Dieser Artikel soll bei der Aufklärung eines wichtigen Teilaspekts der MDR helfen, nämlich der Forderung nach einer transparenten Möglichkeit zur Rückverfolgung von Chargen- und Lotnummern. In den allermeisten Unternehmen ist die Chargenrückverfolgung eine Funktion der Warenwirtschaft oder des ERP Systems. Was muss also im Warenwirtschaftssystem getan werden, um eine MDR konforme Rückverfolgbarkeit zu gewährleisten?
Stichtag 26.05.2020 – Ein wichtiger Termin für alle Unternehmen aus der Medizinbranche
Genau an diesem Tag läuft die Übergangsfrist für das Inkrafttreten der „Medical device regulation“ (MDR) in Deutschland ab. Die von der EU in der MDR aufgestellten Forderungen werden dann für alle Unternehmen der Medizinbranche verpflichtend. Höchste Zeit also, sich mit dem Thema genauer zu beschäftigen, da diese neue Regelung für alle Unternehmen gilt,
⦁ die Hersteller von Medizinprodukten sind
⦁ die Importeure von Medizinprodukten sind
⦁ die mit Medizinprodukten handeln
Bevor wir auf die Prozesse der Warenwirtschaft eingehen, ist es zunächst nötig, die Grundlagen zu kennen. Basis für eine effiziente Rückverfolgbarkeit ist die Kennzeichnung der Medizinprodukte mit einer standardisierten Kennung (als Barcode), die alle benötigten Informationen enthält. Das verbindliche Schema für die Kennzeichnung von Medizinprodukten heißt „UDI“ und steht für „Unique Device Identification“ oder „Produktidentifizierungsnummer“.
Diese Produktidentifizierungsnummer muss zukünftig laut MDR auf allen Verpackungen von Medizinprodukten angegeben sein. Sie enthält unter anderem die Chargennummer des Produktes und ist somit Dreh- und Angelpunkt für die Gewährleistung der Rückverfolgbarkeit.
Was ist eigentlich eine Chargennummer/Lotnummer?
Die Bezeichnung „Lot“ (engl. für „Charge“), ist ein Produktmerkmal, welches den genauen Produktionsprozess kennzeichnet und das durch den Hersteller des Produkts vergeben wird. Über die Lotnummer lassen sich also die Einzelprodukte identifizieren, die im gleichen Produktionsprozess hergestellt worden sind. Bei produktionsbedingten Produktmängeln ist die Lotnummer das entscheidende Merkmal, die betroffenen Produkte zu finden und ggf. aus dem Verkehr zu ziehen.
So funktioniert die Produktkennzeichnung mit UDI
Was genau ist UDI?
UDI ist der Internationale Standard für eine einheitliche Produktkennzeichnung von Medizinprodukten. Die UDI Kennzeichnung muss zukünftig von allen Herstellern von Medizinprodukten verwendet werden und stellt alle Produktdaten, die für die Rückverfolgbarkeit benötigt werden, in einer einheitlichen, digital lesbaren Form bereit.
Die UDI enthält neben der normalen Artikelnummer oder des GTIN einige wichtige Zusatzinformationen. Alle diese Informationen sind zusammen in einem Barcode kodiert, meist als 2D Barcode von Type GS1-Datamatrix. Durch die maschinelle Lesbarkeit des Barcodes per Scanner können alle Informationen in einem Arbeitsgang ausgelesen und weiterverarbeitet werden. Dies bewirkt eine entscheidende Verbesserung der Genauigkeit und der Effizienz beim Handling von Medizinprodukten in der Warenwirtschaft und in der Logistik.
Praktisches Beispiel: Generierung von GS1-Datamatrix Barcodes mit Kontor R4
Vergleichen wir einmal die herkömmliche Produktkennzeichnung, wie sie heute noch bei den allermeisten Medizinprodukten verwendet wird:
Herkömmliche Produktkennzeichnung
Bei der Kennzeichnung von Medizinprodukten finden sich heute sehr häufig auf Produktverpackungen die Angabe zur PZN (Pharmazentralnummer) und ein MDH oder Verbrauchsdatum.
Die Nachteile dieser Art der Kennzeichnung für eine effiziente Rückverfolgbarkeit sind offensichtlich:
Zum einen sind die Angaben meist an unterschiedlichen Seiten der Verpackung angebracht und machen dadurch das Handling umständlicher.
Zum anderen sind Informationen zur Chargennummer und zum Verbrauchsdatum nicht maschinell lesbar und auch vom menschlichen Auge schwer oder nur mit einer Lupe zu entziffern.
