Die von Lidl geplanten Ladenkonzepte „Lidl Express“ mit digitalen Elementen werden jetzt wohl doch keine Realität. Das Unternehmen hat sich von seinem bisherigen Geschäftsführer Sven Seidel getrennt, der den digitalen Ausbau des Unternehmens massiv vorantreiben wollte. Die bereits errichteten „Lidl Express“-Filialen werden nun wieder zurückgebaut. Somit verpasst Lidl eine Chance, zu einem Vorreiter im E-Food-Bereich zu werden. Stattdessen will der Konzern Schwerpunkte bei der Internationalisierung setzen.
Wenn es nach dem bisherigen Lidl-Geschäftsführer Sven Seidel gegangen wäre, hätte sich das Unternehmen in den nächsten Jahren stark auf den E-Commerce und den E-Food-Bereich fokussiert. Seidel hatte die Digitalisierung der Supermarktkette vorangetrieben und das „Lidl Express“-Konzept mitentwickelt. Dieses verfolgte die Idee spezieller Filialen, in denen Kunden online bestellte Lebensmittel hätten abholen können (Click & Collect). Hierdurch wäre den Kunden eine deutlich größere Flexibilität beim Einkaufen ermöglicht worden. Das erklärte Ziel war es, junge Menschen anzusprechen und langfristig an Lidl zu binden.
Jetzt verabschiedet sich der Konzern aber (vorläufig) von diesen Plänen. Man hat sich von Seidel getrennt und alle bisher errichteten „Lidl Express“-Filialen werden sukzessive wieder zurückgebaut. Das ist sehr erstaunlicher, da eine Vielzahl dieser Filialen kurz vor der Eröffnung stand. Doch offensichtlich scheut die Lidl-Führung das Risiko solcher Modernisierungsprozesse (zur Zeit). Immerhin hat noch kein Discounter eine vollständige Verzahnung von stationärem Handel und Onlinehandel vorgenommen, weswegen schlicht und einfach Erfahrungen fehlen. Stattdessen wird in den nächsten Jahren die Internationalisierung des Unternehmens vorangetrieben.
Die nächsten Schritte sollen der Lidl-Konzernführung zufolge die Internationalisierung des Konzerns betreffen. Vor allem in den USA will Lidl Fuß fassen und eröffnet daher im Sommer 2017 die ersten 20 Filialen im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Eigentlich war dieser Schritt erst für das Jahr 2018 angedacht, doch durch den Rückzug vom „Lidl Express“-Konzept kann sich die Supermarktkette jetzt voll auf diesen Schritt konzentrieren. Innerhalb eines Jahres sollen etwa 100 Filialen an der Ostküste eröffnet und hierdurch rund 4.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Die genaue Formulierung in der Lidl-Erklärung lautet aber „zum jetzigen Zeitpunkt“ ziehe sich der Konzern von „Lidl Express“ zurück. Diese Formulierung zeigt, dass die Bereiche „E-Commerce“ und „E-Food“ noch nicht ganz vom Tisch sind. Außerdem will Lidl den „Ausbau der interantionalen Online-Shops“ vorantreiben.
In den letzten Jahren hat sich Lidl von einem reinen Billiganbieter hin zu einem modernen Handelsunternehmen entwickelt. Das wurde nicht zuletzt durch die von Seidel initiierten Modernisierungsprozesse erreicht. Der Rückzug vom „Lidl Express“-Konzept und die Trennung von Seidel zeigen, dass sich die Unternehmensführung fortan wieder stärker auf traditionelle Verkaufswege beschränken möchte. Das ist recht erstaunlich, da die Erfahrungen in anderen Ländern zeigen, dass auch ein anderer Weg möglich ist. Hier passen sich die Discounter den jeweiligen Heimmärkten an, erreichen aber Alleinstellungsmerkmale, indem sie ein wenig davon abweichen. „Lidl Express“ hätte ein solches Alleinstellungsmerkmal sein können, mit dem Lidl eine Vorreiterrolle im E-Food-Bereich eingenommen hätte. Der Zeitpunkt wäre vermutlich sehr günstig gewesen, da Amazon vermutlich noch in diesem Jahr sein Lieferkonzept „Fresh“ in Deutschland etablieren wird. Lidl hätte mit seiner Marktstärke und seinen Express-Filialen hier wichtige Aufgaben übernehmen und moderner werden können.
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