichtigen Faktoren einer Kaufentscheidung geworden. Dies spiegelt sich auch in gesetzlichen Regularien, wie der Green Deal Initiative der EU, wider. Multi-Channel-Strategien können hier entscheidende Vorteile bieten.
Durch die intelligente Verknüpfung von Online- und Offline-Kanälen lassen sich Lieferwege optimieren, Retouren reduzieren und lokale Wirtschaftskreisläufe stärken. Zero Waste Packaging entwickelt sich zum Trend, mit dem Ziel, Rückgabe- und Mehrfachnutzungssysteme in den Lebensstil der Nutzenden zu integrieren.
Ein Multi-Channel-Ansatz ermöglicht es beispielsweise:
Die Prognose für den Fachkräftemangel fällt düster aus: 2030 wird rund jede fünfte Stelle im Handel unbesetzt bleiben. Dies stellt Multi-Channel-Händler vor besondere Herausforderungen, bietet aber auch Chancen für innovative Lösungen.
Chatbots und Texterkennungen helfen beim Bestellen, ChatGPT und andere KI-Tools erzeugen und korrigieren Artikeltexte sowie Produktbilder oder lesen Informationen aus Bildern aus. Diese Automatisierung ermöglicht es Händlern, mit weniger Personal mehr Kanäle zu bedienen.
Praktische Anwendungen umfassen:
Die Generation Z erkennt bereits den Mehrwert der In-Store-Technologien und nutzt diese. Der Handel steht vor der Aufgabe, auch die ältere Generation mit auf die Reise zu nehmen, durch Ansprechpersonen vor Ort oder verständliche Anleitungen.
Diese generationsspezifischen Anforderungen machen deutlich, warum Multi-Channel-Strategien so wichtig sind: Sie ermöglichen es, verschiedene Zielgruppen mit ihren jeweiligen Präferenzen optimal zu bedienen.
Die erfolgreiche Umsetzung einer Multi-Channel-Strategie erfordert einen durchdachten Ansatz. Statista-Daten zeigen, dass die erfolgreichsten Händler bestimmte Muster befolgen:
Ein ebenfalls beliebter Service ist es, dass eine Ware vor Ort begutachtet und gekauft und dann vom jeweiligen Anbieter nach Hause gebracht wird. Je umfassender und individueller der Multi-Channel-Vertrieb aufgezogen wird, desto mehr Kunden fühlen sich davon angesprochen.
Die Bewertung des Erfolgs einer Multi-Channel-Strategie erfordert neue Kennzahlen, die über die traditionellen Umsatzmessungen hinausgehen:
Der Trend bewegt sich weg von Einwegverpackungen hin zu Nachhaltigkeit und ethischem Handeln. Gleichzeitig ist Retail-as-a-Service (RaaS) ein aufkommendes Geschäftsmodell, das die Einzelhandelsinfrastruktur für Marken bereitstellt und verschiedene Dienstleistungen für Konsumenten anbietet.
Immersive Einkaufserlebnisse gewinnen zunehmend an Bedeutung. Kunden erwarten mehr als nur das bloße Stöbern in Regalen – sie suchen nach einzigartigen, interaktiven Momenten, die sie emotional an eine Marke binden.
Die Zukunft des Multi-Channel-Handels wird geprägt sein von:
Multi-Channel-Handel ist längst keine Option mehr, sondern eine Notwendigkeit für alle Einzelhändler, die langfristig erfolgreich sein wollen. Die Zeiten der reinen Online- oder Offline-Strategien gehören der Vergangenheit an. Die Zukunft gehört denjenigen Unternehmen, die verstehen, dass die intelligente Verknüpfung verschiedener Kanäle nicht nur Kundenwünsche erfüllt, sondern auch neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnet.
Die aktuellen Trends zeigen deutlich: Der Handel befindet sich in einer absoluten Transformationsphase. Händler, die jetzt die Weichen für eine durchdachte Multi-Channel-Strategie stellen, werden die Gewinner von morgen sein. Dabei geht es nicht darum, jeden Trend mitzumachen, sondern die für das eigene Geschäftsmodell und die eigene Zielgruppe passenden Kanäle intelligent zu verknüpfen.
Die Investition in Multi-Channel-Handel zahlt sich aus – sowohl für große Handelsunternehmen als auch für kleine Einzelhändler. Entscheidend ist dabei nicht die Größe des Unternehmens, sondern die Qualität der Umsetzung und die Fokussierung auf echte Kundenvorteile. Wer seine Kunden dort abholt, wo sie sind, und ihnen die Flexibilität bietet, die sie erwarten, wird auch in Zukunft erfolgreich sein.
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