Neue Produktkennzeichnung mit UDI
Der GS1 Standard zur Realisierung von UDI
In Deutschland ist die UDI-Kodierung mit GS1-Datamatrix oder GS1-128 Strichcode ein weit verbreiteter Standard:
Die UDI in diesem Besipiel enthält mehrere Unterinformationen. Beispiel:
Teil1: UDI-DI (GTIN)
Die GTIN identifiziert ein Produkt bezogen auf eine Verpackungsstufe. Ein Hersteller kann also u.U. mehrere GTINs für das gleiche Produkt verwenden, wobei nach Einzelverpackungen, Sammelverpackungen oder größeren Gebinden unterschieden wird. Die GTINS müssen vom Hersteller bei der zentralen Vergabestelle GS1 bestellt werden. Die 14-stellige GTIN in diesem Beispiel ist „09501101530003“.
Teil2: UDI-PI (Charge und Verbrauchsdatum)
Die UDI-PI kann wie in diesem Beispiel Informationen über die Chargennummer und das MHD enthalten aber auch viele weitere, wie Produktionsdatum, Softwareversion, Seriennummer. In diesem Beispiel lauten die Werte für MHD und Charge „230810“ und „CCC001“.
Praktisches Beispiel: Buchung von Lagerbeständen mit Chargen GS1-Datamatrix Barcode
Nutzung von UDI in der Warenwirtschaft
Produkte, die mit einem UDI Barcode kennzeichnet sind, bringen für die Warenwirtschaft mehrere Vorteile mit sich:
– Alle in der UDI enthaltene Informationen lassen sich mit einem Barcode-Scan erfassen
– Dadurch höhere Geschwindigkeit beim Handling
– Vermeidung von Fehlern durch manuelle Eingaben
Im Folgenden werden nun die wichtigsten Prozesse in der Warenwirtschaft betrachtet, in denen das MDR konforme Chargenhandling auftritt.
Wichtige MDR relevante Prozesse in der Warenwirtschaft
Etikettierung – Gewährleistung einer korrekten Etikettierung der Medizinprodukte mit einem UDI-Barcode
Als Hersteller von Medizin-Produkten oder ggf. auch als Importeur sind Sie für die korrekte Etikettierung der Ware einem UDI-Code verantwortlich. Die Etikettierung sollte möglichst eng in den Produktionsprozess integriert werden, um Fehler an Schnittstellen zu vermeiden. Um selbst gültige UDI-Barcodes erzeugen zu können, müssen Sie für Ihr Unternehmen ein Barcodenummernkontingent bestellen. Sie erhalten dann einen Nummernkreis von z.B. 10000 GTIN-Nummern. Diese GTINs müssen dann den Produkten zugeordnet werden. Wenn Sie das Produkt in unterschiedlichen Verpackungsstufen verwenden, kann für jede Verpackungsstufe ein eigener GTIN zugeordnet werden.
Warengang – Erfassung der UDI-Barcodes beim Anliefern von Ware
Beim Wareneingang ist die Erfassung der eingehenden Ware über die UDI-Barcodes sehr komfortabel. Ihr Warenwirtschaftssystem kann automatisch erkennen, um welche Produkte und Chargennummern es sich handelt. Neue Chargen werden bei diesem Prozess automatisch erstellt und abweichende MHDs registriert.
Je nach Beschaffenheit des Lagers und des Wareneingangsprozesses kommen bei diesem Vorgang unterschiedliche Arten von Barcodescannern zum Einsatz:
Warenausgang – Zuordnung der UDI-Informationen beim Versanden der Ware
Die Erfassung der Chargen beim Warenausgang ist der für die spätere Rückverfolgbarkeit wichtigste Schritt. Vor dem Erstellen des Lieferscheins sind in der Warenwirtschaft alle Chargeninformationen zu erfassen, die das Lager verlassen. Auch hier gibt es je nach Lagersituation unterschiedliche Wege:
- Wenn Sie im Lager in der Kommissionierung mobile Datenerfassungsgeräte einsetzen, kann die Chargenerfassung direkt über die Kommissionierung geschehen.
- Eine andere Möglichkeit ist es, die Chargeninformation im Anschluss an die Kommissionierung separat zu erfassen. Dies ist ein wegen des aufwändigeren Handlings natürlich nicht ganz so effizient.
Mit der Erfassung der Chargeninformationen können diese natürlich auch auf den Lieferschein oder die Rechnung als Zusatzinformation gedruckt werden.
Rückverfolgung und Überwachung von MHDs
Über die Registrierung der eingehenden und ausgehenden Chargen ist es über das Warenwirtschaftssystem zu einem späteren Zeitpunkt möglich, diese Informationen für die Rückverfolgung zu übernehmen. Dabei können z. B. folgenden Informationen interessant sein:
- Wann und von welchen Lieferanten wurde eine bestimmte Charge bezogen?
- Wann und an wen wurde eine bestimmte Charge ausgeliefert?
- Welche Lagerbestände einer Charge mit welchen MDSs sind momentan vorrätig?