Neue E-Privacy Richtlinie droht die europäische Digitalwirtschaft massiv umzukrempeln

Die neue E-Privacy Richtlinie der EU soll im Frühjahr des nächsten Jahres in Kraft treten und gefährdet in ihrer jetzigen Form viele digitale Geschäftsmodelle. Die neue Verordnung macht es Publisher ungleich schwerer Daten über Ihre Nutzer zu sammeln und diese in Form von Werbeplätzen zu monetarisieren. Vor allem Zeitungen und Online-Magazine müssen nun kreativ sein und andere Wege der Finanzierung einschlagen.

Die Zeiten des Online Performance Marketings scheinen vorbei, denn ab 25. Mai 2018 muss die neue EU Datenschutzgrundverordnung (EU-DSGVO) von allen Unternehmen innerhalb der EU eingehalten und implementiert werden. Diese soll die Privatsphäre von Usern schützen und Datenkraken in ihrem Handeln beschränken.  Aber nicht die großen Player des digitalen Raums stellt die neue Verordnung vor massive Probleme, sondern vor allem kleinere Publisher werden mit dem Versuch ihr laufendes Geschäft konform mit der neuen Richtlinie in Einklang zu bringen zu kämpfen haben.

EU will Verbraucher mehr Privatsphäre zu sichern

Die neue Verordnung zielt vor allem darauf ab das Thema “E Privacy” voranzutreiben und zu forcieren. Simpel ausgedrückt geht es um den erhöhten Schutz von persönlichen Daten im digitalen Raum. Ursprünglich wurde die E Privacy Richtlinie im Jahr 2002 von der EU beschlossen mit dem Ziel Mindeststandards für den Schutz von Userdaten International zu regeln. Darüberhinaus wurde neben der E-Privacy Richtlinie 2009 auch die Cookie-Richtlinie durchgesetzt. Diese sieht vor, dass Konsumenten ihr Einverständnis erklären müssen, dass Cookies gesetzt und verwendet werden dürfen.

Bis heute werden alle rechtlichen Belange rund um das Thema Datenschutz auf nationaler Ebene geregelt und überwacht. Dies soll sich mit der neuen europaweiten Datenschutzverordnung ändern und ein Internationaler Standard geschaffen werden. So hat die EU Richtlinie neben verschlüsselter Kommunikation vor allem einen erhöhten Schutz vor User-Tracking, das Abwehren von Cookie Walls und das Unterbinden von Offline-Tracking durch Bluetooth und öffentliche Netzwerke im Blickfeld. Befürworter argumentieren richtigerweise, dass Konsumenten damit die Hoheit über Ihre eigenen Daten zurückgewinnen und Nutzerrechte massiv gestärkt werden.

Darüber hinaus besteht  berechtigte Hoffnung, dass durch die Standardisierung der Datenschutzverordnung auf Internationaler Ebene rechtliche Ungewissheiten bezüglich Third-Party Cookies geklärt werden. Ein besonders prominentes Beispiel ist hierbei das Facebook Conversion Tracking, dessen Mechanismus durch einen Cookie Userdaten an Facebook weitergibt, obwohl der User sich überhaupt nicht mehr auf Facebook befindet. All diese Dinge sind theoretisch natürlich zu begrüßen, jedoch weisen Kritiker der EU Verordnung auf die Folgen für den digitalen Wirtschaftsraum Europa hin. Denn vorrangig kleine Publisher wie Online Magazine, lokale Zeitungen etc., die sich über Werbeeinnahmen finanzieren, werden mit der Umsetzung zu kämpfen haben, da gezielte Werbung nur noch bedingt möglich sein wird.

Digitale Geschäftsmodelle müssen überdacht und angepasst werden

Viele digitale Geschäftsmodelle stehen nun vor der Herausforderung weiterhin profitabel zu agieren, sowie alle Vorgaben einzuhalten. Die Krux an der Sache ist, dass sich die meisten Webseiten über Online Werbung in unterschiedlichen Formen finanzieren. Die neue Vorgaben machen es aber ungleich schwerer diese auszuspielen. Folglich ist der komplette Online-Marketing-Sektor betroffen. Dazu zählen nicht nur Tracking Spezialisten und Targeting Anbieter, sondern auch Online Journalismus und Programmatic Advertising.

