Die Versicherungsbranche hat sich mit digitalen Kommunikationsmitteln an den eigenen Haaren aus dem Schlamm gezogen
Wir feiern den digitalen Kundenkontakt – doch: Videokonferenzen gab es schon in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts. Chatsysteme sind weltweit verbreitet, seit die israelische Firma Mirabilis im Jahr 1996 das Produkt „ICQ“ gelauncht hat. Konfiguratoren für Produkte sind Standardausstattung von Online-Shops, zumindest seit Mitte der Nuller Jahre, und ähnlich lange sind auch digitale Signaturen rechtssicher zugelassen.
Unternehmen, die viel auf Kundenkontakte angewiesen sind – und dies betrifft jeden, der irgendwie Handel betreibt – versuchen schon seit Jahren, diese digitalen Mittel zur Verkaufsförderung einzusetzen. Hie und da gelingt dies, und alle Beteiligten freuen sich, wenn die Automatisierung greift, und für Umsätze sorgt. Nur: ein echter Durchbruch ist noch nicht zu verzeichnen. Außer in einer Branche.
Anlagen und Versicherungen gehen voran bei der Digitalisierung
Versicherungen sind ein beratungsintensives Produkt, aber keineswegs so komplex, wie zum Beispiel ein Trecking-Bike oder eine Ski-Ausrüstung. Dennoch ist es in der allgemeinen Wahrnehmung bisher selbstverständlich gewesen, dass eine Versicherung nur verkauft wird, wenn zuvor ein persönliches Beratungsgespräch stattgefunden hat. Gleichzeitig werden alle möglichen Dinge – bis hin zu Kleidern, die man eigentlich mit viel Geduld und Muße anprobieren sollte, bevor man sie kauft – von den Menschen bereitwillig über Online-Shops gekauft. Es ist wahrlich ein kleiner Widerspruch.
Blicken wir zurück auf den April des Jahres 2020, und die rasche Ausbreitung einer bis dato unbekannten Atemwegserkrankung. In Ermangelung einer sinnvollen Strategie verhängte die Bundesregierung zur Pandemiebekämpfung drastische Maßnahmen, inklusive Kontaktverboten und Ausgangssperren. Für Unternehmen, die auf direkten Kontakt mit ihren Kunden angewiesen waren, kam dies als ein KO-Schlag – auch, wenn eilig Ausgleichs- und Hilfszahlungen versprochen wurden.
Hotellerie und Gastronomie waren als erste betroffen, doch auch die Anlagen- und Versicherungsberater standen vor dieser Situation. Statt sich aber dem Schicksal zu fügen, setzte die Branche auf Digitalisierung und Modernisierung.
Eine Studie zeigt die Reaktion auf die Maßnahmen auf
Die Agentur Marco Mahling aus München wollte der Situation auf den Grund gehen, und gab eine Studie in Auftrag, bei der mehr als 3000 Agenturen und Ein-Mann-Beratungsstellen zu Corona und den Folgen für die Geschäfte befragt wurden. Niemand wäre überrascht gewesen, wenn es einen einhelligen Tenor gegeben hätte: Die Branche liegt am Boden, dank einer grundlegend falschen Politik.
Umso überraschender war es, als die Antworten der Befragten ausgewertet waren, und sich ein ganz anderes Ergebnis abzeichnete. Gleich vorweg: Es war keine Kakophonie des Jammerns und des Klagens, sondern das Gegenteil davon. Die Branche hatte sich stattdessen in relativ kurzer Zeit auf kontaktlose Kundengespräche, und die elektronische Abwicklung von Aufträgen eingestellt.
„Alles gutgegangen!“ – dank der digitalen Werkzeuge
Teilnehmer der Studie berichteten größtenteils, dass Gespräche per Videoübertragung von den meisten Kunden problemlos angenommen wurden. Dass schriftliche Informationen per E-Mail übermittelt werden können, war schon am Anfang keine Neuigkeit mehr. Kurze Zwischenfragen, kleine Anfragen oder Interessensbekundungen stellten die Kunden per Chatfenster auf der Webseite der Versicherer – auch damit hatte niemand wirkliche Schwierigkeiten. Die finsteren zwei Jahre schienen dem Geschäft also keinen Abbruch getan zu haben. Die Kommunikation blieb am Laufen.
Insgesamt registrierten die Befragten zudem deutlich weniger Fälle, in denen Zahlungen nicht geleistet werden konnten, als zu erwarten gewesen wären. Durch Kurzarbeit oder Arbeitsverlust, oder durch Stillstand des eigenen Unternehmens, wäre es keine Überraschung, etliche Kunden in Zahlungsschwierigkeiten zu sehen. Doch so schlimm kam es einfach nicht. Auch Kündigungen, Stundungen oder Bitten um Leistungsreduktion erfuhren die Teilnehmer weitaus seltener, als zunächst angenommen.
