Lernen im 21. Jahrhundert – die Digitalisierung ist nur eines von vielen Werkzeugen

Die Digitalisierung verspricht revolutionäre Entwicklungen im Bereich der Bildung. Es ist aber davon auszugehen, dass nur einige dieser Versprechungen eingehalten werden können. Aktuell ist die Digitalisierung noch sehr jung und ihre Entwicklung auf das Gehirn nur in Ansätzen bekannt. Sie kann Großartiges leisten, ist aber definitiv kein Allheilmittel. Im Bereich der Bildung werden auch in Zukunft die Lehrerinnen und Lehrer die entscheidenden Faktoren für erfolgreiches Lernen sein.

Versprechen und Erfüllung neuer Technologien

Neue Technologien sind unter anderem deswegen so beliebt, weil sie mit riesigen Versprechungen aufwarten. Das gilt für die Atomenergie und die Gentechnologie ebenso wie für die Elektromobilität. Häufig haben sich solche Versprechungen jedoch als nicht haltbar erwiesen. Die energetische Unabhängigkeit durch die Atomenergie und die wachsende Gesundheit der Bevölkerung durch die Gentechnologie sind nicht eingetreten. Stattdessen waren solche Technologien immer mit diversen Nachteilen und Risiken verbunden.

Deswegen ist davon auszugehen, dass auch die Versprechungen der Digitalisierung nur ansatzweise erfüllt werden können. Die Vorstellung beispielsweise, das Schul- und Bildungssystem durch digitale Medien und Technologien zu optimieren, dürfte sich als Luftschloss erweisen. Das legen zahlreiche Studien nahe, die der Digitalisierung eine Eindimensionalität unterstellen.

Aus diesem Grund ist es mutig von der Bundesregierung, fünf Milliarden Euro in ein Digitalpakt zu investieren. Immerhin sind die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Entwicklung von Lernenden und des Gehirns noch nicht umfassend erforscht. Es wird somit in eine Technologie investiert, über die bisher nur wenig bekannt ist. Die Auswirkungen können entsprechend nur schwer abgeschätzt werden.

Die Digitalisierung ist noch sehr jung

Auch wenn der Satz „Das Internet ist für uns alle Neuland“, den Angela Merkel 2013 äußerte, Spott und Gelächter auslöste, ganz falsch ist er nicht, schreibt Stefan Kern in seinem Beitrag auf rnz.de. Denn bis heute liegen zur Digitalisierung nur erste Studien vor. Forscherinnen und Forscher können somit Theorien aufstellen und Ideen entwickeln, valide Daten für allgemeingültige Aussagen liegen aber noch nicht vor. Es besteht daher noch ein großer Forschungsbedarf, bevor die Stärken und Schwächen der Digitalisierung und ihre Einflüsse auf die menschliche Entwicklung überhaupt bewertet werden können.

Die bisher vorliegenden Studienergebnisse zeichnen jedenfalls kein eindeutiges Bild. Einige von ihnen legen nahe, dass die Beschäftigung mit Computern und Tablets die Recherchefähigkeiten von Lernenden positiv beeinflussen kann. Andere zeigen, dass gerade bei Kindern und Jugendlichen das sogenannte Lerndreieck aus Aufmerksamkeit, Konzentration und Merkfähigkeit unter einer zu starken digitalen Nutzung leidet. Bevor hier nicht Klarheit geschaffen ist und die tatsächlichen Auswirkungen der Digitalisierung auf Lernende bekannt sind, ist es daher ein gewisses Risiko, Bildung und Schule auf diese Technologie auszurichten.

Die Entwicklung des Gehirns

Um verstehen zu können, welchen Einfluss die Digitalisierung auf die Entwicklung von lernenden Menschen hat, ist es wichtig, die Funktionsweise des Gehirns in Ansätzen zu verstehen. Grundsätzlich kann man sich das Gehirn als eine Vielzahl von Straßen vorstellen. Diejenigen Straßen, die aktiv benutzt werden, werden ausgebaut und mit anderen Straßen verknüpft. Hierdurch entsteht eine Infrastruktur, die von den entsprechenden Menschen genutzt werden kann. Die Wege aber, die nicht regelmäßig benutzt werden, verkümmern und werden in das Straßennetz nicht eingebaut.

Hier zeigt sich die Schwierigkeit der Digitalisierung: Sie ist sehr eindimensional. Sie setzt das menschliche Gehirn einer Vielzahl von Reizen aus, die allerdings aus derselben Kategorie stammen. Lernende werden vor allem visuell und teilweise akustisch stimuliert und die entsprechenden Pfade im Gehirn bilden sich aus. Alle anderen Einflüsse, die gerade bei aktivem, körperlichem Lernen zum Tragen kommen, spielen in der digitalen Welt keine Rolle.

Wenn Kinder zum Beispiel in der freien Natur rennen und toben, sind sie hierbei einer Vielzahl von Eindrücken ausgesetzt. Diese sprechen alle Sinne an. Sie spüren die Sonne auf der Haut oder den Schmerz eines aufgeschürften Knies und müssen bei ihren Spielen von Balance über Konzentration bis hin zur Kreativität alles zeigen, wozu das menschliche Gehirn fähig ist. All diese verschiedenen Eindrücke fehlen in der digitalen Welt, sodass das Lernen hier nur auf eine bestimmte Weise und in eine bestimmte Richtung funktioniert.