Es ist nicht auszuschließen, dass es Konsolidierungen vieler Anbieter geben wird, denn Nutzerdaten, die durch das Cookie Tracking gesammelt werden konnten, könnten in ein paar Monaten von der wiederholten Zustimmung des Endverbrauchers abhängig sein. Diese Zustimmung der Users wird zusätzlich durch den “Opt-In” Prozess abgeholt. Jedoch muss laut der neuen Richtlinie dem Konsument auch die Möglichkeit gewährt werden, die Zustimmung zu verneinen. Dies könnte zu einer erheblichen Abschreckung führen, da der Durchschnitts-User letztlich überhaupt nicht weiß, was er einwilligen oder ablehnen soll. Daraus wird sich folglich ein erheblicher Datenverlust einstellen, der zudem von der neuen Verordnung gefördert wird, indem nur nur “streng erforderliche” und “streng technisch notwendige” Daten verwendet werden dürfen.

So wird der Standard-Hinweis “Mit dem Besuch dieser Webseite akzeptieren Sie die Verwendung von Cookies“ oder der Hinweis, dass User auf eigene Faust in Ihrem Browser Datenschutzbestimmungen anpassen können nicht mehr ausreichend sein, um gesetzeskonform zu wirtschaften. Vielmehr wird der Nutzer schon vor dem Besuch der Webseite mit der Frage konfrontiert werden, ob ein Cookie gesetzt werden darf. Die Zustimmung muss per Opt-in erfolgen, stimmt der Kunde nicht zu, darf er die Webseite aber trotzdem benutzen. Ob der User dann alle Webseiteninhalte zu Gesicht bekommt, die er mit Zustimmung des “Opt-ins” zu Gesicht bekommen würde, bleibt offen.

Profitieren würden vor allem die großen Player wie Facebook, Google etc., da diese durch die LogIns ihrer User die meisten Einschränkungen umgehen können. Da die Mehrzahl der Medien aber ohne diese LogIns funktionieren, wird es vor allem für kleinere Player schwer passende Lösungswege zu finden. Mit LogIn-Allianzen zwischen ProSieben und Zalando, sowie Otto & Ströer gibt es schon erste Versuche der deutschsprachigen Schwergewichte, wie man die LogIn Lösung über Shopping-Profile elegant gelöst bekommt.

Die Privatsphäre wird geschützt, aber zu welchen Kosten?

Klar ist jedoch, dass sich Publisher trotzdem finanzieren und einen Weg einschlagen müssen, der ihr bestehendes Geschäftsmodell tragbar macht. Da vor allem die Umstellung auf entweder neue Erlösmodelle oder die technische Anpassung an Gesetzesvorgaben mit erheblichem Ressourcenaufwand verbunden ist, scheint es nicht abwegig, dass es Grenzfälle gibt, in denen es ökonomisch sinnvoller ist ein Webprojekt zu begraben und Arbeitsplätze zu vernichten, als dieses unter den neuen Umständen fortzusetzen. Aber nicht nur Webpublisher die Ihre Reichweiten durch Werbung monetarisieren, sondern auch die Nutzer dieser Seiten sind oftmals unmittelbar betroffen in Bezug auf die Usability der jeweiligen Webseite.  Denn zukünftig werden Verbraucher bei jedem Aufruf von Webinhalten aufs Neue wiederholt nach einer Einverständniserklärung zum Ausspielen von Werbung und zum Datentracking gefragt, sofern sich keine andere Erlösmodelle finden.

Eine für Laien erst auf den zweiten Blick erkennbare Herausforderung der potenziellen neuen rechtlichen Vorgaben besteht darin, dass Werbeinhalte nicht limitiert werden, sondern wenn überhaupt mit noch höherer Frequenz ausgespielt werden. Bisher hat der digitale Sektor nämlich vor allem davon profitiert, wichtige Informationen über Ihre User zu sammeln und diese durch zielgerichtete Werbung in Umsätze umzuwandeln. So wurden Hundebesitzern Werbung für Hundenahrung gezeigt und Katzennahrung für Katzenbesitzer.

Nach Umsetzung der E-Privacy Richtlinie könnte dies nicht mehr der Fall sein, da keinerlei Informationen über den Nutzer bekannt sind. Die Annahme, dass durch das Fehlen von Informationen weniger Werbung auf den verschiedenen Kanälen ausgespielt wird, darf getrost in das Reich der Fabeln verwiesen werden. Wenn überhaupt gibt es ein signifikantes Plus an Werbung, um dem Streueffekt der nicht zielgerichteten Werbung zu mindern. Wenn sich die Datenschutzverordnung in Ihrer jetzigen Form durchsetzt, dann müssen Internetuser mit einer deutlich schlechteren online Erfahrung durch erhöhtes Werbeaufkommen rechnen. Ob das die zusätzliche Privatsphäre vollends rechtfertigt, bleibt abzuwarten.

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