Quelle: COVID-19 Studie
In der tieferen Betrachtung konnte der Studie entnommen werden, dass es einen Grund für diese Entwicklung gab. Selbstverständlich darf die Kompetenz der Berater genannt werden, denen es augenscheinlich gelang, auch in brenzligen Fällen eine Lösung zu finden, die für die Beteiligten machbar war, ohne dabei auf kritischen Versicherungsschutz zu verzichten.
Im Mittelpunkt der Entwicklung stand aber die digitale Erneuerung, nicht nur im Hinblick auf Videokonferenzen und Chatfenster, sondern auf ein umfassendes Self-Service-Programm auf den Webseiten, und rechtssicheren, rein-digitalen Vertragsabschlüssen.
Diese Funktionen gaben den Ausschlag
Im (nun der Vergangenheit angehörenden) Normalfall gingen Interessenten noch zum Versicherungsagenten ihres Vertrauens, und ließen sich ein maßgeschneidertes Angebot erstellen. War dies dann – aus welchen Gründen auch immer – nicht passend, wurde ein neues Paket geschnürt. Dies machte dem Berater viel Arbeit, und erforderte einiges an Geduld von den Kunden.
Moderne Webseiten stellen einen Konfigurator zur Verfügung, der alle Grunddaten und den Leistungsumfang erfasst. Am Beispiel einer Risiko-Lebensversicherung erklärt: je nachdem, für wie viele Jahre in die Zukunft der Versicherungsschutz reichen soll, und wie hoch die im Schadensfall auszuzahlende Summe sein wird, errechnet sich die Höhe der monatlichen Beiträge. Dabei können noch bestimmte Lebensgewohnheiten mit einberechnet sein, wie regelmäßiges Rauchen oder Motorradfahren. Möchte der Interessent im Nachhinein noch etwas ändern, werden einfach die Angaben korrigiert, und in Sekundenschnelle errechnet der Webserver ein neues Angebot. Keine Wartezeit für den Kunden, keine Arbeit für den Versicherungsagenten.
Schnell war für die Kunden klar, dass das neue, digitale Angebot keineswegs nur den Betrieb aufrechterhält, sondern einen tatsächlichen Nutzen für die Interessenten bringt.
Moderne Verfahren ermöglichen zudem die digitale Unterschrift eines Vertrages, mit der sogenannten e-Signatur. Die „Qualifizierte Elektronische Signatur“ (QES) kann in Sekundenschnelle einem Vertragswerk angefügt werden, und besitzt den gleichen rechtlichen Stellenwert, wie eine händisch geleistete Unterschrift. Für die Kunden wird hierdurch der zeitaufwändige Postweg erspart – womit nicht nur die Wartezeit gemeint ist, sondern auch der Gang zum Briefkasten oder zum Postamt. Im Vergleich zur Briefpost ist die elektronische Abwicklung zudem gebührenfrei.
Unabhängige Berater besitzen zudem die Möglichkeit, nicht nur aus einem bestehenden Angebot den passenden Versicherungsschutz zusammenzustellen, sondern auch noch aus den Programmen verschiedener Anbieter den für den Versicherungsnehmer günstigsten herauszusuchen. Entsprechende Vergleichsportale im Internet übernehmen diese Arbeit nun automatisch: blitzschnell und fehlerfrei.
Zeit der Lockdown-Maßnahmen half bei der Akzeptanz
Alle genannten Funktionen waren in ihrer prinzipiellen Form schon vor 2020 verfügbar, doch die Ausnahmesituation der vergangenen Jahre half vielen Kunden dabei, den Schritt von der althergebrachten, persönlichen Beratung, hin zu den digitalen Hilfsmitteln zu gehen. Auch dies war eine Erkenntnis aus der erwähnten Studie: Akzeptanz der Digitalisierung auf breiter Basis.
Quelle: COVID-19 Studie
Abschließend
Auch wenn weltweit die Pandemiemaßnahmen beendet werden, und hoffentlich auch in unseren Landen bald vollkommen vom Tisch sind, darf doch über die Entwicklungen aus dem Online-Bereich heute schon gesagt werden, dass diese zum Bleiben bestimmt sind.
Kaum ein Kunde wird sich die Bequemlichkeit der Online-Beratung wieder nehmen lassen, nachdem die Erfahrung einmal gemacht wurde. Sollte dennoch der schlimmste Fall eintreten, und neue Regelungen den Alltag und die Freiheit der Menschen wieder einschränken, gilt zumindest für die Versicherungsbranche: Sie sind vorbereitet.