Ständiges Feedback

Eine weitere Eigenschaft der Digitalisierung ist, dass Lernende permanent Feedback bekommen. Das ist auf der einen Seite gut, da sie so lernen, sich selbst einzuschätzen und ihre persönlichen Lernfortschritte zu bewerten. Das funktioniert allerdings nur, wenn das Feedback objektiv und ehrlich ist. So müssen die Stärken und Schwächen in dem jeweiligen Feedback gleichermaßen Erwähnung finden, um einen Erkenntnisgewinn daraus zu ziehen.

Häufig ist es aber so, dass digitale Medien so angelegt sind, dass sie durchweg positive Feedbacks geben. Die Idee dahinter besteht darin, die Anwenderinnen und Anwender dazu zu bringen, dass sie das jeweilige Tool, die App oder die software weiterhin nutzen. Aus diesem Grund wird negative Kritik häufig ausgeblendet. Das ist für einen Lernerfolg jedoch schlecht. Wer immer nur gesagt bekommt, dass er bereits toll sei und schon alles könne, wird nicht an den eigenen Schwächen arbeiten. Deswegen ist es wichtig, nicht auf ein Tool oder eine Rückmeldung allein zu vertrauen, sondern verschiedene Quellen für ein Feedback zu nutzen. Je objektiver die Rückmeldung nämlich ist, desto besser können Lernende ihre eigenen Stärken und Schwächen einschätzen.

Digitalisierung ist kein Allheilmittel

All diese Erkenntnisse zeigen, dass die Digitalisierung kein Allheilmittel ist. Sie wird das Versprechen, von mühelosem, sehr schnellem Lernen nicht erfüllen können. Was sie allerdings sehr gut kann, ist, die bereits vorhandenen Lernmethoden zu erweitern und zu ergänzen. Sie bietet neue Medien, Impulse und Reize, die den Lernenden einen neuen Blick auf den Lernstoff ermöglichen und ihnen Wege aufzeigen, wie sie ihr Lernziel Eventuell auch erreichen könnten.

Das zeigt sich insbesondere an der Art und Weise, wie in der digitalen Welt gelesen wird. Bei Büchern – und das gilt ausdrücklich auch für e-Books und e-Reader – werden die Inhalte in der Regel durchgängig von links nach rechts vollständig gelesen. Natürlich ist es auch bei einem Buch möglich, dieses querzulesen und zu überfliegen. Das ist jedoch die Ausnahme. Stattdessen werden die Inhalte in ihrer Tiefe erfasst und von unterschiedlichen Blickpunkten her betrachtet.

Anders sieht es beim Betrachten von Websites aus. Diese sind in der Regel nicht darauf angelegt, einen kontinuierlichen Lesefluss zu erzeugen. Stattdessen werden sie nach besonders relevanten Informationen gescannt. Zudem gibt es immer wieder Videos und teilweise auch Werbung, die den Lesefluss unterbrechen, die Lernenden ablenken und zu einem neuen Thema führen. Studien zeigen, dass Websites eher wie ein „F“ von oben nach unten und nur gelegentlich quer gelesen werden. Entsprechend eignet sich die digitale Welt, um sich einen Überblick über eine Thematik zu verschaffen und wichtige Punkte einmal gehört zu haben. Für eine tiefer gehende Beschäftigung mit einer Thematik ist sie hingegen weniger geeignet.

Ein großer Vorteil der Digitalisierung ist hingegen die Vernetzung. So werden bestimmte Inhalte mit ähnlichen Themen verknüpft und verbunden. Lernende haben über Links die Möglichkeit, zu anderen relevanten Texten und Inhalten zu kommen und sich mit diesen zu beschäftigen. Sie müssen die Querverweise nicht erst mühevoll selbst finden, sondern können auf die bereits vorhandenen zurückgreifen. Hierbei ist allerdings wichtig, auf die Qualität der Links zu achten. Es sollte sich um keine reinen Werbelinks handeln, sondern um Links, die einen tatsächlichen Mehrwert bieten.

Auf die Lehrerinnen und Lehrer kommt es an

Wenn die Digitalisierung nicht das allein glücklich machende Werkzeug ist, dann kann sie auch nicht den Ton im Klassenzimmer angeben. Das gilt für die Grundschule ebenso wie für die Oberstufe, Studierende und Menschen in Weiterbildungen. Stattdessen kommt es massiv darauf an, welche Lehrerinnen und Lehrer die Angebote zur Verfügung stellen. Diese entscheiden nämlich darüber, wie gut die Inhalte bei den Lernenden ankommen und ob sie von diesen verstanden werden.

Es ist daher notwendig, dass Lehrerinnen und Lehrer professionell und hervorragend ausgebildet werden. Sie müssen in der Lage sein, die Stärken der Digitalisierung zu erkennen und für ihren Unterricht zu nutzen. Gleichzeitig müssen sie die Risiken und Schwächen einschätzen können, um Gefahren für die Lernenden zu vermeiden. Deswegen ist es angeraten, intensiv in die Ausbildung und Förderung vom Lehrpersonal zu setzen. Diese sind die entscheidenden Motoren des Bildungssystems und sorgen dafür, dass Inhalte nicht nur recherchiert werden können, sondern auch verstanden werden.

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